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Verschlungene Wege: Warum faszinieren uns Labyrinthe?

Foto: Envato / leungchopan

Verschlungene Wege: Warum faszinieren uns Labyrinthe?

Labyrinthe haben schon immer eine seltsame Faszination auf die Menschen ausgeübt. In mittelalterlichen Kirchen sind sie sogar in den Boden eingemeißelt. Den Irrgärten wurde eine magische Funktion zugeschrieben – aber warum?

Ist es die Angst, sich zu verlaufen? Oder die Lust, neue Wege zu entdecken? Labyrinthe ziehen die Menschen seit Jahrtausenden in ihren Bann. Schon in der Antike waren die Menschen von den verschlungenen Wegen fasziniert: Das Labyrinth, das der kretische König Minos der Sage nach als Gefängnis für den Minotauros, ein menschenfressendes Ungeheuer, errichten ließ, gilt bis heute als das berühmteste Labyrinth der Welt. Das Ungeheuer soll den Körper eines Menschen und den Kopf eines Stieres gehabt haben. Das Bauwerk wurde nie gefunden – ob es jemals existiert hat, muss Spekulation bleiben.

Schutz vor bösen Geistern

Auch im Mittelalter hatten die Menschen eine besondere Vorliebe für Labyrinthe – davon zeugt zum Beispiel Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose“. Damals legten die Baumeister in den Fußböden der gotischen Kathedralen entsprechende Muster aus Steinplatten ein, die begangen werden konnten.

Das berühmteste Beispiel ist das Labyrinth in der Kathedrale von Chartres, das im Jahr 1200 fertiggestellt wurde. Dort wie andernorts zelebrierten die Geistlichen zu Ostern ein eigentümliches Ritual: Im Dreivierteltakt tanzte der ranghöchste Kleriker durch das Labyrinth und warf den Mönchen oder Priestern, die sich um den äußersten Kreis bewegten, eine goldene Kugel zu.

Dieser Ostertanz sollte die Auferstehung Christi und die Neuschöpfung der Welt symbolisieren. Labyrinthe finden sich auch an den Wänden mittelalterlicher Kirchen. Diese kleineren Ausführungen konnte man mit dem Finger abfahren, weshalb sie als „Fingerlabyrinthe“ bezeichnet werden.

Labyrinthen wurde auch häufig eine magische Schutzfunktion zugesprochen. Geister, Dämonen und der Teufel sollten sich in ihnen verirren. Fußbodenmosaike an den Eingängen römischer Villen und Boden- oder Fingerlabyrinthe in christlichen Kirchen dienten als Bollwerke gegen das Eindringen des Bösen.

Lustwandeln in verschlungenen Gärten

Erst im 16. Jahrhundert, also in der Zeit der späten Renaissance, tauchte eine ganz neue Labyrinth-Form auf: der Irrgarten. Während sich beim alten klassischen Muster ein einziger fortlaufender Weg hin und her wand, um schließlich das Ziel im Zentrum zu erreichen, gab es nun Abzweigungen und Sackgassen. Man konnte sich jetzt tatsächlich verirren – oder aber sich spielerisch verstecken. Verborgene Plätze zwischen den Hecken boten zum Beispiel den Adligen im Hof beste Gelegenheiten für heimliche Treffen und amouröse Abenteuer.

Die ersten solcher begehbaren Irrgärten entstanden in Norditalien. Innerhalb weniger Jahre verbreitete sich die Idee des Garten-Labyrinths über fast ganz Europa. Für die Fürsten der Barockzeit war es selbstverständlich, ihre prächtigen Schlossparks mit komplizierten Wege-Systemen, begrenzt durch akkurat zugeschnittene, übermannshohe Hecken, zu schmücken. Diese Irrgärten dienten der vergnügungssüchtigen höfischen Gesellschaft, um sich zu zerstreuen und zu amüsieren.

Einladung zur Meditation

Heutzutage werden Labyrinthe gerne als Mittel zur Meditation genutzt. Ein gutes Beispiel ist der „Meditationsgarten“ im Kloster Benediktbeuern in Oberbayern. Sein Grundriss orientiert sich am berühmten Bodenlabyrinth der Kathedrale von Chartres. Ohne Kreuzungen und Sackgassen werden die Besucher auf einem 160 Meter langen Natursteinweg an vier Beetkreisen entlanggeleitet, bis sie schließlich in die Mitte zu einem Brunnen gelangen. Der Garten soll zu einer intensiven sinnlichen Wahrnehmung der Pflanzen und zur Besinnung anregen.

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