Wo ist das Kunstwerk hin?
Eine Putzfrau schrubbt ein Kunstwerk vom Boden. Peruanische Bauarbeiter machen eine antike Pyramide platt. Und eine Kultureinrichtung entfernt vermeintliche Schmierereien von der Hauswand. Skurrile Ausnahmen? Nicht ganz: Wertvolle Kulturschätze fallen immer wieder Stümpern zum Opfer.
Ein Kunstwerk für die Tonne?
Vor einiger Zeit hat sich Künstlerin Romana Menze-Kuhn (Bild) solch einen Fall zu Nutze gemacht – zumindest sorgte dieser Wegwurf-Skandal sicherlich für gute PR. Eine Reinigungskraft hatte in der evangelischen Philippuskirche in Mannheim versehentlich Teile des Kunstobjekts namens „Behausung 6/2016“ in einen Mülleimer geworfen. Die Künstlerin reagierte souverän: Sie baute die Mülltonne einfach in ihr Werk mit ein und nannte es 6a/2016. Aber mal ehrlich: Wer konnte auch ahnen, dass es sich bei den goldfarbenen Rettungsfolien, die ursprünglich auf dem Boden lagen, um ein Stillleben handelte, das die Flüchtlingskrise thematisiert?
Baggern im Paradies
Viertausend Jahre alt war die Pyramide im peruanischen El Paraíso, einer Ausgrabungsstätte nördlich von Lima (Bild), und lange vor der Zeit der Inkas errichtet worden. Den Baggern peruanischer Bauarbeiter jedoch konnte sie nicht standhalten: Anfang Juli 2013 machten die Männer das sechs Meter hohe Bauwerk dem Erdboden gleich. Der Grund: Bauunternehmer wollten das Land anderweitig nutzen.
Bewachung von Kunst
Es ist ein irreparabler Schaden – denn jetzt können Archäologen nicht mehr nachvollziehen, wie und woraus die Pyramide erbaut worden war. Dabei hatten sie in El Paraíso erst im Februar eine Feuerstelle entdeckt, die möglichweise eine der ältesten religiösen Stätten überhaupt ist. Nun werden die verbliebenen Pyramiden von Polizisten bewacht.
Zerstörung einer kulturellen Vergangenheit
Der Abriss von El Paraíso ist kein Einzelfall. Erst zwei Monate zuvor hatten Bauarbeiter in Belize eine alte Maya-Pyramide zerstört. In Nohmul, der wichtigsten Ausgrabungsstätte des Landes, hatten sie mit Bulldozern riesige Stücke aus dem siebzehn Meter hohen Bauwerk gerissen. Mit dem Schotter sollte eine Straße geebnet werden. Siebzig Prozent der Anlage wurden dadurch zerstört. Die Pyramide stammte aus dem Jahr 250 vor Christus.
Verhunztes Jesus-Fresko
Eine engagierte Rentnerin wiederum verhalf dem spanischen Örtchen Borja 2012 zu unfreiwilliger Berühmtheit. Die Hobby-Restauratorin Cecilia Giménez (Bild rechts) wollte ein über hundert Jahre altes Jesus-Fresko auffrischen. Doch was aus dem "Ecce Homo" (Bild links) von Elías García Martínez wurde, erinnerte eher an ein Monchichi-Äffchen mit Igelfrisur. Dem Tourismus hat ihre zweifelhafte Schönheitskur nicht geschadet: Tausende pilgerten von da ab in das einst so verschlafene Borja, um die "misslungenste Restauration aller Zeiten", so die Medien, selbst in Augenschein zu nehmen. Es gab sogar eine Petition, das Gemälde nicht wieder in den Ursprungszustand zu bringen.
Die verstaubte Fettecke
An diese Story erinnert sich jeder: Joseph Beuys‘ Skulptur "Die Fettecke", zu sehen in der Kunstakademie Düsseldorf, wurde vier Jahre nach der Installation von Putzfrauen entfernt. "Die Fettecke" war ein fünf Kilo schwerer Butterklumpen in mehreren Metern Höhe gewesen. Nachdem der Raum nur noch wenig genutzt wurde, verstaubte die "Fettecke". So hatte sie der Hausmeister der Akademie nicht mehr als Kunstwerk identifiziert. 40.000 Mark Schadenersatz wurden damals fällig. Das Bild zeigt Spuren der zerstörten Fettecke.
Skulpur oder Badewanne?
Die "Fettecke" war aber nicht das erste Kunstwerk Beuys‘ (Bild), dem ein solches Schicksal widerfuhr. Im Jahr 1973 schrubbten zwei Damen eine kleine Badewanne im Museum Schloss Morsbroich sauber, in der Verbandsmaterial lag. Sie wollten sie als Spülwanne für eine Feier der SPD benutzen. Was sie nicht ahnten: Die Wanne war eine Skulptur von Joseph Beuys. Auch hier mussten 40.000 Mark Schadenersatz gezahlt werden. Beuys bearbeitete daraufhin die Wanne neu.
Renovieren oder gleich abreißen?
Im westfranzösischen Yvrac fiel übereifrigen Arbeiten gleich ein ganzes Schloss zum Opfer. Eigentlich hätten sie das Anwesen aus dem 18. Jahrhundert nicht abreißen, sondern lediglich renovieren sollen – so die Anweisungen des russischen Geschäftsmannes Dmitry Stroskin, der das Chateau gekauft hatte. Doch diese entscheidende Information kam bei den Bauhelfern aus Polen offenbar nicht an. Sie machten das Anwesen dem Erdboden gleich. Skurril: Lediglich ein Seitengebäude, das eigentlich abgerissen werden sollte, blieb stehen. Das Schloss "Bellevue" (Bild) war der ganze Stolz des 2.500-Seelen-Dorfs gewesen.
Ungewünschte Wandmalerei
Melbourne: Wo heute unansehnliche Rohre aus der Wand ragen, prangte einst ein Werk des Graffiti-Künstlers Banksy. Arbeiter hatten das Bild, das eine Ratte an einem Fallschirm zeigte, versehentlich zerstört. Auch Banksys Werke fallen immer wieder Laien zum Opfer, die sie für wertlose Schmierereien halten. Erst vor zwei Jahren wurde eines seiner Kunstwerke in Bristol übertüncht. Skurril: In dem Haus befindet sich ein Kulturzentrum. Der Vorsitzende hatte gewollt, dass es ordentlich aussieht.