Nahrungsmittel sind nicht nur die Grundlage allen menschlichen Lebens – sie haben auch direkten Einfluss auf unseren Körper. Was wir essen, wie viel und in welcher Kombination – all das entscheidet darüber, ob und wann wir krank werden oder ob wir gesund bleiben.
Im Lauf der vergangenen sechs Jahrzehnte hat sich ein schier undurchdringliches Gespinst aus unklaren Fakten, Irrtümern und Fehlern bis hin zu ganz klaren Lügen rund um den Komplex Lebensmittel gebildet. Diese Entwicklung ist das Ergebnis verschiedener gegenläufiger Interessen von Industrie, Pharmaunternehmen und Ernährungsratgebern, die etwa neue Diäten anpreisen.
Viel zu wenige unabhängige Forschungen
Daraus sind – in vielen Fällen von einer starke Interessengruppe gelenkte – Studien erwachsen. Ihre Erkenntnisse werden zu neuen Wahrheiten hochstilisiert, etwa zu diesen: Wer am Tag nicht mindestens zwei Liter Wasser trinkt, lebt ungesund. Hoher Fleischkonsum bringt uns den frühen Tod. Müsli und Reiswaffeln sind super für die Figur.
Was bei dieser Entwicklung zwangsläufig zu kurz kommt, sind Ergebnisse aus unabhängigen Forschungen, die oftmals ganze Lügengebäude, die sich bereits seit Jahren fest in den Köpfen der Verbraucher verankert haben, zum Einsturz bringen würden. Nur leider kennt der Verbraucher solche Studien nicht. Für ihn ist irgendwann nicht mehr erkennbar, welchem Ratschlag er nun folgen soll und wie er sich gesund ernähren kann.
Fettes Essen ist ungesund
Seit Jahrzehnten machen Forschung wie Industrie fetthaltige Nahrung zum Hauptverantwortlichen für Übergewicht und damit verbundene Krankheiten. Millionen von Patienten sind mit dementsprechenden Ernährungsempfehlungen behandelt worden. Ein gigantischer Irrtum: Eine Metaanalyse aus 21 unabhängigen US-Studien mit insgesamt 350.000 Teilnehmern deckte auf, dass es keinen Zusammenhang zwischen gesättigten Fettsäuren und Herzkrankheiten gibt. „Wir konnten keinen belastbaren Hinweis darauf finden, dass das Risiko, zu erkranken, durch fetthaltige Speisen erhöht wird“, sagt der Leiter der Studie, Ronald Krauss. Dabei ging man jahrzehntelang davon aus, dass die sogenannten gesättigten Fettsäuren – die ein Bestandteil tierischer Fette sind und beispielsweise in rotem Fleisch, Wurst, Käse, Butter, Sahne und Speck vorkommen – dem Körper schaden.
Fettes Essen ist ungesund
Ebenfalls nicht erhärten ließ sich die seit Jahren von Ärzten propagierte Behauptung, dass fettreiche Ernährung das Risiko von Leber- und Brustkrebs deutlich erhöht. Nur sehr stark übergewichtige Menschen sind bei hohem Fettkonsum krebsgefährdet: Sie schütten aufgrund des vermehrten Fettgewebes mehr Leptin aus, was das Krebswachstum tatsächlich fördern kann. Allerdings: Industrielle Transfette – u. a. in Chips, Pommes, Glasuren und Fertigprodukten – erhöhen das Risiko für entzündliche Prozesse im Körper. Und diese können tatsächlich zu Krebs führen.
Spinat ist reich an Eisen
Der Mythos hält sich bis heute: Spinat ist gut für das Blut und damit gut für unsere Gesundheit, da er besonders viel Eisen enthält. Fakt ist jedoch: Der Eisengehalt von Spinat ist mit etwa 4,1 Milligramm (mg) auf 100 Gramm (g) vergleichsweise gering. Wer bei seiner Ernährung Wert auf blutbildendes Eisen legt, sollte sich eher an Leberwurst (5,9 mg), Schokolade (6,7 mg) und Pistazien (7,3 mg) halten. Mediziner empfehlen, zu eisenreichem Essen Vitamin-C-haltiges Obst oder Gemüse wie etwa rote Paprika zu sich zu nehmen, da dies die Aufnahme von Eisen verbessert.
