Die Entführung der Lufthansa-Maschine Landshut ist mittlerweile 40 Jahre her. Doch für die Überlebenden ist der 13. Oktober 1977 nach wie vor unvergessen. Für die meisten ging der Alptraum nach der Befreiung weiter – waren sie doch mit ihren traumatischen Erlebnissen ganz auf sich alleine gestellt. Welt der Wunder hat die damalige Geisel Diana Müll getroffen.
„Als die mich zum Erschießungskommando geholt haben – das war das schlimmste, was auch heute noch immer präsent ist: der Weg zu dieser Tür. Mir war klar: Ich gehe zu meiner eigenen Hinrichtung. Dann hat er mit dem Tower gesprochen und gesagt: Hier steht Diana, 19 Jahre alt aus Gießen und wir werden sie erschießen und auf die Rollbahn werfen, wenn sie nicht bei 10 aufgetankt haben. Dann hat er gezählt; bei 9 oder 10 – ich weiß nicht mehr so genau – hat der Tower dann gerufen: ‚Wir tanken auf!‘“
Diana Müll ist noch ein junges Mädchen und hat ein paar Urlaubstage auf Mallorca verbracht – ein Schönheitsköniginnen-Treffen. Als sie, in Begleitung ihrer Freundinnen, gerade noch so den Flieger zurück nach Frankfurt erwischt, weiß sie nicht, dass die nächsten fünf Tage ihr Leben für immer verändern werden. Denn sie ist eine der Passagiere der Lufthansa-Maschine Landshut. Heute weiß jeder, was das bedeutet: 100 Stunden in Angst, eingepfercht mit weiteren 90 Geiseln in der 2. Klasse der Boeing 737, bei Temperaturen bis zu 60 Grad.
Traumatische Folgeschäden über Jahre
Die Details über die Flugzeugentführung durch palästinensische Terroristen im Herbst 1977 kennen die meisten aus Filmen, Interviews und Dokumentationen. Aber nur die wenigsten können sich vorstellen, dass der Alptraum für die Geiseln auch nach der Befreiung weiter ging und bei vielen immer noch fortlebt. Denn die Betroffenen fanden nur schwer oder teilweise gar nicht in ihr normales Leben zurück. Die Suche nach therapeutischer Hilfe war vergebens und materielle Entschädigungen ließen auf sich warten.
Bianca Biwer, Vorsitzende des Weißen Rings, bringt die Ursache des Problems auf den Punkt: „Die Verwaltung war damals überfordert, wie man damit eigentlich umgeht.“ (Quelle: Das Erste) Das Thema Traumatisierung, die Nachwirkungen und vor allem Langzeitfolgen seien zu dem Zeitpunkt noch überhaupt nicht in dem Bewusstsein gewesen. Hinzu kam: Es gab keine einheitlichen Regelungen, wie die zuständigen Ämter mit den vielen Anträgen der Landshut-Entführungsopfern umgehen sollten.
Heute kann man sich kaum vorstellen, warum eine Traumatisierung nach fünf Tagen Geiselhaft nicht anerkannt wurde – zumal man mittlerweile weiß, dass seelische Schäden teilweise schlimmer sein können als körperliche Verletzungen. Aber die Bundesrepublik war auf die Situation völlig unvorbereitet und nahm regelrecht unkoordiniert einige Anträge auf Entschädigung an – andere Opfer erhielten wiederum die schmerzhafte Ablehnung. Und das, obwohl alle dasselbe erlebt hatten.
„Die Therapie hat mir das Leben gerettet“
„Ich hätte erwartet, dass man mir die Therapiekosten bezahlt. Und ich habe wirklich lange darum gekämpft, aber keiner ist dafür aufgekommen“, erzählt Diana Müll. Die junge Frau musste damals in einer Diskothek arbeiten, um irgendwie ihre Therapie zu finanzieren – und trotzdem war sie hoch verschuldet. „Ich habe damals 900 Mark verdient, 175 Mark hat meine Wohnung gekostet und 400 Euro im Monat die Therapie.“ Dass diese wirklich notwendig war, daran hat sie bis heute gar keine Zweifel. Im Gegenteil: Sie sagt, dass die Gespräche mit dem Therapeuten ihr das Leben gerettet haben: „Ich hätte mich sonst umgebracht!“
Allerdings brauchte sie Jahre, um überhaupt einen Therapeuten zu finden. Denn neben den überforderten Ämtern kam der Mangel an Psychologen hinzu. Die Folge: Viele Ärzte attestierten den Patienten, gesund zu sein. So auch Diana Müll, dabei war sie bereits so krank geworden, dass sie sich schon die Haare ausriss.
Heute hat die Gießenerin ihr Leben wieder gut im Griff, sie führt einen Kosmetikladen, hat eine erwachsene Tochter und hat bereits ihr zweites Buch geschrieben (“Mogadischu: Die Entführung der “Landshut” und meine dramatische Befreiung“). Aber auch wenn sie die Erlebnisse mittlerweile verarbeitet hat, werden die Erinnerungen an Mogadischu ihr Leben und das ihrer Angehörigen für immer prägen. Doch damit weiß sie inzwischen umzugehen und möchte als Vorbild für andere traumatisierte Menschen stehen. „Du darfst es nicht ruhen lassen, Du darfst es nicht versuchen, abzuschütteln – das funktioniert nicht. Du musst lernen, damit zu leben. Erst dann, kannst Du alles schaffen!“ sagt sie.