Welt der Wunder

Nicht glauben, sondern wissen

Tabus der Weltgeschichte: Der Staatsstreich des deutschen Top-Spions

Im Lauf der Menschheitsgeschichte gab es immer wieder dunkle Geheimnisse, versteckte Intrigen und unsagbare Verbrechen, die nie öffentlich werden sollten. Gemeinsam mit Historikern ist Welt der Wunder Fakten nachgegangen, die lange Zeit verborgen wurden: Wie aus einem NS-General ein BND-Chef wurde.

Pullach, 13. März 1956: Reinhard Gehlen ist am Ziel. Der ehemalige Ost­spionagechef Hitlers hat es nicht nur geschafft, seine Haut zu retten und nach dem Krieg auf die Seite der Amerikaner zu wechseln: Mit Hilfe der CIA ist es ihm auch ge­lungen, seinen nationalsozialistischen Geheimdienstapparat zu transformie­ren. Zunächst in die Organisation Gehlen und nun also in den Bundes­nachrichtendienst, zu dessen Chef er gerade ernannt wurde. Jetzt, auf dem Gipfel angekommen, sieht er überall Feinde – und lässt daher an jenem Märztag CIA-Stationschef James Critchfield zu sich rufen.
 
Gehlen kommt sofort zur Sache. Er sorge sich um die europäische Sicher­heitslage: Nicht nur in Frankreich und Italien drohten „Mitte-Links-Volksfront-Regierungen“ – auch in Westdeutsch­land gebe es Tendenzen, die zum Sturz der konservativen CDU-Regierung führen könnten. Für den Fall, dass die Sozialdemokraten bei der nächsten Wahl an die Macht kämen, fürchte er nicht nur um sein eigenes Überleben. Eine solche Regierung wäre auch „für politische Infiltration und schließlich Kontrolle durch den Osten anfällig“. Gehlen ist daher entschlossen, alles zu tun, um eine sowjetische Invasion zu verhindern – auch wenn es den maximalen Tabubruch bedeutet: die Demokratie in Westdeutschland zu beseitigen. Er würde mit CIA-Chef Allen Dulles gern einen „Plan für eine solche Eventualität erörtern“. Eilig verlässt Critchfield Gehlens Büro und informiert seinen Vorgesetzten.

Umstürze waren keine Seltenheit

Ein BND-geführter Staatsstreich? Heute erscheint dieses Szenario absurd, doch in der Hochphase des Kalten Krieges gibt es viele solcher Umstür­ze – in Griechenland, Indonesien und diversen Ländern Südamerikas. Laut dem US-Journalisten David Talbot war das Tabu-Thema Putsch für CIA-Chef Allen Dulles daher eine durchaus denkbare Option: „Unwahrscheinlich, dass Dulles von Gehlens Vorschlag schockiert war, da er seit langem mit der Organisation Gehlen und anderen rechtsgerichteten Elementen in Deutschland einen solchen autoritären Notfallplan ins Auge gefasst hatte.“ 

Bestes Beispiel: das von der CIA fi­nanzierte geheime Netzwerk Gladio, dass im Fall einer Sowjetinvasion im Hinterland bleiben und Sabotageakte verüben sollte. Oder der Bund Deut­scher Jugend: Die 2.000 Mitglieder starke neonazistische Organisation führte sogar eine Todesliste, auf der führende Politiker der Sozialdemokra­tischen Partei standen. Da Konrad Adenauer ein Jahr später die Bundes­tagswahl deutlich für sich entscheiden kann, sieht Gehlen letztlich keinen Grund, die BRD zu stürzen. Der ge­plante Putsch wird so nur zu einem weiteren Tabu der Geschichte.
 
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