Vegetarier und Veganer leben gesünder als Fleischesser
Nicht, wenn es sich um moderaten Fleischkonsum handelt – dann leben Fleischesser sogar gesünder als Vegetarier! Forscher von der Universität Graz konnten jetzt erstmals wissenschaftlich belegen: Fleischesser leiden vergleichsweise seltener an Krebs (mit Ausnahme von Darmkrebs, der durch einen überdurchschnittlichen Fleischkonsum häufiger auftritt), Herzinfarkten oder Allergien als Vegetarier oder Veganer. Der Grund: Tierische Fette sind gesünder als bisher angenommen. In ihnen stecken sämtliche essentiellen Fettsäuren, Vitamine und Mineralstoffe in dem Verhältnis, in dem der Körper sie benötigt.
Vegetarier und Veganer leben gesünder als Fleischesser
Das Forscher-Fazit: Mischkost-Ernährung ist für den Körper besser als einseitiges Essen. Das bestätigt auch eine Studie der Universität Hildesheim, nach der Menschen, die Vegetarier werden, häufiger an Depressionen, Angststörungen und psychosomatischen Beschwerden leiden. Laut der Krankenkasse AOK liegt das Hauptrisiko einer rein vegetarischen Ernährungsweise im Wegfall bestimmter Nährstoffe und Proteine sowie der Vitamine B12, D, E oder K. Auch ein Mangel an Zink, Eisen und Calcium kann durch den Verzicht entstehen.
Abnehmen ist gut für die Gesundheit
Die meisten Diäten bringen dem Körper Stress pur – und das ist das Gegenteil von gesund! „In den allermeisten Fällen ist eine Diät nicht nur sinnlos, sondern gesundheitsschädlich!“ So lautet das Fazit des Internisten und Hirnforschers Achim Peters von der Universität Lübeck. „Dicker zu werden ist Ausdruck einer Strategie des Gehirns, sich vor den negativen Auswirkungen von Stress – wie beschleunigte Alterungsprozesse, Abbau von Muskel-, Knochen- und Bindegewebe, erhöhtes Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko – zu schützen.“ Dicker zu werden ist nach Peters eine Nebenwirkung, die auftritt, wenn das Gehirn versucht, Stress zu bekämpfen. „Ist das Stresssystem aktiv, erhöht sich der Energiebedarf des Gehirns kurzzeitig. Ist das Stresssystem aber permanent belastet, steigt eben auch der Energiebedarf des Gehirns dauerhaft. Das Verlangen, mehr zu essen, wächst“, erklärt Peters.
Abnehmen ist gut für die Gesundheit
In dieser Situation die Kalorienzufuhr zu reduzieren verschärft das Problem weiter: Das Gehirn interpretiert die Diät als Energiekrise und fährt das Stresssystem weiter hoch. „Hungern wird so zu einem zusätzlichen Stressfaktor“, warnt Peters, dessen Team mehr als 10.000 Studien ausgewertet hat. Problematisch wird in diesem Zusammenhang vor allem das körpereigene Stresshormon Cortisol. Es ist erwiesenermaßen der Auslöser für Stressfolgeerkrankungen. Die Folge: vorzeitige Körperalterung, erhöhte Risiken von Herzerkrankungen, aber auch starke Stimmungsschwankungen. Peters’ Fazit: „Abzunehmen bringt keinen gesundheitlichen Vorteil.“ Ständige Diäten erhöhen seiner Untersuchung nach das Risiko, krank oder depressiv zu werden.
Soja ist gesünder als Fleisch
Nur wenn man es nicht überdosiert. Soja liefert viel wertvolles Eiweiß und dient Vegetariern daher als idealer Fleischersatz. Und Soja hat durchaus auch positive Gesund-Effekte: Es kann verdauungsfördernd und blutfettsenkend wirken. Doch ganz unbedenklich ist der Verzehr von Soja nicht: Es enthält sekundäre Pflanzenstoffe, sogenannte Isoflavone, die bei Überdosis Störungen der Bauchspeicheldrüse und sogar eine krebsfördernde Wirkung zeigten. Die Food and Drug Administration der USA (FDA) wertete mehr als 50 unabhängige Studien aus und empfiehlt nicht mehr als 25 Gramm Sojaprotein pro Tag – das entspricht ungefähr 300 Gramm Tofu oder 800 Milliliter Sojamilch. Bei einer rein vegetarischen der veganen Ernährung, kann die Menge jedoch leicht überschritten werden.
