Der Vietnamkrieg fordert nicht nur drei Millionen Tote – er wird für die USA auch zum Trauma, das die ganze Nation spaltet. Die Abweisung eines Küchengehilfen im Jahre 1919 legte den Grundstein.
Voller Zuversicht macht sich der Küchengehilfe Nguyen Tat Thanh im Juni 1919 auf den Weg zur Versailler Friedenskonferenz. Der junge Vietnamese hat sich extra einen Anzug geliehen, um zum mächtigsten Staatschef der Welt vorgelassen zu werden – US-Präsident Woodrow Wilson. Nguyens Ziel: sein Land vom Einfluss der französischen Kolonialmacht zu befreien. Dafür will er Wilson eine Petition überreichen, in der ein unabhängiges und demokratisches Vietnam gefordert wird.
Der US-Präsident gilt in diesen Tagen für viele unterdrückte Länder als Hoffnungsträger – hat er doch kürzlich in einer Rede den Ersten Weltkrieg auf die „Missachtung der Rechte von kleinen Nationen und Völkern“ zurückgeführt. Doch aus der ersehnten Begegnung wird nichts – denn Wilson lehnt ein Treffen ab. Enttäuscht wendet sich der 29-Jährige einer anderen Ideologie zu, die sich gerade in Russland ausbreitet: dem Sowjet-Kommunismus. Er trifft sich sogar mit Stalin, der ihn – anders als Wilson – empfängt.
Ein paar Jahre später wird die Welt den Küchengehilfen als Ho Chi Minh kennenlernen. 1941 kehrt er schließlich nach Vietnam zurück und kämpft dort erfolgreich gegen die japanischen Besatzer und die französische Kolonialverwaltung. Vier Jahre später wird die Demokratische Republik ausgerufen – mit Ho als Präsidenten. Doch die Kämpfe um die Unabhängigkeit gehen weiter und weiten sich zum Stellvertreterkrieg zwischen den USA und der Sowjetunion aus. Er wütet 20 Jahre und kostet 58.220 US-Soldaten das Leben. Begonnen hat alles jedoch schon 50 Jahre zuvor – mit einer verweigerten Audienz.