Worte sind im Grunde die Währung des Gehirns. Ohne Worte keine Gedanken und Gefühle. Und wer diese Hintertür der Psyche kennt, kann die kognitive Macht der Worte nutzen, um sich und andere zu manipulieren – oder zu heilen.
Der US-amerikanische Psychologe John A. Bargh von der Yale University konfrontierte in einer Studie das Unterbewusstsein von Probanden mit Worten, die ganz allgemein mit den Themen „Alter“, „Altern“ und „alten Menschen“ zu tun haben. Die Folgen waren verblüffend: Nach dem Experiment bewegten sich die Manipulierten langsamer als die Probanden einer nicht manipulierten Vergleichsgruppe. Tatsächlich schien es, als hätten die beiläufig erwähnten Worte die Probanden altern lassen.
Die Soft- und Hardware des Menschen beeinflussen
„Wir wissen nicht, dass wir einen Reiz wahrgenommen haben, aber man kann nachweisen, dass wir trotzdem darauf reagieren“, erklärt Psychologe Daniel Kahneman, der diesen Effekt „Priming“ nennt. Doch wie kann es sein, dass jenseits von Fachkreisen kaum einer davon weiß – obwohl jeder Mensch mehrfach täglich von diesem Effekt beeinflusst wird? Im Alltag ist man sich dessen selten bewusst, aber Gedanken und Gefühle kommen nicht aus dem Nichts. Sie benötigen einen Kontext – und da die gedankliche Währung unseres Gehirns Worte sind, wir also das, was wir denken und fühlen, in Worte übersetzen, besteht zwischen diesem Kontext und Worten ein enger Zusammenhang.
Anders gesagt: Ohne die Macht von Worten wären wir gar nicht in der Lage, überhaupt über etwas nachzudenken. Doch Worte drücken nicht nur Gedanken und Emotionen aus, sie können sie auch direkt provozieren. Ein Effekt, den jeder aus dem Alltag kennt – umgangssprachlich etwa als das „Einstimmen“, „Mitreißen“ oder „Verunsichern“ von anderen Personen. Und so banal das klingt – der Effekt ist so machtvoll, dass er oft den Unterschied macht zwischen Leben und Tod. So kann man mit Priming nicht nur die Software eines Menschen (Psyche) emotional auf die Zukunft einstimmen, sondern auch die Grenzen seiner Hardware (Physis) massiv verschieben – und das bietet bislang ungeahnte Möglichkeiten.
Worte wirken stärker als jedes Medikament
Ein Beispiel: Christian Edwards von der University of Worcester gelang es, die Leistung von Rugby-Spielern signifikant zu verbessern – nur indem er sie mit Sätzen wie „Ich kann heute höher springen“ primte. Ähnlich beeindruckend sind die medizinischen Effekte des Primings: Für angehende Ärzte ist Heilen durch Sprache mittlerweile Teil ihrer Ausbildung. Denn Worte können Krankheiten sowohl heilen als auch verschlimmern. Studien belegen, dass ein Medikament besser wirkt, wenn ein Arzt dessen positive Effekte anstelle der Nebenwirkungen anspricht. „Ich kenne nur wenige Heilmittel, die mächtiger sind als ein sorgsam gewähltes Wort“, beschreibt der amerikanische Kardiologe Bernard Lown diese erstaunlichen Effekte.
Um sich selbst (positiv) zu primen, muss man sich mit einem Reiz konfrontieren, der die gewünschte Emotion weckt. Beispiel: Möchte ich im Büro besser gelaunt sein, kann ich nette Worte aufschreiben und aufhängen, die Freunde zu mir gesagt haben. Diese Sprüche sollten ab und zu ausgewechselt werden. Denn Gewöhnung verringert den Effekt. Um andere Menschen in eine bestimmte Richtung zu primen, hilft es, ihre Bedürfnisse zu kennen. Denn Priming ist die Kunst, den richtigen Reiz zur richtigen Zeit zu aktivieren. Generell eignen sich bestimmte Musikrichtungen (etwa Klassik oder Heavy Metal) gut als emotionaler Reiz.