Übergewichtige sterben früher
Überraschenderweise ist das nicht so: Eine Forschungsgruppe des Center for Disease Control and Prevention in Atlanta kam in einer Metaanalyse von 97 Studien mit rund 2,88 Millionen Probanden aus Amerika, Europa und Asien zu dem Ergebnis, dass Übergewichtige und Menschen mit leichtem Hang zu Fettleibigkeit länger leben als Normalgewichtige. Das Sterberisiko bei Übergewichtigen liegt dabei sechs Prozent unter dem der Normalgewichtigen – bei Fettleibigen sind es immerhin noch fünf Prozent. Der Grund: Etwas dickere Menschen haben größere Energiereserven, wovon sie bei vielen Krankheiten profitieren. Außerdem lassen sich beleibtere Menschen häufiger ärztlich untersuchen. Der Mediziner Achim Peters von der Universität Lübeck kam mit einer klinischen Forschergruppe sogar zu dem Ergebnis, dass ein paar Kilo zu viel vor Stress schützen. Einige Kilos mehr sind nach Peters eine Schutzreaktion des Körpers vor psychosozialem Stress – bei allen Dicken. Das leichte Übergewicht schützt den Körper vor stressbedingten Krankheiten wie Arteriosklerose, Schlaganfällen, Depressionen, Muskelschwund und Osteoporose.
Übergewichtige sterben früher
Einige Kilos mehr sind nach Peters eine Schutzreaktion des Körpers vor psychosozialem Stress – bei allen Dicken. Das leichte Übergewicht schützt den Körper vor stressbedingten Krankheiten wie Arteriosklerose, Schlaganfällen, Depressionen, Muskelschwund und Osteoporose. Auch die Gesundheitswissenschaftlerin Ingrid Mühlhauser von der Universität Hamburg hat in ihren Studien belegt, dass Übergewichtige tatsächlich länger leben. „Die höchste Lebenserwartung liegt bei einem BMI von 27“, sagt die Wissenschaftlerin.
Übergewichtige sterben früher
Allerdings gilt auch: Ob sich ein paar Kilo zu viel positiv oder negativ auf den Körper auswirken, hängt auch von dem Körperteil ab, an dem es sich festsetzt: Während Po- und Beinfett meist unbedenklich ist, kann Bauchfett gefährlich werden. Es hemmt die Produktion des Hormons, das Insulin reguliert (Adiponektins). Ist diese Konzentration in den Fettzellen zu gering, steigt die Gefahr, Diabetes zu entwickeln, wie Forscher herausgefunden haben. Zudem weist der Leiter des US-Zentrums für Gesundheitsschutz und Prävention (CDC), Thomas Frieden, darauf hin, dass extrem fettleibige Menschen mit einem Body-Mass-Index (BMI) über 35 früher sterben als Normalgewichtige (BMI: 20–25). Ihr Sterberisiko liegt um 29 Prozent höher als bei Normalgewichtigen.
Fruchtzucker ist gesünder als Zucker
Ganz spontan würde man sagen: Ja, wo Frucht draufsteht, ist auch etwas Gesundes drin. Und Fruchtzucker ist dann ja wohl die Süße aus Früchten. Und die hat einen einzigartigen Siegeszug durch die Lebensmittelindustrie hinter sich: Vor exakt 30 Jahren veränderte Coca-Cola seine Rezeptur. Seitdem verwendet der drittgrößte Lebensmittelkonzern der Welt für seine Limonaden statt herkömmlichem Zucker nur noch Glucose-Fructose-Sirup. Gewonnen wird dieser aus Mais. Der Glucose-Fructose-Sirup enthält zwischen 60 und 90 Prozent Fructose – und je höher der Fructoseanteil ist, desto süßer ist auch der Sirup, der inzwischen zahlreichen Fertigprodukten und Getränken beigefügt wird. Denn: Der Sirup kostet ein Drittel weniger als Zucker und ist wegen seiner Süße ein idealer Geschmacksträger.
Fruchtzucker ist gesünder als Zucker
So wurde die Entscheidung des Marktführers Coca-Cola zum Signal für seine Mitbewerber: Sie tauschten Zucker gegen den Sirup ein. Die Konzerne propagieren bis heute, dass Fructose gesünder sei als Zucker: Schließlich kommt Fructose in seiner natürlichen Form in Obst und Honig vor. Fakt ist aber: Die industriell hergestellte Fructose ist so konzentriert, dass schon ein Glas eines Süßgetränks 40 Gramm Fructose enthält. Die empfohlene Maximalmenge pro Mahlzeit liegt bei gerade mal 25 Gramm. Rechnet man den Fructoseanteil der restlichen Nahrungsmittel am Tag hinzu, übersteigt es mit hoher Wahrscheinlichkeit die empfohlene Tagesdosis von 80 Gramm. Dabei kann ein übermäßiger Fructosekonsum die Funktion des Sättigungsgefühls stören. „Studien haben gezeigt, inwieweit überdurchschnittlicher Fruchtzuckerkonsum in Verbindung mit zunehmender Fettleibigkeit steht“, erklärt Alexandra Shapiro, Leiterin der Studie an der University of Florida.
