Robinson Crusoe im All
Im Film „Der Marsianer“ aus dem Jahr 2015 wird der NASA-Astronaut Mark Watney (Matt Damon) zu einem Robinson Crusoe im All. Zunächst glauben seine Kollegen, er verstarb bei einem Unfall während eines Sandsturms auf dem Mars, doch der Totgeglaubte setzt alles daran, auf sich aufmerksam zu machen, damit ein Rettungstrupp losgeschickt wird. Es beginnt ein spannender Wettlauf gegen die Zeit, denn Watneys Vorräte sind begrenzt. Nur mit viel Galgenhumor, Überlebensinstinkt und vor allem kreativen Ideen kann Watney auf Rettung hoffen.
Die echte Marsoberfläche
Sieht der Mars wirklich so aus wie im Film? „Er ist sehr akkurat dargestellt“, sagt Paolo Ferri, Leiter der Raumfahrt-Missionen der European Space Agency (ESA). Der gebürtige Italiener ist auch der Leiter der Rosetta-Mission. Die Erforschung des Weltraums steuern Ferri und seine Kollegen von Darmstadt aus, wo sich das Missionssteuerungszentrum ESOC (European Space Operations Centre) befindet. Obwohl der Film einen NASA-Astronauten porträtiert, befragten die Filmemacher auch Ferris Kollegen, um die Oberfläche des Planeten möglichst realistisch darzustellen – also so, wie auf obigem Foto aus dem ESA-Archiv.
Die Ruhe nach dem Sturm
Im Film ist ein schwerer Sandsturm auf dem Mars schuld daran, dass Mark Watney den Kontakt zu seinem Team verliert und für tot gehalten wird. Aus Sicht von Paolo Ferri einer der wenigen Denkfehler im Drehbuch …
Kann ein Sturm ein Raumschiff verbiegen?
„Generell ist ´Der Marsianer´ sehr viel glaubwürdiger als die meisten Science-Fiction-Filme“, sagt der europäische Mars-Experte Paolo Ferri. Bis auf eine Kleinigkeit: „Der große Sturm zu Beginn ist total unrealistisch. Selbst ein Hurrikan auf dem Mars könnte eine Rakete nicht derart verbiegen.“ Der Grund: die dünne Atmosphäre des Roten Planeten. „Sie entspricht nur etwa einem Prozent der Erdatmosphäre.“
Kann man ohne Strahlenschutz im All überleben?
Ein weiterer Aspekt wird im Film vernachlässigt. „Sowohl das Raumschiff als auch der Astronaut haben keinen erkennbaren Strahlenschutz“, stellt Paolo Ferri fest. „Sowohl im Weltraum als auch auf dem Mars wird man von kosmischer Strahlung bombardiert. Bei einem längeren Aufenthalt von zwei Jahren wäre dies tödlich.“ Tatsächlich ist der Schutz vor der Strahlung derzeit noch die größte Herausforderung für bemannte Mars-Missionen. Derzeit würde die Anreise zum Mars ein Jahr dauern und ebenso lang die Rückreise.
Schutz vor kosmischer Strahlung
Laut Paolo Ferri gibt es zwei Möglichkeiten, wie man das Problem mit der kosmischen Strahlung in Zukunft löst. „Schutzschilder für das Raumschiff und die Laboratorien auf dem Mars sind effektiv“, sagt der Experte. „Sie sind allerdings sehr schwer, was die Kosten für eine bemannte Mars-Mission drastisch erhöhen würde.“
Forschen unter der Marsoberfläche?
Die Alternative, um Astronauten vor der kosmischen Strahlung zu schützen? Ein kürzerer Aufenthalt auf dem Roten Planeten. „Man wäre dann zwar immer noch von Strahlung bombardiert, aber einer geringeren Dosis ausgesetzt“, so Ferri. „Vergleichbar mit Menschen, die auf der Erde im radiologischen Bereich tätig sind.“ Für Ferri steht fest: „In Zukunft wird man Laboratorien auf dem Mars sinnvollerweise unter der Marsoberfläche bauen.“
Mars-Flüge werden schon bald Realität
Im Film „Der Marsianer“ findet die Mission im Jahr 2030 statt. Werden wir tatsächlich bereits in knapp 15 Jahren den Roten Planeten mit eigenen Augen erkunden? In diesem Punkt deckt sich die Hollywood-Vision mit den Träumen von ESA und NASA. Sowohl die Europäer als auch die Amerikaner peilen die Dekade der Dreißigerjahre für bemannte Mars-Missionen an. „Bis dahin werden wir technisch signifikante Fortschritte machen“, ist Ferri überzeugt. „Theoretisch wäre eine bemannte Mars-Reise schon heute möglich. Allerdings wäre dafür so viel Geld nötig, dass die Politik das Projekt nicht finanzieren würde.“ Ferri ist überzeugt: In zwanzig Jahren werden Mars-Flüge deutlich günstiger sein – und damit attraktiver.
Warum auf den Mars? Weil er da ist!
