- Welt der Wunder Redaktion
Der Wald des Goldes – Frauenstein, Oberpfälzer Wald (Bayern)
Es gibt keinen deutschen Wald ohne Sagen, kein deutsches Gebirge ohne Legenden. Das Unheimliche: Die meisten Mythen beruhen auf wahren Ereignissen. Das trifft vor allem auf den Oberpfälzer Wald zu, der den Osten Bayerns und Teile des angrenzenden Tschechien bedeckt. Weil hier immer wieder wertvolle Rohstoffe gefunden werden, entstehen im Mittelalter viele Burgen und andere Befestigungen. Minen und Hütten säumen die Flussufer. Der wertvollste Fund aber bringt auch Neid, Missgunst und Gier in den Oberpfälzer Wald: Gold. Die Geschichten erzählen von gnadenlosen Banditen, die sich an ahnungslose Goldschürfer anschleichen, von entführten Frauen und von versteckten Schätzen. Einer dieser Schätze soll unter der Ruine der Burg Frauenstein liegen – auf dem Gipfel des 835 Meter hohen gleichnamigen Bergs. Die Ruine erreicht man über den mystischen Frauensteinweg vom benachbarten Weiding aus. Der Wald ist hier sehr dicht, die dicken Moospolster dämpfen die Geräusche – es herrscht Grabesstille. Wenn dann noch die Sonne durch die Baumkronen dringt und golden glüht, scheint der Schatz ganz nah.
Heimat der Moorlichter – Domslandmoor, Windeby (Schleswig-Holstein)
Eine Ehebrecherin und ihr Liebhaber, die im Moor hingerichtet wurden – eine These, die sich nach dem Fund des vermeintlichen Pärchens 1952 nur fünf Meter voneinander entfernt rasend schnell verbreitet. Schließlich hat der Mann einen Strick um den Hals, die Frau trägt eine Augenbinde und geschorene Haare, eine übliche Strafe für außereheliche Affären. Erst in den 1990er-Jahren können Forscher zweifelsfrei nachweisen, dass sich das Paar zu Lebzeiten niemals hätte begegnen können: Der Mann ist 300 Jahre jünger als die Frau, die sich zudem als ebenfalls männlichen Geschlechts entpuppte. Immer wieder stoßen Torfstecher bei ihrer Arbeit auf menschliche Überreste, die in der sauerstofffreien und sauren Atmosphäre der Sümpfe wie in diesem Fall fast 2000 Jahre überdauern konnten.
Der Junge von Windeby
Etwa 15 bis 17 Jahre alt und 1,65 Meter groß war dieser Junge bei seinem Tod. Seine Todesursache ist nicht geklärt, er litt aber unter einer schweren Entzündung des Kiefers. Die vermeintliche Augenbinde ist wohl nur ein verrutschtes Haarband. Die Moorleiche ist heute im Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum Schloss Gottorf ausgestellt.
Deutsche Todeszone – Hürtgenwald, Düren (Nordrhein-Westfalen)
„Der Hürtgenwald ist eine Gegend, in der man schwer am Leben bleibt“, sagt Ernest Hemingway, der ihn als Kriegsberichterstatter 1944 besucht. Fünf Monate brauchen die US-Amerikaner, um das von den Deutschen verteidigte, unwegsame Waldstück einzunehmen, auf beiden Seiten sterben dabei jeweils 12.000 Mann – eine der verlustreichsten Schlachten des Zweiten Weltkriegs. Bis heute durchziehen Panzersperren den Wald. Sie lassen Besucher frösteln. Denn abseits der Wege besteht Lebensgefahr, weil die von den Deutschen versteckten Glasminen sich nicht orten lassen – und immer noch dort liegen.
