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Seeungeheuer und Fischkentauren: Mittelalterliche Monster der Meere

Foto: British Library

Seeungeheuer und Fischkentauren: Mittelalterliche Monster der Meere

Fliegende Schildkröten, Wassereinhörner oder gigantische Fische – die Abbildungen auf antiken Weltkarten können ziemlich absurd erscheinen. Doch woher kamen diese fantasievollen Kreaturen? Und was veranlasste die Kartographen, sie in ihre Karten einzubringen?

Ein riesiger, hummerähnlicher Krake hält einen wehrlos zappelnden Seemann in seinen Scheren: Was nach einer Szene aus dem Hollywood-Film „Fluch der Karibik“ klingt, hat seinen Ursprung weit vor jeglichem Bewegtbild. Die Kartenzeichner zwischen dem zehnten und frühen 17. Jahrhundert hatten wohl eine blühende Fantasie, was die Bewohner der Weltmeere anging. Es bedarf beim Betrachten alter Karten keines Kennerblickes, um festzustellen: Nicht nur in Lage und Form der Länder unterscheiden sich antike und mittelalterliche Landkarten von den heutigen – sie wurden damals auch reich geschmückt mit Bildern von fantastischen, skurrilen und bedrohlichen Wesen.

Abenteuerliche Erzählungen der Seefahrer

Dabei reichen die Ungeheuer von bizarr wirkenden Walen bis hin zu den unterschiedlichsten Mischwesen, da man in der Antike annahm, dass alle Landtiere eine Entsprechung im Wasser hätten. Als Inspiration für die monsterähnlichen Gestalten dienten den Zeichnern zeitgenössische wissenschaftliche Literatur, Erlebnisberichte von Seefahrern und auch mal ihre eigene Fantasie.

Doch warum taten die Kartographen das? Darauf gibt es gleich mehrere Antworten, zum Beispiel sollten die Abbildungen die Seeleute tatsächlich vor Meerungeheuern warnen, die laut den abenteuerlichen Erzählungen in den Weltmeeren ihr Unheil trieben. Die Gemälde dienten aber auch rein künstlerischen Zwecken, waren pure Dekoration oder wiesen auf die malerischen Fertigkeiten des Kartographen hin. Denn je prunkvoller dieser die Karten gestaltete, desto teurer konnte er sie auch verkaufen. Da blieb die grafische und naturkundliche Genauigkeit schon mal auf der Strecke.

Spiegel vergangener Zeiten

Zusätzlich symbolisierten sie die Sagen- und Mythenwelt des Landes, neben dem sie abgebildet waren. So ist beispielsweise Island – auch heute noch bekannt für seine Mythen und Sagen – von den aberwitzigsten Wesen, wie einem Wolf mit Flossen, umgeben (siehe Bildergalerie). Manchmal wiesen die Abbilder der Seeungeheuer auch ganz einfach auf die Belebtheit des Meeres hin. Doch die angsteinflößenden Kreaturen hatten auch ihren ökonomischen Zweck – sie sollten fremde Seefahrer von bestimmten Routen fernhalten, wie zum Beispiel den ertragreichen skandinavischen Fischfanggebieten.

Der Kartenhistoriker Chet van Duzer hat in seinem Buch „Seeungeheuer und Monsterfische“ nicht nur etliche Bilder von fantasievoll bemalten, europäischen Karten gesammelt – er interpretiert auch deren Herkunft und Bedeutung. Denn über die Bilder lassen sich jede Menge Rückschlüsse auf die Weltvorstellung der damaligen Zeit ziehen. Von der Antike bis zur Renaissance nimmt er dabei auch Bezug auf damalige Skeptiker sowie die Rolle der Kirche, die teilweise selbst in ihren heiligen Hallen fantastische Bilder von Wasser-Einhörnern und dergleichen beherbergte.

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