Schlüsselsätze
„I have a dream“, sagte einst der Bürgerrechtler Martin Luther King Jr. am 28. August 1963 bei einer Protestkundgebung in Washington. Zitate wie dieses sind Schlüsselsätze, die manchmal, anders als lange, umständliche Reden, ein Ereignis auf den Punkt bringen, ein kollektives Gefühl in der Bevölkerung beschreiben. Oft stecken in ihnen eine Hoffnung oder eine Zukunftsvision – manchmal aber auch Angst vor politischen oder gesellschaftlichen Entwicklungen. Diese zehn Zitate stehen stellvertretend für den Geist der vergangenen hundert Jahre…
„Vorsicht, Feind hört mit!“
Vorsicht, Feind hört mit! So stand es zwischen 1939 und 1945 auf zahllosen Plakaten, aufgehängt an Häusern, Säulen, Telefonen und Orten des öffentlichen Lebens. Die Propaganda-Kampagne der Nazis sollte ein Gefühl der ständigen latenten Bedrohung von außen schaffen. Die Plakate zeigten Szenen, in denen deutsche Bürger von unheimlichen Fremden bedroht wurden und gaben Tipps, wie man sich dagegen wehren könne. Der Slogan war schon im Ersten Weltkrieg verwendet worden. In den achtziger Jahren, während des Kalten Krieges und mit dem Aufkommen der Big Brother-Vorstellung, wurde er erneut häufig zitiert.
„Wollt ihr den totalen Krieg?“
Die flammende Rede, die Propagandaminister Joseph Goebbels am 18. Februar 1943 im Berliner Sportpalast hielt, ging in die Geschichte ein. Eigentlich war eine Niederlage im Krieg damals absehbar, die Schlacht um Stalingrad hatte tausende Opfer gefordert und das Volk war kriegsmüde. Dennoch gelang es ihm, die Menschen mit seinen rhetorischen Fähigkeiten so anzuheizen, dass sich das Blatt wendete. Und als er schließlich „Wollt ihr den totalen Krieg?“ ins Mikrofon brüllte, jubelte ihm die Masse zu. Offenbar staunte Goebbels später selbst über seine Fähigkeiten: „Hätte ich gesagt, sie sollen aus dem dritten Stock des Columbus-Hauses springen, sie hätten es auch getan“, notierte er rückblickend in sein Tagebuch. Dabei waren ein Großteil der Zuhörer geladene Gäste, die nach außen hin den scheinbar ungebrochenen Kriegswillen des deutschen Volkes demonstrieren sollten. Die Sportpalastrede bildet einen traurigen Höhepunkt in der Geschichte des Zweiten Weltkriegs – seine volle Grausamkeit erreichte Hitlers fanatischer Feldzug erst in den Jahren 1944 und 1945.
„Wir wählen die Freiheit!“
Nach Kriegsende, am 23. Mai 1949, wurde die deutsche Bundesrepublik gegründet – mit Konrad Adenauer als erstem Kanzler. Doch erst durch die Pariser Verträge, die 1955 in Kraft traten, wurde die Besatzung offiziell aufgegeben und Deutschland ein souveräner Staat. Im Gegenzug sollte der neu gegründete Staat der NATO und der Westeuropäischen Union beitreten. Die Verträge waren nicht unumstritten: Die Beitritte verfestigten eine Trennung zwischen der DDR und Westdeutschland, kritisierten zahlreiche Menschen, außerdem führten sie zu einer Aufstellung von Streitkräften und damit einer Wiederbewaffnung Deutschlands. Konrad Adenauer versuchte deshalb, dem Volk die Pariser Verträge schmackhaft zu machen. 1952 erklärte er deshalb vor dem Bundestag: Wir stehen vor der Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit. Wir wählen die Freiheit! Diese Regierungserklärung ging auch als Flugblatt um. Zwei Jahre später wurden die Verträge unterzeichnet.
„Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!“
Kaum ein Zitat offenbarte die Scheinheiligkeit der DDR-Politik so schonungslos wie Walter Ulbrichts Satz: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!“ Denn nur zwei Monate nach der Pressekonferenz am 15. Juni 1961, bei der besagter Satz fiel, wurden die ersten Sperrzäune hochgezogen. Darüber hinaus war Walter Ulbricht der erste, der überhaupt von einer Mauer sprach. Ursprünglich war der Mauerbau ein geheimes Vorhaben der DDR-Regierung gewesen, da immer mehr Menschen in die westlichen Besatzungszonen flohen und man die Wirtschaftskraft in Gefahr sah. Auf eine Journalistenanfrage hin ließ Staatsoberhaupt Ulbricht allerdings durchblicken, was damals schon viele ahnten. 28 Jahre lang sollte die Mauer die beiden deutschen Staaten voneinander trennen. Im Todesstreifen rund um den Grenzwall fanden zwischen achthundert und tausend Menschen den Tod.
„Ich bin ein Berliner!“
Fast zwei Jahre lang war West-Berlin nun schon eine Insel mitten in der DDR. Um seine Solidarität mit den Bürgern zu bekunden und außerdem den 15. Jahrestag der Luftbrücke zu feiern, reiste US-Präsident John F. Kennedy 1963 in die deutsche Hauptstadt. Vor dem Rathaus Schöneberg hielt er eine Rede, in der er sagte: Ich möchte Ihnen im Namen der Bevölkerung der Vereinigten Staaten, die viele tausend Kilometer von Ihnen entfernt lebt, auf der anderen Seite des Atlantiks, sagen, dass meine amerikanischen Mitbürger stolz, sehr stolz darauf sind, mit Ihnen zusammen selbst aus der Entfernung die Geschichte der letzten 18 Jahre teilen zu können. Denn ich weiß nicht, dass jemals eine Stadt 18 Jahre lang belagert wurde und dennoch lebt in ungebrochener Vitalität, mit unerschütterlicher Hoffnung, mit der gleichen Stärke und mit der gleichen Entschlossenheit wie heute West-Berlin. Diese Rede schloss er, indem er auf Deutsch rief: „Ich bin ein Berliner!“ Kennedy hatte den Satz mehrfach mit Willy Brandt geübt und sich außerdem die Worte notiert: „Ish bin ein Bearleener!“ Mit diesem Satz besiegelte er die enge Bindung zwischen dem noch jungen Deutschland, insbesondere dem von einer Mauer umgebenen Berlin, und den USA.
„Dies ist ein kleiner Schritt für einen Menschen – aber ein großer Schritt für die Menschheit.“
1969 gelang den USA das, was man bis dahin für reine Science-Fiction gehalten hatte: Sie landeten mit einem Raumschiff auf dem Mond. Die Tür des Space Shuttles öffnete sich, und die beiden Astronauten Neil Armstrong und Buzz Aldrin spazierten in ihren Raumanzügen über die staubigen Boden. Rund 600 Millionen Menschen hingen gebannt vor dem Fernseher. Armstrong war der erste, der einen Fuß auf die Mondoberfläche ist. In sein Mikrofon sprach er dabei seinen berühmten Satz: Dies ist ein kleiner Schritt für einen Menschen – aber ein großer Schritt für die Menschheit.“ Die beiden Astronauten fotografierten den Mond, nahmen Bodenproben, stellten Forschungsgeräte auf und hissten außerdem eine amerikanische Flagge. Nach zweieinhalb Stunden kehrten sie zur Raumfähre zurück und flogen gemeinsam mit ihrem Kollegen Michael Collins sicher zur Erde zurück. An diesem 21. Juli 1969 war ein ewiger Traum der Menschheit wahr geworden.