Das Letze Schlupfloch der Heiden – Kap Arkona, Insel Rügen (Mecklenburg-Vorpommern)
Christliche Heere erobern jeden Winkel Germaniens im Mittelalter. Nur im äußersten Norden können sich slawische Heiden noch verteidigen: Die Insel Rügen wird zu ihrer letzten Festung – und zum Schauplatz grausamer Kulte. Das Volk der Ranen bringt dem vierköpfigen Kriegsgott Svantovit auf der Jaromarsburg auch Menschenopfer dar, meist sind es christliche Gefangene, die auf dem Opferstein den Tod finden. Doch alle Opfer nützen nichts: Im Jahr 1168 erobern die Dänen die Insel und schleifen die Burg. Heute steht in Kap Arkona aber wie damals eine überlebensgroße Nachbildung des blutrünstigen Kriegsgotts aus Holz – und die jagt jeden Besucher Schauer über den Rücken.
Gespenstische Riesen – Gespensterwald, Nienhagen (Mecklenburg-Vorpommern)
Direkt an der Steilküste steht eine Sammlung bis zu 170 Jahre alter Eichen, Buchen, Hainbuchen und Eschen. Die riesigen Exemplare sind schlangenhaft verdreht und teilweise zu zwei Dritteln kahl – gerade im Halbdunkel ein gespenstischer Anblick. Schuld daran ist der salzige Seewind, der die Bäume wie Skulpturen geformt hat. Und die Ostsee, die dem Wald Stück für Stück Boden und Nährstoffe unter den Wurzeln entreißt: Die abbröckelnde Steilküste lässt die Wurzeln immer weiter ins Leere greifen, bis wieder eine Skulptur in die Fluten sinkt. Ein Wald, der dem Untergang geweiht ist.
Zum Sterben schön – Rotenfels, Ebernburg (Rheinland-Pfalz)
Das Abendlicht verleiht dem hoch über der Ebene thronenden Rotenfels ein mystisches Antlitz: Das rote Porphyrgestein der 260 Millionen Jahre alten Felsen strahlt dann noch stärker. Mit 202 Metern Höhe gilt die 1200 Meter lange Steilwand als die höchste ihrer Art zwischen den Alpen und Skandinavien. Vielleicht ist es ihre Schönheit, die Menschen zu allen Zeiten in den Bann zog: Immer wieder stürzt jemand dort hinab, manchmal unfreiwillig bei einem Kletterunfall an dem porösen Gestein, teils mit Absicht.
Der Kraftort der Nazis – Externsteine, Horn-Bad Meinberg (Nordrhein-Westfalen)
Unaufhörliches Trommeln schallt von den Felswänden, Feuerschein und Stimmengewirr durchdringen die Nacht. „Wir feiern Beltane, den Sommeranfang der Kelten“, erklärt der Neuheide Thomas Kroh an diesem 1. Mai, „die Externsteine sind ein Kraftort und ein Platz der Wandlung und Heilung.“ Bis zu 40 Meter ragen die 13 Felsen in den dunklen Himmel des Teutoburger Waldes. Hunderte Menschen singen, rasseln, klatschen. Sie alle eint der Glaube an eine uralte Bedeutung dieser steinernen Türme. Besonders das sogenannte Sacellum oben auf einer der Säulen gilt als kultisches Heiligtum. Dabei handelt es sich angeblich um eine Art antikes Observatorium, in dem die Vorfahren der Deutschen damals die Zeitpunkte von Mondphasen und Sonnenwenden bestimmt hätten. Die Nazis erklärten die Externsteine zu „einem germanischen Heiligtum“ und vereidigten hier unter anderem die Rekruten der SS, bis heute kommen auch Neonazis deswegen hierher. Doch obwohl Generationen von Archäologen den Boden um die markanten Felssäulen durchwühlen, finden sie keine Beweise für eine Kultstätte. Der Legende von den Externsteinen kann dies jedoch nichts anhaben.
