Adrenalinkick Achterbahn
Viele kostet es richtig Überwindung, einzusteigen – und manche tun das um keinen Preis. Zu groß ist die Angst, hilflos ausgeliefert zu sein bei der rasenden Fahrt durch Loopings oder Spiralen. Dabei ist der Nervenkitzel, der meist nicht länger als fünf Minuten dauert, in der Regel völlig ungefährlich, zumindest was die technische Seite betrifft. In Deutschland tragen regelmäßige und strenge TÜV-Abnahmen dafür Sorge. Dennoch kam und kommt es immer wieder zu Unglücksfällen – zum Teil mit tödlichem Ende. Mehrheitlich liegt die Ursache dafür beim Fahrgast selbst, der sich und seine Gesundheit überschätzt.
Belastung bis zum sechsfachen des Körpergewichts
Extrem starke Kräfte, die der Mensch während seiner Achterbahnfahrt zu spüren bekommt, wirken bei der Ein- und Ausfahrt in einem Looping. Hier ist eine Belastung von bis zu 6 g zugelassen – das heißt, mit dem Sechsfachen seines Körpergewichts wird der Fahrgast auf die Sitzfläche gedrückt. Vor allem der Rücken und die Bandscheiben sind damit extremem Druck ausgesetzt. Außerdem erhöht sich der Herzschlag auf bis zu 200 Schläge pro Minute – kurz nach der größten Krafteinwirkung.
Der Stahlgigant macht Spaß
Mit 50 Containern ist die Firma Barth seitdem auf Reisen, im Gepäck knapp 900 Tonnen Stahl. Der Aufbau der gigantischen Achterbahn bedeutet jedes Mal wieder eine logistische Meisterleistung. Zu Beginn der rasanten Fahrt bringen hydraulisch angetriebene Reibradaufzüge den Fahrgast in fast 33 Meter Höhe. Danach erreicht er beim Durchfahren der Loopings noch einmal 25 Meter und vier Mal 14 Meter Höhe – wovon er allerdings nur eine verschwommene Wahrnehmung haben dürfte. Immerhin rast der Wagen mit bis zu 80 Stundenkilometer über die Schienen. Dabei wirkt in den Loopings eine maximale Belastung von 5,2g. Auch nach 15 Jahren Betrieb ist der Olympia Looping noch immer eine richtig runde Sache.
Extreme Kräfte auf den Körper
Während der Fahrt in einer Achterbahn verändert sich vor allem das Körpergewicht des Fahrgastes ständig. Schuld daran ist das physikalische Phänomen der Beschleunigung. Die Kräfte, die durch die Beschleunigung auf den Insassen wirken, werden mit einer g-Zahl angegeben. Wirken beispielsweise 4g auf den Menschen ein, wiegt er in diesem Moment das Vierfache seines normalen Körpergewichts. Solch eine hohe Kraft bekommt der Körper vorwiegend in den Talsohlen der Achterbahn zu spüren.
Fast schwerelos in rasender Fahrt
Bei der Fahrt nach oben wird der Mensch hingegen leichter – und zwar um bis zu 30 Prozent. Die g-Kräfte und der Winkel von ungefähr 45 Grad machen dies möglich. Wenn der Wagen dann mit besonders hoher Geschwindigkeit eine Bergkuppe erreicht, erhöht sich auch die Herzfrequenz des Insassen von 90 auf 150 Schläge pro Minute. In diesem Moment wiegt er unter Umständen nur noch ein Fünftel seines üblichen Gewichts – oder hebt im Extremfall sogar vom Sitz ab: Für einen Augenblick erlebt der Fahrgast die sogenannte „Air Time“.
Gefahr eines Blackouts
Für Achterbahnen ist festgelegt, dass diese höchstzulässigen 6g maximal eine Sekunde lang auf den Menschen einwirken dürfen. Würde dieser Extremzustand deutlich länger andauern, droht ein Blackout. Doch auch in den Kurven wirken starke Kräfte auf den Körper: In einer Rechtskurve beispielsweise wird der Insasse mit maximal 3g seitlich nach links gedrückt. Größere Kräfte könnten auch bei solchen einfachen Fahrmanövern gefährlich werden und zu einem Schleudertrauma oder Schlüsselbeinbruch führen.
Rudolf Barth und der Traum vom Fünfer Looping
Der Schausteller Rudolf Barth aber wollte noch mehr: Eine neue transportable Achterbahn mit sage und schreibe fünf Überkopffiguren. Die ersten Pläne zeigten eine gigantische Loopingbahn, die mit ihren 1215 Metern Streckenlänge eine Grundfläche von lediglich 86 mal 37 Metern benötigte. Zudem erinnerten ihre fünf Vertikalloopings an die Olympischen Ringe – der weltberühmte „Olympia Looping“ war geboren. Premiere hatte die neue Fahrsensation auf dem Oktoberfest 1989 und wurde ein Hit. Werner Stengel erhielt für den Entwurf und die Ausführungsplanung des Stahlgiganten sogar einen Ingenieurs-Preis.
Tollkühne Schleifen mit Gefahr für die Gesundheit
Ein französischer Ingenieur wagte es als erster, Menschen zur rasenden Überkopf-Fahrt durch einen Looping einzuladen. Das Pariser Ereignis erregte weltweit Aufsehen. Bald schossen auch in den USA Looping-Bahnen wie Pilze aus dem Boden. Patente wurden auf die Konstruktionen angemeldet. Doch all diese tollkühnen Schleifen ereilte früher oder später ein und dasselbe Schicksal: Schlossen sie ihre Pforten nicht von allein, verfügten die Behörden die Schließung. Der Grund: Ein großer Teil der Fahrgäste bezahlte den Adrenalinkick mit einem verrenkten Hals oder einer gestauchten Wirbelsäule – und einige sogar mit ihrem Leben.
Verein für Looping-Geschädigte
Auch eine leicht elliptische Bauweise – statt der bisherigen runden – verhalf den Loopingfahrten nicht zum Durchbruch. Ein weiterer Versuch Mitte des 20. Jahrhunderts, den Looping erneut im Fahrgeschäft zu etablieren, hatte in Deutschland sogar die Gründung des „Vereins für Looping-Geschädigte“ zur Folge. Erst 1976 schafften es der deutsche Achterbahndesigner Werner Stengel und der Hersteller Anton Schwarzkopf, einen modernen Vertikallooping zu konstruieren und zu bauen, der das Über-Kopf-Fahren zum wirklich reinen Vergnügen werden ließ – ohne die Gefahr körperlich Schaden zu nehmen.
Von der Eisrutsche zum Stahlgigant
Mit Schlittenfahrten auf blankem Eis beginnt die Geschichte der Achterbahnen oder – wie sie heute genannt werden – der „Roller Coaster“. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurden im winterlichen Russland bis zu 21 Meter hohe Holzrutschen mit Wasser übergossen. Bei den vorherrschenden Minusgraden gefror die Abfahrtsfläche in kürzester Zeit und sorgte für ein rasantes Rutschvergnügen. Ende des 18. Jahrhunderts bekamen die Schlitten in St. Petersburg Räder und auf den Abfahrtsrampen wurden Schienen verlegt. Damit konnten sich jetzt die Menschen auch im Sommer vergnügen. Die erste tatsächliche Achterbahn – gebaut in Form einer 8 – wurde 1898 auf Coney Island bei New York eröffnet. Stahl als Baustoff ermöglichte im 20. Jahrhundert immer kompliziertere und spektakulärere Konstruktionen. Aber auch mehr Sicherheit für die Fahrgäste.