„Houston, wir haben ein Problem!“
Nur ein Jahr später ereignete sich eines der größten Dramen der Raumfahrtgeschichte. Die Raumfähre Apollo 13 sollte, ebenso wie ihre beiden Vorgänger Apollo 11 und Apollo 12, auf dem Mond landen. Doch auf dem Weg dorthin explodierte einer der beiden Sauerstofftanks. Auch drei Brennstoffzellen des Raumschiffs wurden beschädigt. Damit war die komplette Strom-, Wasser- und Sauerstoffversorgung für die Besatzung gefährdet. Der Kommandant James Lovell meldete sich daraufhin über Funk: Houston, wir haben ein Problem. Dass die Apollo 13 sicher zur Erde zurückkehrte, grenzte an ein Wunder. Die Crew musste sich in der mitgebrachten Mondlandefähre einquartieren, weil das Raumschiff zu stark beschädigt war. Nur durch eine komplette Mondumrundung und Ausnutzung der Gravitation des Erdtrabanten konnte die Apollo 13 wieder Kurs auf die Erde nehmen. James Lovell, John Swigert und Fred Haise waren damit unfreiwillig weiter in den Weltraum vorgerückt als je ein anderer Mensch.
„Wir sind das Volk!“
Wir sind das Volk! Wir sind das Volk! Nicht nur einmal in der Geschichte wurde diese Parole ausgerufen. Ursprünglich stammt sie aus Georg Büchners Drama „Dantons Tod“. Der Wille des Volkes sei das Gesetz, heißt es dort. Heute steht sie vor allem für die Wendezeit und die Montagsdemonstrationen, die 1989 in zahlreichen Städten der DDR stattfanden. Damit sollte die Regierung aufgefordert werden, den Willen des Volkes nach einem einheitlichen Deutschland nachzukommen. Manche riefen auch: „Wir sind ein Volk“. 2004 wurde die Parole erneut skandiert – diesmal bei Protesten gegen Hartz IV und den zunehmenden Sozialabbau.
„Yes, we can!“
Die Wahlen für das Amt des US-Präsidenten im Jahr 2008 unterschieden sich erheblich von allen Wahlen zuvor: Denn mit Barack Obama, dem Kandidaten der Demokratischen Partei, hatte zum ersten Mal ein Schwarzer die Chance, den Posten zu erklimmen. In den USA, in dem Rassismus immer noch weit verbreitet ist und Afroamerikaner für ihre Gleichberechtigung kämpfen müssen, schien dies lange undenkbar. Dem couragierten Obama jedoch gelang es, eine Mehrheit von sich zu überzeugen und damit eine neue Ära einzuläuten. „Yes, we can!“ lautete sein Wahlkampfspruch, mit dem er nicht nur seinen Glauben an einen Sieg ausdrückte, sondern auch zahlreichen Afroamerikanern Mut machte, sich nicht unterdrücken zu lassen, sondern für ihr Glück, ihren Erfolg und ihre Gleichberechtigung zu kämpfen.
„I have a dream!“
„Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der man sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilen wird. Ich habe einen Traum heute. Ich habe einen Traum, dass eines Tages in Alabama mit seinen bösartigen Rassisten, mit seinem Gouverneur, von dessen Lippen Worte wie ‚Intervention‘ und ‚Annullierung der Rassenintegration‘ triefen …“
Aus dem Berg der Verzweiflung wird ein Stein der Hoffnung
„..., dass eines Tages genau dort in Alabama kleine schwarze Jungen und Mädchen die Hände schütteln mit kleinen weißen Jungen und Mädchen als Brüdern und Schwestern. Das ist unsere Hoffnung. Mit diesem Glauben kehre ich in den Süden zurück. Mit diesem Glauben werde ich fähig sein, aus dem Berg der Verzweiflung einen Stein der Hoffnung zu hauen“. So lautet ein Auszug aus der weltberühmten Rede des mutigen Bürgerrechtlers Martin Luther King, Jr., die er anlässlich einer Protestkundgebung 1963 vor 250.000 Menschen hielt. Sein rhetorisches Meisterwerk ging in die Geschichte ein – und steht noch heute sinnbildlich für die Gleichberechtigung aller Menschen, unabhängig von ihrer Hautfarbe. Martin Luther King büßte sein Engagement mit seinem Leben: Er wurde fünf Jahre später erschossen. Der Täter konnte nie gefasst werden.