Himmlers Heiligtum – Wewelsburg, Büren (Nordrhein-Westfalen)
Gut 1000 Jahre lang ist sie eine Burg wie viele andere auch. Nur ihr ungewöhnlicher Grundriss fällt auf: ein Dreieck. „Wie ein Pfeil, der in das Herz Russlands zielt!“, denkt Heinrich Himmler, als er die Burg der Stadt Büren 1933 besucht. Schon 1934 lässt der Reichsführer SS sie anmieten. Aus dieser Burg will er das oberste Heiligtum seiner Totenkopf-Krieger machen. Hier soll sich die braune Elite versammeln. Hier weiht Himmler seine Offiziere in die Pläne für den Russland-Feldzug ein. Im Auftrag der SS erdichten Historiker eine Saga der Wewelsburg: Angeblich sei sie schon im Mittelalter das wichtigste Bollwerk gegen die Slawen aus dem Osten gewesen. Himmler lässt monströse Pläne für die Burg entwickeln. Im Inneren wird jeder Winkel mit Nazi-Insignien verziert. Rundherum soll eine ganze SS-Stadt entstehen. Für die Arbeiten wird ab 1939 ein eigenes KZ aufgebaut. Hier leiden 3900 Gefangene, 1285 sterben im Schatten der Wewelsburg. Doch während des Kriegs kommen die Arbeiten kaum voran. Als die Alliierten die Nazis zurückdrängen, lässt Himmler große Teile der Burg sprengen, die Anlage wird nach dem Krieg aber wieder vollständig aufgebaut. Heute existiert zwar dort kaum noch eine Spur des SS-Wahnsinns, aber die Wewelsburg bleibt in der Erinnerung ein gespenstischer Ort deutscher Geschichte.
Ruheplatz für den Heiligen Gral
Heinrich Himmler wollte in der Wewelsburg heilige Relikte ausstellen. Dafür durchkämmten seine SS-Leute Europa nach der Heiligen Lanze und dem Heiligen Gral. Hier in der Gruft sollten sie gelagert werden.
Das Ungeheuer von Schrecksee – Schrecksee, Allgäuer Alpen (Bayern)
Der 430 Meter lange und 300 Meter breite Schrecksee liegt auf 1.813 Metern Höhe in einem Hochtal im Allgäu. Die Insel entstand aus einer Halbinsel, als der See zur Energiegewinnung um acht Meter aufgestaut wurde. Zugegeben: Wenn man am Ufer des Schrecksees steht und auf das türkisblaue Wasser blickt, wirkt es nicht sonderlich unheimlich. Wäre da nicht die Legende vom Ungeheuer, das in den Tiefen schlummern soll und schon so manchen Wanderer vom Schwimmen abgehalten hat. Einst wollte ein neugieriger Bootsmann mit einem Stein an einer Schnur die Tiefe des Sees erkunden. Ein schreckliches Ungeheuer erhob sich und vertrieb ihn: „Ergründest du mich, so fress ich dich!“ Trotzdem kennt man heute die Tiefe des Sees: rund 28 Meter.
Der erste Massenmord der Menschheit – Ofnethöhlen, Nördlingen (Bayern)
Niemand weiß, was vor gut 10.000 Jahren in den Ofnethöhlen geschah, doch es müssen grausame Rituale gewesen sein. 1908 werden zwei sogenannte Schädelnester gefunden: zehn Frauen-, 19 Kinder- und vier Männerschädel. Das Erschreckende: Hier liegen auch Unterkiefer und Halswirbel. Das lässt nur einen Schluss zu: Man hatte die Köpfe frisch von den Leichen getrennt und komplett mit Haut und Haaren in die Höhle gelegt. Die heute noch zu besichtigenden Höhlen sind nur ein Teil eines riesigen – längst zusammengebrochenen – Höhlensystems.