Wozu eigentlich der ganze Aufwand, einen weit entfernten, unwirtlichen Planeten zu besuchen? „Es ist schwer, einen Trip zum Mars mit praktischen Argumenten zu rechtfertigen“, gibt Paolo Ferri zu. Daher gefällt ihm die Anekdote über den Bergsteiger George Mallory, der auf die Frage, warum er den Everest erklimmen wolle, antwortete: „Weil er da ist.“ Ferri glaubt: „Es liegt in der Natur des Menschen, Entdecker zu sein. Wenn wir damit aufhören würden, würde es das Ende der Zivilisation bedeuten.“
Die Marskanäle
„Der Marsianer“ verzichtet auf eine Zutat, die in den wenigsten Science-Fiction-Filmen fehlt: Außerirdische. Auch in diesem Punkt ist der Film realistisch. Früher glaubten manche, die Kanäle auf der Marsoberfläche könnten von intelligenten Lebewesen künstlich erschaffen worden sein, doch seit es Teleskope mit höherer Auflösung gibt und Rover, welche die Marsoberfläche erkunden, wurde diese These widerlegt. Heute weiß man, dass es sich bei diesen „Rinnen“ um natürliche Strukturen handelt.
Sieht der Mars uns an?
„Das Gesicht auf dem Mars“ sorgte bei seiner Entdeckung 1976 durch den Orbiter der Raumsonde Viking I für Aufsehen. Sowohl das Mars-Gesicht als auch die umliegenden Hügel, die an Pyramiden erinnerten, weckten Hoffnungen auf ein Zeichen außerirdischer Lebensformen. Mittlerweile muss selbst der fantasievollste Verschwörungstheoretiker die nüchterne Erkenntnis akzeptieren, dass es sich bei der Felsformation um eine natürliche Struktur handelt.
Keine Spur von Außerirdischen
„Ich will keine Hoffnungen töten“, sagt Paolo Ferri, „aber ich wäre sehr überrascht, wenn es auf dem Mars kleine grüne Männchen gäbe, die sich vor uns verstecken. Wäre da oben etwas, hätten wir es vermutlich bereits entdeckt. Komplett ausschließen kann man natürlich nichts, bevor der Planet komplett erschlossen ist.“ Auch wenn E. T. und Co vermutlich nicht in einer Mars-Höhle auf uns warten: Selbst die Entdeckung kleiner Mikroben als Zeugen einer lebensfreundlicheren Vergangenheit des Mars wäre für die Wissenschaft eine Sensation.
Der Mars ist nur ein Zwischenstopp
Hier üben ein ESA-Astronaut und ein Rover auf der Erde, wie ihr Arbeitsalltag auf dem Mars aussehen würde. Vor den ersten bemannten Mars-Missionen werden NASA und ESA allerdings auf einem näheren Himmelskörper üben, auf dem sie sich bereits bestens auskennen: „Der Mond ist ein attraktiver Ort für die Wissenschaft und Technik, sagt Paolo Ferri. „Er wird eine große Rolle in der Evolution der Raumfahrt spielen.“
Ein neues Zeitalter der Mars-Forschung
Schon lange vor dem bemannten Mars-Flug schicken Paolo Ferri und seine Kollegen unbemannte Mars-Forschungsobjekte auf die Reise. Bereits am Montag, dem 14. März um 10:31 Uhr beginnt die ExoMars-Mission. Von Kasachstan aus werden sich bei dieser Zusammenarbeit der ESA mit der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos der Trace-Gas-Orbiter und sein Lander Schiaparelli auf den Weg zum Mars machen. Die beiden werden sieben Monate unterwegs sein.
Leben auf dem Mars?
Mit dieser Crew will die Europäische Raumfahrt 2018 den Mars erkunden: Trace-Gas-Orbiter (TGO), Lander Schiaparelli und der ExoMars-Rover (von links nach rechts). Das Trio soll ein neues Zeitalter der europäischen Mars-Forschung einläuten. Der TGO wird vor allem nach Methangas suchen – und damit nach potenziellen Spuren von Leben. Auf der Erde haben 90 Prozent des Methangases einen biologischen Ursprung, doch können auch geologische Quellen (beispielsweise Vulkanismus) dafür verantwortlich sein.
Die Mars-Mission ist erst der Anfang
Ein Visionär wie Paolo Ferri denkt sehr langfristig. Daher kann er auch eine pragmatischere Antwort auf die Frage geben, warum die Raumfahrt für die Menschheit von Nutzen sein kann: „Es mag noch Millionen von Jahre dauern, doch eines Tages wird unser Planet nicht mehr bewohnbar sein“, so Ferri. „Wenn wir überleben wollen, müssen wir ein neues Zuhause finden. Möglicherweise sogar in einem anderen Sonnensystem, denn wenn die Sonne stirbt, wird auch der Mars nicht mehr als Zuflucht ausreichen.“
Hollywoods Mars-Vision
„Als ich ein Kind war, wurde ich Zeuge der Mondlandung“, sagt Paolo Ferri. „Dieses Ereignis hat mich für immer geprägt. Und Filme wie „Der Marsianer“ haben sich diese starke inspirierende Kraft erhalten, die der Weltraum schon immer ausstrahlte.“ Regisseur von „Der Marsianer“ ist Ridley Scott, der auch für Science-Fiction-Kultfilme wie „Alien“ und „Blade Runner“ verantwortlich zeichnete. „Der Marsianer – Rettet Mark Watney“ basiert auf dem gleichnamigen Science-Fiction-Bestseller von Andy Weir und ist auf DVD und Blu-ray erhältlich. FSK ab 12, Verleih: 20th Century Fox