Welt der Wunder

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Giganten aus Beton: Wie Staudämme die Erde verändern

Sie erzeugen Strom, sichern die Bewässerung und die Trinkwasserversorgung: Staudämme und Wasserkraftwerke sind Projekte der Superlative. Doch häufig verlieren tausende Menschen durch die Mega-Bauwerke ihre Existenzgrundlage – und die Folgen der gigantischen Eingriffe in die Natur sind nicht absehbar.

Seit vielen Jahrhunderten schon wurden Flüsse angestaut, um sie für die Menschen nutzbar zu machen und den Bedürfnissen der Bewohner in ihren Einzugsgebieten gerecht zu werden. Im 20. Jahrhundert nahm die Konstruktion von Talsperren und Staudämmen bis dahin ungekannte Ausmaße an. Denn der Bedarf an sauberem Trinkwasser, an bewässerungsintensiven Nahrungsmitteln und Energie aus Wasserkraft steigt beständig. Falls die Nutzung der vorhandenen Wasserressourcen nicht effizienter wird, könnte die Nachfrage nach Wasser die Versorgung schon im Jahr 2030 um vierzig Prozent übersteigen. Aufgabe der „Weltkommission für Staudämme“ (WCD)  ist es, unabhängige Fakten zur Effizienz der Entwicklung großer Dammprojekte zu erstellen, Alternativen auszuloten und praktische Richtlinien für die Planung neuer Dämme zu erarbeiten. Doch noch immer verstoßen zahlreiche Staudammprojekte weltweit gegen grundlegende Nachhaltigkeitskriterien, wie aus der im März 2013 veröffentlichten Analyse „The Seven Sins of Dam Building“ der Naturschutzorganisation WWF hervorgeht.

Mega-Projekte und ihre Auswirkungen

„Vernünftig geplante, gebaute und betriebene Staudämme können zur Ernährungssicherheit und Energiegewinnung beitragen“, erklärt Dr. Jianhua Meng, Leiter des Bereichs „Water Security“ beim WWF. „Doch kurzfristige Interessen stehen noch viel zu oft im Fokus.“ Wer langfristig einen Staudamm erfolgreich betreiben wolle, dem kö
nne jedoch eine behördliche Baulizenz nicht ausreichen. „Die Betreiber müssen bei derartigen Großprojekten auch eine ‚zivilgesellschaftliche Freigabe‘ erhalten. Akzeptanz bei der Bevölkerung ist die Grundlage eines nachhaltigen Managements“, so WWF-Experte Meng. Negative Auswirkungen – wie etwa Umsiedlungen, Zerstörung von Kulturstätten oder der Zusammenbruch lokaler Fischerei – würden häufig noch immer als Probleme anderer Leute abgetan.

Energie, Trinkwasser und Zerstörung

Mehr als zwei Drittel des vom Menschen genutzten Wassers entfallen auf Ackerflächen, die rund vierzig Prozent der Weltnahrung liefern. So ermöglichte es der Bau großer Staudämme in der Vergangenheit, die Bauern mit der dreifachen Wassermenge zur Bewässerung ihrer Anbauflächen zu versorgen. Auf diese Weise sollte der Hunger der rasant wachsenden Weltbevölkerung gestillt werden. Doch zahlreichen im Bau befindlichen oder geplanten Anlagen stellt die WWF-Studie ein verheerendes Zeugnis aus: Um ein Mindestmaß an sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit zu garantieren, sollten Stauanlagen strikt anhand von Nachhaltigkeitskriterien, wie sie von der „Weltkommission für Staudämme“ oder im „Protokoll für nachhaltige Wasserkraft“ formuliert wurden, überprüft werden. Geplante Projekte müssten gegebenenfalls angepasst oder gestoppt werden.

Kurzfristiger Nutzen, langfristiger Schaden

Vergleicht man Kosten und Nutzen, überwiegen die langfristigen Nachteile der Staudämme häufig gewaltig. Schon um die Jahrtausendwende berichtete die Weltkommission für Staudämme, dass viele Staudämme schwere Schäden an der Umwelt und soziale Probleme verursachen, die die wirtschaftlichen Vorteile deutlich übertreffen. „Der WWF hat neun Staudammprojekte untersucht. Wir mussten feststellen, dass viele Projekte nicht nur eine, sondern gleich mehrere gravierende Sünden des Staudammbaus begehen“, bilanziert WWF-Experte Meng. „Dabei sind Fehler vermeidbar. Unkenntnis, Entwicklungsdruck oder regionale Umstände dürfen heute keine Ausreden mehr darstellen.“ Im Übrigen sei nicht unbedingt die Größe eines Staudamms entscheidend: Zwar fänden sich zahlreiche Mega-Projekte auf der Liste, doch auch die Gesamtauswirkungen von zahlreichen kleinen Wasserkraftprojekten, seien in ihren negativen Auswirkungen nicht zu unterschätzen.
 
Wirklich wilde und reißende Ströme gibt es nur noch sehr vereinzelt auf der Welt. Die meisten Flüsse sind heute gezähmt, begradigt und vom Menschen für seine Zwecke nutzbar gemacht. Dämme halten Hochwasser ab, Talsperren und Staumauern dienen der elektrischen Energiegewinnung, landwirtschaftlichen Bewässerung oder der Trinkwasserversorgung. Doch die gigantischen Bauprojekte bringen bei Weitem nicht nur Nutzen: Durch die gewaltigen Eingriffe werden Naturräume für immer verändert, häufig mit nicht im Voraus kalkulierbaren Ausmaßen. Einmalige Ökosysteme werden zerstört, Tiere und Pflanzen verlieren ihre Lebensräume. Auch ganze Städte versinken mitunter in den Fluten – und tausende Bewohner verlieren ihre Heimat.
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