Die verbotene Insel der schwarzen Magie – Pfaueninsel, Berlin (Berlin)
Gottlose Experimente, schwarze Magie, unheilige Hexerei: Am Ende des 17. Jahrhunderts gilt die Pfaueninsel bei Potsdam als Hort des Bösen. Betreten strengstens verboten! Dunkle Rauchschwaden und stechende Gerüche wehen von dort zum Festlandufer der Havel. Auf der Insel hat sich der Alchemist Johannes Kunckel ein Labor eingerichtet, um mit Glas zu experimentieren – sein Kurfürst ist von dem Material fasziniert. Im Jahr 1689 brennen Glashütte und Labor ab. Heute ist die Insel Weltkulturerbe – und ein Besuchermagnet Berlins.
Unendliche Tiefen – Frau-Holle-Teich; Werra-Meißner-Kreis (Hessen)
Das Märchen der Brüder Grimm kennt man: Ein Mädchen fällt in den Brunnen und landet im Reich von Frau Holle. Ist das Mädchen fleißig und gewissenhaft, wird es belohnt – wenn nicht, wird es mit Pech überzogen. Der Sage nach ist der Durchgang zu Frau Holles Reich eben jener Stillsee auf dem Hohen Meißner. Deswegen soll der Frau-Holle-Teich auch unendlich tief sein – was angesichts der gemessenen 2,60 Meter eine Übertreibung ist. Unheimlicher ist der mittelalterliche Name: Hollenteich. Zu der Zeit gingen die Menschen davon aus, dass hier das Totenreich beginnt.
Fluss der Nibelungen – Altrhein (Baden-Württemberg/Rheinland-Pfalz)
Die Geschichte der „Nibelungen“ ist die bekannteste deutsche Sage. Helden, Zwerge und Drachen kommen darin vor. Und ein kostbarer Schatz, der noch immer nicht gefunden ist. Dieser Schatz könnte historisch tatsächlich existiert haben. Sicher ist, dass die Germanen Raubzüge im Römischen Reich unternehmen. Auf dem Rückweg müssen sie den Rhein überqueren. Dabei werden sie oft von römischen Kriegsschiffen abgefangen. 1967 wird in einem Altrheinarm tatsächlich ein Schatz gefunden, 1062 Metallgegenstände, kiloweise Silber – der größte Germanenschatz aller Zeiten.
Die letzten 3000 Deutschen – Ahrweiler (Rheinland-Pfalz)
Bis zu 110 Meter tief erstreckt sich das letzte Refugium der Deutschen – oder zumindest für eine kleine Auswahl der Bundesbürger. 25 Kilometer südlich von Bonn, bei Ahrweiler, liegt der Regierungsbunker versteckt, die Zuflucht für die deutsche Regierung beim Fall eines Atomangriffs auf die Bundesrepublik. Der Bunker wird von 1960 bis 1972 gebaut – und ist das bestgehütete Gebäude Deutschlands im Kalten Krieg. Die Anlage ist mehr als 17 Kilometer lang und bietet Platz für 3.000 Menschen. Der Regierungsbunker soll nicht nur einem Atomschlag standhalten, sondern seine Insassen mindestens 30 Tage lang mit Strom, Frischluft und Trinkwasser versorgen. Es gibt 897 Büro- und 936 Schlafräume, dazu Küchen, Krankenzimmer und sogar Räume für einen Friseur und einen Zahnarzt. Diese Räume werden insgesamt durch 15.000 Türen verbunden. Im Notfall kann der Bunker in Sekunden hermetisch verschlossen werden. Nach dem Ende des Kalten Krieges beschließt die Regierung 1997, den Bunker zurückzubauen – und das Geheimnis darum zu lüften. 2006 ist der Rückbau abgeschlossen – ein kleiner Teil der Anlage kann heute besichtigt werden.
Die Atombombe aus dem Erzgebirge – Bad Schlema, Erzgebirge (Sachsen)
Wo heute ein Kurbad steht, sterben noch vor 27 Jahren 2000 Meter unter der Erde Arbeiter der damaligen DDR. Sie bauen Uran ab – für die Atombomben der Sowjetunion. Bis 1990 fördert die deutschsowjetische Bergbaugesellschaft „Wismut“ rund 80.000 Tonnen des begehrten Materials. Dabei sterben rund 20.000 Arbeiter an den giftigen und krebserregenden Partikeln. Teile des Bergwerks können heute besucht werden.
