Der Kampf gegen die letzten Heiden im 11. Jahrhundert
Die Truppen des dänischen Königs haben sich verirrt. In einem Labyrinth von einsamen Landzungen, weißen Stränden und verlassenen Buchten, aus dem kein Weg hinaus zu führen scheint. Hier, im Norden der Ostseeinsel Rügen am Kap Arkona, fällt die Steilküste 45 Meter tief ab. Die Erhabenheit und die Geschichte dieser Landschaft aus Kreide, Meer und Buchenwäldern macht sie zu einem mystischen Ort – und das seit Jahrhunderten.
Doch die verirrten Soldaten haben keinen Blick für diese Schönheit, sie kennen nur ein Ziel: die ungläubigen Heiden aufzuspüren und deren Widerstand ein für alle Mal zu brechen. Im Jahr 1000 haben die christlichen Heere fast jeden Winkel Germaniens erobert. Deutsche Kaiser verteidigen das Christentum mit dem Schwert. Nur im äußersten Norden setzen sich slawische Heiden noch zur Wehr: Die Insel Rügen wird zur letzten Festung der alten Götter – und zum Schauplatz grausamer Kulte, zu einer Zeit, in der anderswo europäische Herrscher zu Kreuzzügen aufbrechen.
Kelche, Waffen und Gefangene wurden geopfert
Das Volk der Ranen huldigt Mächten wie dem vierköpfigen Kriegsgott Svantovit – und der verlangt regelmäßig Opfer. Der wichtigste Tempel des Kriegsgottes befindet sich hier an diesem besonderen Ort: Kap Arkona. Hoch auf den Kreideklippen von Rügen thront die mächtige Jaromarsburg. Aus ganz Osteuropa schicken Slawenherrscher wertvolle Geschenke nach Kap Arkona – goldene Kelche, reich verzierte Waffen und manchmal auch christliche Gefangene, die auf dem Altar geopfert werden.
Doch die Opfer bringen keine Rettung, 1168 geht ein christliches Heer gegen die „Ungläubigen“ auf Rügen vor: Dänische Truppen stürmen die Festung und machen sie dem Erdboden gleich. Bis auf einige Überreste des Burgwalls werden damit sämtliche Spuren der alten Götter ausgelöscht, es ist das Ende des Heidentums in Europa und auch der Tempelschatz verschwindet.
Vielleicht wurde er geraubt, vielleicht ist er noch auf der Insel vergraben. Die sagenumwobene Tempelburg droht dagegen im Meer zu versinken. Mehr als die Hälfte des Heiligtums ist bereits von der brüchigen Felskante in die Ostsee gestürzt. Im Wettlauf mit der Zeit versuchen Archäologen heute zu retten, was zu retten ist.