Ständig brechen wir unsere Vorsätze und ergeben uns den Befehlen eines selbstsüchtigen Gehirns. Dabei kann jeder diese dunklen Kräfte der Motivation besiegen. Der Triathlet Jan Frodeno gibt nie auf. Was hilft ihm dabei?
Die Befehle sind unmissverständlich. „Keinen Meter weiter! Gib auf! Dann bist du erlöst!“ Es ist kurz nach 13 Uhr, als Jan Frodeno plötzlich hört, wie sein Körper nach Erlösung schreit. Erlösung von unbändigen Schmerzen im Rücken, verkrampften Muskeln in den Beinen und der erbarmungslosen Hitze. Nach 3,8 Kilometern Schwimmen und 180 Kilometern Radfahren trifft Frodeno bei Laufkilometer 3,2 auf den Feind, den er am meisten fürchtet: den Mann mit dem Hammer. „Ich weiß nie, wann er kommt. Aber er kommt bei jedem Rennen“, erklärt der 36-Jährige den Moment, wenn sein Körper streikt und sein Gehirn sich weigert, weiterzumachen. Der Iron Man auf Hawaii fordert eben seine Opfer.
Kaum einer weiß das besser als Frodeno, der den härtesten Triathlon der Welt in den beiden Vorjahren gewinnen konnte. Doch so heftig wie dieses Mal hat der Mann mit dem Hammer noch nie zugeschlagen. 39 schier endlose Kilometer liegen noch vor dem Athleten. Er muss sich hinlegen, versucht, die Beine zu bewegen. Keine Chance. Wie Blitze durchzucken Krämpfe seinen Körper. Nur ein Handzeichen und das Rennen wäre vorbei. Die Erlösung ist so nah. Frodeno spürt, wie die dunklen Kräfte der Motivation in seinem Kopf die Überhand gewinnen. Und seinen Willen brechen wollen. Ein Kampf, der in jedem von uns tobt. Jeden Tag. Und den die meisten Menschen verlieren.
Die Befehle sind unmissverständlich.
Jan Frodeno gewinnt den Kampf gegen sein rebellierendes Gehirn fast immer. Wer täglich mehrere Stunden laufen, Rad fahren oder schwimmen geht und den Iron Man auf Hawaii in gut acht Stunden absolviert, für den ist der innere Schweinehund ein ständiger Begleiter. Über die Jahre hat Frodeno gelernt, seinen Willen wie einen Muskel zu trainieren und mithilfe professioneller Motivationsstrategien sein Gehirn zum Weitermachen zu überreden. „Das ist wie eine Sucht. In den letzten drei Jahren habe ich an nur zwei Tagen nicht trainiert. Heute bin ich ein Meister des inneren Monologs“, erklärt er.
Und genau diesen Motivationsmonolog hält er nun bei Laufkilometer 3,2 – bei gefühlt 34 Grad Celsius Außentemperatur am Rande der Lavafelder auf Hawaii. Die Konkurrenz hat ihn längst überholt, die Chance, die Ziellinie zu erreichen, geht gegen null, geschweige denn zu siegen. Trotz all dieser niederschmetternden Erkenntnisse steht der Triathlet nach einigen Minuten auf. Geht wankend los, immer schneller, bis er langsam ins Traben kommt. Knapp vier Stunden später erreicht Frodeno das Ziel. Mit 9 Stunden 15 Minuten und 44 Sekunden kommt er auf Platz 70. Den Iron Man konnte er nicht gewinnen, dafür den Kampf gegen seinen rebellierenden Körper.
„Der Schmerz war nicht lebensbedrohlich, Aufgeben war jedenfalls nie eine Option“, Jan Frodeno, Triathlet und zweifacher Iron-Mann-Sieger
Das Gehirn entscheidet über Sieg und Niederlage
„Schicksal, Talent, Muskeln – all diese Faktoren spielen nur eine untergeordnete Rolle. Wie erfolgreich und willensstark wir sind, hängt vielmehr davon ab, ob es uns gelingt, unser Gehirn zu motivieren, oder ob das Gehirn uns demotiviert“, erklärt der Sportpsychologe Steven Reiss von der Ohio State University. Und auch der Drill Instructor Mark Divine, der jedes Jahr Hunderte Bewerber bei den Navy SEALs scheitern sieht, ist überzeugt: „Es ist immer die Psyche, die aufgibt – nie der Körper.“ Aber wie konnte sich Frodeno gegen seinen inneren Schweinehund durchsetzen?
Die Motivations-Tricks des Profis
Jan Frodeno kämpft in jedem Rennen gegen seinen inneren Schweinehund – obwohl der Triathlet jeden Tag trainiert und körperlich und mental topfit in die Wettkämpfe geht. Um den Kampf gegen seinen rebellierenden Körper zu gewinnen, teilt sich Frodeno die vor ihm liegende Strecke gedanklich in kleine Etappen ein. So wirkt das Ziel nicht unerreichbar, und er kann sich besser motivieren. Zudem lenkt er sein Gehirn mit Rechenspielen ab oder stellt sich schöne Bilder vor, etwa von seinem umjubelten Zieleinlauf.