Deutschlands letzte Henker – Zentrale Hinrichtungsstätte der DDR, Leipzig (Sachsen)
Nur über einen getarnten Nebentrakt ist das unscheinbare Gebäude in der Arndtstraße 48 zu erreichen. Seine Existenz verschweigt die SED-Führung den Bewohnern der Leipziger Südvorstadt ebenso wie das, was darin vor sich geht: Mindestens 64 Menschen werden bis 1981 in der zentralen Hinrichtungsstätte der DDR per Fallbeil oder Genickschuss hingerichtet. Selbst die Insassen der angrenzenden Strafanstalten ahnen nicht, was nebenan vor sich geht. Interessierte können die historischen Räume besichtigen.
Eine Kirche auf Knochen – Michaelskapelle, Oppenheim (Rheinland-Pfalz)
Ein Bild wie aus einer albtraumhaften Vision: Über zwei Meter hoch türmen sich in der Michaelskapelle die Schädel und Knochen von 3000 Toten, deren Namen schon lange vergessen sind. Im Mittelalter werden in dem 50 Quadratmeter großen Raum die gesäuberten Überreste von mehr als 20.000 Menschen gesammelt, und noch heute ist die Kapelle das größte Beinhaus Deutschlands. Doch warum entsteht ein solcher Ort überhaupt? Im 11. Und 12. Jahrhundert erleben die Länder Europas eine regelrechte Bevölkerungsexplosion, und die Friedhöfe der Kirchen füllen sich schneller als jemals zuvor. Um die Toten beerdigen zu können, müssen alte Gräber ausgehoben und umgelagert werden – Abertausende Gebeine werden gesäubert in Kapellen gestapelt. Bis heute starren ihre leeren Augenhöhlen auf jeden herab, der ihre Gruft betritt.
Hitlers Kaderschmiede – Ordensburg Vogelsang, Schleiden (Nordrhein-Westfalen)
Schwarze Uniformen, Lederstiefel, strenge Blicke: Als Adolf Hitler 1937 die Rekruten der Ordensburg beim Appell begutachtet, nennt er sie stolz die „Fackelträger der Nation“. In Vogelsang soll der Führungskader seines „Tausendjährigen Reiches“ entstehen, doch nur wenige Jahre später gehen diese Wahnvorstellungen in den Flammen des Krieges unter. Die Burg diente den Siegermächten als Truppenübungsplatz – noch immer finden sich überall auf dem Gelände die Spuren seiner Vergangenheit.
Von der Natur verschlungen – Burg Lauenburg, Stecklenberg (Sachsen-Anhalt)
„Seht ihr die alte Lauenburg, hoch auf dem Harze schimmern? Durch Wildnis geht der Weg hindurch, zu ihren wüsten Trümmern.“ So dichtet ein unbekannter Sänger über die größte Burganlage im Harz, die in 350 Metern Höhe auf einem Bergrücken thront. Die vor rund 850 Jahren zum Schutz der Kaiserpfalz Quedlinburg errichtete Höhenburg soll einst sogar den sagenumwobenen König Artus beherbergt haben. Nach ihrer Zerstörung verfällt sie jedoch in Bedeutungslosigkeit und wird inzwischen von der Vegetation verschlungen. Vom Aussichtsturm der Ruine kann man bis nach Magdeburg blicken.
