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Kurz und schmerzlos: Was erlebt ein Rind im Schlachthof?

Foto: Imago / Caro

Kurz und schmerzlos: Was erlebt ein Rind im Schlachthof?

Damit Tiere beim Schlachten keine Schmerzen erleiden, kommt es vor allem auf zwei geschickte Handgriffe an: beim Betäuben und Entbluten. Wie kurz und schmerzlos ist das Prozedere wirklich?

Paula wartet. Die braune Kuh mit der kleinen Blesse auf der Stirn steht in einer schmalen vergitterten Schleuse. Sie ist die Erste in der Schlange und blickt auf eine verschlossene Metalltür. Hinter sich hört sie ihre Kameraden schnauben und muhen.

Je nach Entfernung vom Eingang sind sie teils neugierig, teils erregt. Nach der etwa zweistündigen Fahrt vom Münchener Umland zum Schlachthof ist Paula durstig – und wird langsam nervös. Und da hört sie es wieder: ein seltsam dumpfes Geräusch, das im Minutentakt ertönt. Dieses Mal deutlich lauter als zuvor.

Wie ein fester Schlag, gefolgt von krachendem Gerumpel. Weiter entfernt rattert eine motorbetriebene Eisenkette. Es geht weiter: Die Tür vor Paulas Augen öffnet sich. Automatisch geht sie ein paar Schritte weiter, hinter ihr rastet die Tür mit voller Wucht wieder ein.

Jetzt kann sie weder vor noch zurück. Panisch versucht sie, mit ihren Hufen die Tür hinter sich aufzutreten. Plötzlich umschließt etwas ihren Hals. Fast im selben Moment bemerkt sie auf ihrer Stirn einen leichten Druck. Es ist wahrscheinlich das Letzte, was Paula spürt. Den Bolzenschuss bekommt sie schon nicht mehr mit – zumindest dann, wenn alles gut geht.

Fehlbetäubung bei 200.000 Rindern im Jahr

Aus tierschutzfachlicher Sicht ist der korrekt durchgeführte Bolzenschuss aus einem Schlachtschussapparat mit weniger als zwei Millisekunden das schnellste und damit wirkungsvollste Betäubungsverfahren.

„Der Bolzen tritt aus dem Schussapparat aus, der durch die Haut, durch den Schädel und dann in das Gehirn einschlägt“, beschreibt Werner Huber, Geschäftsführer der Attenberger Fleisch GmbH & Co.KG in München den Vorgang. „Wenn man die Hörner und die Augen kreuzt, ungefähr einen Zentimeter höher – da ist der Punkt, der besonders empfindlich ist. Da werden die Tiere getroffen und betäubt.“

Laut Prof. Dr. Klaus Tröger vom Max Rubner-Institut (MRI, Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel), kommt es in Deutschland jedoch bei bis zu sieben Prozent aller Schlachtungen zu Fehlschüssen – also bei rund 200.000 Rindern im Jahr. Das hat zur Folge, dass die Tiere bei den weiteren Schritten des Schlachtvorgangs bei Bewusstsein bleiben.

„Bei der Betäubung sind zwei Dinge wichtig, um die Tiere mit geringer Fehlerquote zu töten. Das ist zum einen die ausreichende Kopffixierung und zum anderen ein geeignetes Bolzenschussgerät“, erklärt Tröger. Die Bewegungseinschränkung des Kopfes ist wichtig, um das gerade einmal apfelsinengroße Rinderhirn treffsicher zu verletzen. Eine zu rigide Fixierung jedoch löst Panik und Angst bei den Tieren aus. Eine Gratwanderung.

Auswirkungen auf die Fleischqualität

„Dies ist nur akzeptabel, sofern Sekunden später betäubt wird“, sagt Tröger. Neben der richtigen Fixierung hat der Schlachtbetrieb die Verantwortung, ein Bolzenschussgerät mit ausreichend hoher Durchschlagskraft zu verwenden. Dr. Klaus Tröger rät daher, gleich ein stärkeres Bolzenschussgerät mit 18 bar Druckluft zu nehmen.

Bisher sind nur acht bis neun bar gängig. Das sofortige Zusammenbrechen ist ein verlässliches Zeichen dafür, dass das Tier bewusstlos ist. Das ist nicht nur aus Sicht des Tierschutzes wichtig, sondern auch für die Fleischqualität. „Grundsätzlich wird das Fleisch heller und wässriger und die Konsistenz wird relativ weich, wenn der Stress, der direkt mit der Schlachtung zusammenhängt, entsprechend groß war“, sagt Tröger.

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