Fruchtzucker ist gesünder als Zucker
Doch die Kalorien sind das geringste Problem bei der Fructose. Laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung weisen Forschungsergebnisse darauf hin, dass es einen engen Zusammenhang zwischen dem gesteigerten Konsum von Fructose und dem Auftreten von Übergewicht, Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck, erhöhten Harnsäurewerten und einer diabetischen Stoffwechsellage gibt. „Die daraus resultierenden Folgeerkrankungen heißen Diabetes, Schlaganfall oder Herzinfarkt“, erklärt Dr. Birgit Hildebrandt, medizinische Leiterin des HELIOS Prevention Centers (HPC): „Dass (künstlicher) Fruchtzucker gesünder ist als Haushaltszucker, ist daher ein Mythos.“
Margarine ist gesünder als Butter
Der Mythos, Margarine wäre gesünder, weil sie pflanzlich ist, hält sich seit über 100 Jahren. Doch die Faustformel: Butter ist schlecht für die Blutfette, Margarine nicht – stimmt einfach nicht. Das Problem: Margarine enthält Phytosterin, eine chemische Verbindung, die dem Cholesterin so stark ähnelt, dass sie Arteriosklerose – also die Verkalkung von Arterien – auslösen kann. Das Deutsche Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt hat in einer Studie festgestellt, dass ein zu hoher Phytosterinspiegel im Blut das Herz-Kreislauf-Risiko erhöht: Die Phytosterine lagern sich in den Blutbahnen ab und können zu Herzschäden führen. Auch bei der Herstellung von Margarine bilden sich gesundheitsschädigende Stoffe.
Margarine ist gesünder als Butter
Der amerikanische Mediziner Dr. Andrew Weil weist darauf hin, dass durch den Härtungsprozess industrielle Fettsäuren entstehen. „Bis Ende dieses Jahrzehnts wird die medizinische Forschung auf erhebliche Gefahren beim Verzehr von Margarine stoßen“, lautet Weils Prognose. Und auch das Bundesinstitut für Risikobewertung rät von Lebensmitteln ab, die mit Pflanzensterinen – Naturstoffen, die in der Margarine vorkommen – angereichert sind. Butter ist dagegen ein organisches Naturprodukt, solange die dafür verwendete Milch nicht von hormonbehandelten Kühen stammt. Sie gehört zu den am wenigsten bearbeiteten Grundnahrungsmitteln. Und auch ihr Fettgehalt ist mit 80 Gramm pro 100 Gramm nicht höher als der von Margarine.
Kino-Snacks machen dick
Klar, würde jetzt jeder sagen: Was in Kinos verkauft wird, ist zwar lecker, aber nun wirklich das Gegenteil von gesund. Doch der Dickmach-Effekt kommt gar nicht vom Essen selbst! Die ständig größer werdenden Popcorn- und Cola-Portionen sind nur die Reaktion der Kinobetreiber auf veränderte Bedürfnisse: Denn vor allem die Dramaturgie des Films beeinflusst unser Essverhalten. Die „permanenten Ausnahmezustände“ wie schnelle Schritte, Spezialeffekte, Brutalität und die neue 3-D-Technologie sorgen für eine Überreizung unseres Gehirns. „Die Botschaft der Bilder erreicht das Angst-, Flucht- und Reflexzentrum des Gehirns“, sagt der Mediziner Achim Peters: „Die Informationsverarbeitung im Gehirn läuft auf Höchstgeschwindigkeit – und das löst einen gesteigerten Energiebedarf aus.“ So greift der Zuschauer zu dem Nahrungsmittel, was ihm zur Verfügung steht. Und das ist im Kino in der Regel kein Salat …
Werbung macht nicht dick
Von wegen! Neue Studien beweisen: Werbung für Nahrungsmittel verändert das Essverhalten der Zuschauer direkt beim Fernsehen. Der Drang zum Essen kann durch klassische Konditionierung beim Zuschauer manipuliert werden. Den Beweis erbrachten jetzt britische Wissenschaftler. Eine Gruppe Kinder schaute sich Werbung für Nahrungsmittel an, die andere nicht. Beide hatten vor sich Snacks liegen. Das Ergebnis: Die der Nahrungsmittelwerbung ausgesetzte Gruppe nahm während des Experiments 45 Prozent mehr zu sich als die Kontrollgruppe. Die Forscher belegen damit, dass Nahrungsmittelwerbung das Essverhalten beim Fernsehen beeinflusst: Diese Werbespots senden Signale an das Gehirn und programmieren den Gehirnstoffwechsel von (jungen) Zuschauern.