Das „Gelbe Elend“ – Sonderhaftanstalt Bautzen II, Bautzen (Sachsen)
Mitten in einem Wohnviertel liegt das Gebäude mit der berüchtigten gelben Verklinkerung. Das einstige königlich sächsische Gerichtsgefängnis wird sowohl von den Nazis als auch von den Sowjets für Verhöre genutzt, ehe ab 1956 die Stasi das Kommando übernimmt. Vor allem Spione und Regimekritiker werden hier inhaftiert und müssen Folter, Isolationshaft und die Willkür der Wärter über sich ergehen lassen. Ab 1964 zahlt die Bundesregierung hohe Summen an die DDR, um viele dieser Gefangenen aus dem Gefängnis zu holen. 1993 wird Bautzen II zur Gedenkstätte umgewandelt.
Verminte Idylle – Halbinsel Wustrow, Ostsee (Mecklenburg-Vorpommern)
Aus der Luft betrachtet sieht sie aus wie ein Naturparadies, doch Schilder warnen davor, die Ostseehalbinsel zu betreten. Der Grund: Hinter hohen Zäunen liegt eine minenverseuchte Geisterstadt. In den 1930er-Jahren lässt Hitler hier die größte Flakartillerieschule des Deutschen Reiches bauen und sich neueste Technik für den Luftkrieg vorführen. Nach dem Krieg macht die Rote Armee Wustrow zum Spionagevorposten, um feindlichen Funkverkehr abzuhören. Trotz einsturzgefährdeter Ruinen und militärischer Altlasten, die auf dem Gelände herumliegen, zieht die Insel bis heute Abenteurer an.
Heldentod – Bendlerblock Berlin-Tiergarten, Tiergarten (Berlin)
Zwischen Hochgefühl und Resignation liegen gerade mal gut sechs Stunden: Als Claus Schenk Graf von Stauffenberg am 20. Juli 1944 gegen 16.30 Uhr im Bendlerblock eintrifft, ist er überzeugt, dass sein Attentat erfolgreich war und Adolf Hitler tot ist. Vom Sitz des Allgemeinen Heeresamtes versucht der Oberst, mit seinen Mitverschwörern die Regierungsgewalt zu übernehmen – vergeblich: Gegen 22.50 Uhr stürmen Wehrmachts-Offiziere den Bendlerblock, Stauffenberg & Co. werden im Innenhof erschossen. Heute ist der Gebäudekomplex eine Gedenkstätte für den deutschen Widerstand.
Der größte Grabstein Deutschlands – U-Boot-Bunker Valentin, Rekum an der Weser (Bremen)
Sonnenstrahlen bahnen sich ihren Weg durch die Löcher in der Decke und tauchen die Trümmerlandschaft aus herabgestürzten Betonteilen in ein gespenstisches Dämmerlicht. Kaum vorstellbar, dass die verwitterte Werkshalle bei Bremen, die sich wie ein grauer Riese über die Heidelandschaft erhebt, einst als unzerstörbar galt. Mit einer Fläche von fünf Fußballfeldern und 1,2 Millionen Tonnen verbautem Stahl und Beton ist „Valentin“ der zweitgrößte Bunker Europas und Teil von Hitlers Geheimprojekt, um die Kriegswende doch noch herbeizuführen. Alle 56 Stunden soll hier ein neues U-Boot der modernsten Serie XXI gefertigt werden. 1943 beginnt man mit der Errichtung des Bunkers, bis zu 10.000 Zwangsarbeiter arbeiten gleichzeitig in Zwölf-Stunden-Schichten auf der größten Baustelle Europas – bis zu 6.000 lassen dabei ihr Leben – und das völlig vergebens: Denn letztlich verlässt nie ein U-Boot den Bunker. Am 27. März 1945, kurz vor der Fertigstellung, wirft die Royal Air Force 155 Bomben über der Anlage ab und reißt Hitler aus allen Siegesträumen. Seit Ende 2015 können Teile des Bunkers besichtigt werden. Noch bis in die Nachkriegszeit wurde die Werkshalle „Valentin“ als „Achtes Weltwunder am Weserstrand“ gefeiert – dabei kostete die Errichtung des größten freistehenden Bunkers in Deutschland Tausende Menschen das Leben.
Wohin Hitler und Honecker flüchteten – Beelitz-Heilstätten; Potsdam (Brandenburg)
Der morbide Charme und die bewegte Geschichte der verfallenen Heilanstalt südlich von Berlin ziehen Abenteuerlustige bis heute in den Bann: 1916 kuriert der Gefreite Adolf Hitler hier seine Kriegsverletzung aus. 74 Jahre später findet der gestürzte DDR-Staatschef Erich Honecker in dem von der Roten Armee besetzten Gebäudekomplex Zuflucht, ehe er außer Landes geflogen wird. Wegen der Unfallgefahr ist das Betreten mittlerweile untersagt.
Geisterfahrer – vergessene Autobahn der Nazis, Bad Brückenau (Bayern)
Wie ein rätselhaftes Mahnmal ragt der Brückenpfeiler aus dem grünen Untergrund. Er ist eines von 47 Relikten der vergessenen Reichsautobahn bei Bad Brückenau, die wegen ihrer unsinnigen Streckenführung nach dem Krieg verworfen wurde und damit beispielhaft für den Größenwahn der Nazis steht. Auf einer Länge von 32 Kilometern wird hier Mitte der 30er-Jahre die „Strecke 46“ aus dem Boden gestampft. Sie soll Teil der Nord-Süd-Verbindung von Hamburg bis zum Bodensee werden. (Symbolbild)
Wo einst die Riesen residierten – Burgruine Neideck, Wiesenttal (Bayern)
Die wildromantische Ruine Neideck ist ein Wahrzeichen der fränkischen Schweiz und zählt zu den größten Burganlagen Deutschlands. Um das Gemäuer ranken sich diverse Legenden – nicht nur, dass hier einst Riesen gehaust haben sollen, angeblich lastet auch ein jahrhundertealter Fluch auf der Burg. Geheimnisvoll erhebt sich die rund 1.000 Jahre alte Burgruine über dem Wiesenttal in der Fränkischen Schweiz. Das unwirkliche Licht lässt sie aussehen wie das Tor in eine andere Welt. Passend dazu sollen der Sage nach einst Riesen über Neideck und die auf der anderen Seite des Wiesenttales gelegene Burg Streitberg geherrscht haben, ehe die Menschen sie mithilfe der Berggeister vertreiben konnten. Heute führt ein Wanderweg zur Ruine hinauf, der ehemalige Wohnturm dient als Aussichtspunkt.
Bauwerk des Teufels – Rakotzbrücke, Gablenz (Sachsen)
Schon wenn man sich von weitem der Rakotzbrücke nähert, erahnt man, warum ihr einst der Beiname „Teufelsbrücke“ gegeben wurde. Wer sonst hätte wohl ein Bauwerk errichten können, das durch die Spiegelung im See die Illusion eines perfekten Kreises erzeugt? Tatsächlich entspringt der kunstvolle Brückenbogen jedoch keiner mystischen Märchenlandschaft, sondern dem 200 Hektar großen Landschaftspark Kromplau in der Oberlausitz. Aus Basaltsteinen wird die Brücke hier um 1850 innerhalb von zehn Jahren erbaut. Wegen akuter Einsturzgefahr ist es heute aber streng verboten, sie zu betreten.
Wo der Spaß starb – Spreepark Plänterwal, Treptow-Köpenick (Berlin)
Zwischen Dornenbüschen und verrosteten Gitterzäunen schaukeln die Gondeln des alten Riesenrads quietschend im Wind. Als der Vergnügungspark 1969 in der DDR eröffnet wird, ist dieses Rad eine der größten Attraktionen der Anlage, heute ist es nur noch ein stummer Zeuge vergangener Tage. Nach der Wende gehen die Besucherzahlen des Spreeparks stetig zurück, sodass er 2002 endgültig geschlossen wird. Seitdem liegt das Gelände brach und verfällt Stück für Stück. Wo vor 20 Jahren lautes Kinderlachen zu hören ist, herrscht heute gespenstische Stille, und Efeu überwuchert die verrottenden Attraktionen.
Schatzkammer der Nazis – Bunkeranlage Genshagen, Ludwigsfelde (Brandenburg)
Bis heute weiß niemand, welche Geheimnisse sich tief unten in den Eingeweiden der alten Anlage befinden. 2011 entdecken Forscher 15 Meter unter dem ehemaligen Daimler-Flugmotorenwerk Genshagen ein geheimes Bunkernetzwerk aus der NS-Zeit, das auf keiner Karte verzeichnet ist. Der Abstieg in die dunklen Gänge ist jedoch lebensgefährlich, weshalb sie noch immer weitestgehend unerforscht sind. Die Anlage wird nie fertiggestellt, und dennoch werden manche Gänge gegen Ende des Zweiten Weltkrieges offenbar gesprengt. Nur ein Zufall oder soll hier etwas versteckt werden? (Symbolbild)
Das Herz der NSA in Deutschland – Dagger Complex, Darmstadt (Hessen)
Hinter Stacheldraht und meterhohen Zäunen liegt einer der bestgeschützten Orte Hessens: der Dagger Complex in Griesheim – einer von drei Stützpunkten der amerikanischen National Security Agency (NSA) in Deutschland. Wer sich zu lange vor dem Eingang aufhält, bekommt Besuch von der örtlichen Polizei. Bis zu 1.100 Überwachungsspezialisten sollen in der geheimen Abhörstation arbeiten, die sich teilweise unter der Erde befinden soll.
Das Dorf der Neonazis – Jamel, Gägelow (Mecklenburg-Vorpommern)
Nur eine Sackgasse führt zu dem kleinen Dorf an der Ostsee, dem man sofort anmerkt, dass hier etwas nicht stimmt: An den Häuserwänden prangen Runen, Nazi-Insignien oder Schriftzüge wie „Dorfgemeinschaft Jamel – frei – sozial – national“. Vor einigen Jahren unterwandern Neonazis den Ort, in sieben von zehn Häusern wohnen heute Rechtsextreme. Dorfbewohner, die sich weigern, den völkischen Kult mitzumachen, werden offen angefeindet. Das Beunruhigende: Jamel ist kein Einzelfall – längst werden auch in anderen Bundesländern Dörfer gezielt von Neonazis besetzt. (Symbolbild)
Das gefährlichste Viertel Deutschlands – Bahnhofsviertel Frankfurt am Main (Hessen)
Die Bürgersteige sind übersät mit Scherben, Zigarettenkippen und Spritzen – ein Bild, das zeigt, wie sehr weite Teile des Frankfurter Bahnhofsviertels seit Jahren im Drogensumpf versinken. Speziell die Spielhallen in der Taunusstraße sind fest in der Hand der organisierten Kriminalität, selbst vor Gewalt auf offener Straße schrecken die Dealer hier nicht zurück. Einer der Gründe für den Verbrechensanstieg: Früher hat sich der Drogenhandel stärker verteilt, heute konzentriert er sich auf wenige Ecken.
Die Außenstelle des IS – Lohberg, Dinslaken (Nordrhein-Westfalen)
Nicht nur in den Großstädten sammeln sich Islamisten, wie das Beispiel Dinslaken in Nordrhein-Westfalen zeigt. In der 70.000-Einwohner-Stadt gründet sich 2011 die sogenannte „Lohberger Brigade“. Gut zwei Dutzend ihrer Mitglieder sind bereits nach Syrien oder in den Irak aufgebrochen, um sich dem Dschihad anzuschließen. Mindestens fünf von ihnen sollen im Kampf getötet worden sein, andere sind längst nach Deutschland – genauer gesagt: nach Dinslaken – zurückgekehrt. Denn nirgendwo sonst in Deutschland gibt es auf so engem Raum so viele Dschihadisten.