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Plastik-Alternativen im Test – mehr Schein als Sein?

Es gibt sie tatsächlich: täuschend echte und angeblich umweltfreundliche Plastik-Doppelgänger! Doch was steckt hinter dem neuen Hype um Bio-, Hanf-Plastik und vermeintlich kompostierbaren Papiertüten? Halten sie einem Nachhaltigkeits-Check stand?

80 Prozent des im Meer befindlichen Abfalls ist Plastik. Und nicht nur im Wasser schwimmen die klein geriebenen Partikel oder großen Müllbeutel: Sowohl im Menschen, als auch in den Tieren sammelt sich Mikroplastik an. Und in den Mägen von Walen, Seevögeln und Co. finden sich häufig große Kunststoff-Stücke und Plastiktüten. Die EU hat dem Plastik aber jetzt den Kampf angesagt. Sie setzt damit ein Statement zur Wegwerfgesellschaft. Ab 2021 greift ein Verbot in Form einer EU-weiten Richtlinie und eliminiert Kunststoffbesteck, -platten, -strohhalme, Wattestäbchen, Plastikballonstifte, bestimmte Lebensmittelbehälter und Becher. Doch das soll noch nicht genug sein: Bis 2029 sollen 90 Prozent der Kunststoffflaschen gesammelt werden und Flaschen bis zu 30 Prozent aus recyceltem Material bestehen. Ein umfangreiches Umkrempeln der mächtigen Kunststoffbranche steht bevor. 

Bio-Plastik und kompostierbare Kunststoffe

Ist Bio-Plastik das Material der Zukunft? Sogenannte „kompostierbare“ Verpackungen versprechen biologisch abbaubar zu sein. Die gute Nachricht: Dies ist kein leeres Versprechen, tatsächlich zersetzen sich die Kunststoffe mit der Zeit. Doch was von den Herstellern meist verschwiegen wird: Sie bauen sich nur unter optimalen Bedingungen vollständig ab, z.B. bei einer ganz bestimmten Temperatur und nach einem genau definierten Zeitraum. Diese Voraussetzungen bietet keine der Kompostierungsanlagen in Deutschland. Hinzu kommt die Ernüchterung, dass derzeitige Erkennungsmaschinen gar nicht zwischen herkömmlichem und Bio-Plastik unterscheiden können. Meistens wird es sogar als Störfaktor herausgefiltert. Außerhalb spezieller Kompostierungsanlagen bauen sich die Bio-Kunststoffe schon gar nicht ab, weswegen man bei dem Konzept eher von  Greenwashing sprechen kann.

Wer sich jetzt fragt, wie es denn um das Recycling von Bio-Plastik steht, erfährt die nächste Enttäuschung. Die biologisch instabilen Materialien bilden nur einen geringen Anteil am Gesamtplastik. Außerdem wirken sie sich negativ auf die Qualität von Recycling-Produkten aus. Von einer echten Alternative kann man also nicht sprechen, es sei denn, es käme zu einer drastischen Veränderung der Entsorgungsinfrastruktur in Deutschland. Außerdem müsste die Ökobilanz des Bio-Plastiks verbessert werden, da die Herstellung noch mit einem hohen Energieverbrauch zu kämpfen hat. Wichtig ist es auch, die auf Erdöl basierenden Stoffe, die oftmals beigemischt werden, aus der Produktionskette auszuschließen. 

Plastik aus Hanf

Die Rede ist hier von einer der ältesten Nutzpflanzen der Menschheitsgeschichte. Die Cannabis-Sativa-Pflanze liefert wertvolle Zellulose – ein Bestandteil der Zellwände. Nicht nur Papier kann daraus hergestellt werden, auch Kunststoffe: zum Beispiel Cellophan (Zellglas), das Baumwoll-Substitut Viskose und Zelluloid (Zellhorn). Diese Materialien sind eigentlich biologisch kompostierbar. Oftmals wird bei Cellophan aber eine Beschichtung zugeführt, dann ist eine Kompostierung nicht mehr möglich. Ein weiterer Kritikpunkt sind die relativ hohen Herstellungskosten. Aus diesen Gründen wird Cellophan nur noch von wenigen Betrieben produziert. Auch Viskose lässt sich durch die Zugabe chemischer Stoffe im Nachhinein nicht mehr als Naturprodukt bezeichnen. Das Problem mit dem Zelluloid hingegen ist, dass es mit dem Älterwerden wahrlich als Sprengstoff fungieren kann. Es wird mit den Jahren nämlich stark entzündlich und stellt somit eine Gefahr dar. 

Hinzukommt, dass die Rechtslage den landwirtschaftlichen Anbau von Nutzhanf in Deutschland stark beschränkt. Die Ansätze der genannten Alternativen besitzen zwar im Kern durchaus Potenzial, aber die Produktionsprozesse weisen definitiv noch zu viele Mängel auf, um von einer umweltfreundlichen Plastik-Alternative sprechen zu können. Dabei wäre Hanf ein billiger, anspruchsloser und nachhaltiger Rohstoff.

Flüssiges Holz – Die Innovation aus Deutschland

Das während des Baumwachstums in den Holzzellen eingelagerte Lignin ist das Wundermittel, von welchen hier die Rede ist. Da es als Nebenprodukt der Papierherstellung anfällt, steht einem Nachhaltigkeitssiegel eigentlich nichts im Wege, oder etwa doch? Unter dem Namen ARBOFORM® wird es hierzulande produziert. Da es leicht verformbar ist, kann es vielseitig Anwendung finden. Einige Alltagsgegenstände wie Lautsprecher oder High-Heels enthalten es schon heute. Die Kompostierung setzt sogar nur so viel Kohlenstoffdioxid frei, wie der Baum in seinem Wachstum aufgenommen hat. Doch gerade vom Naturschutzbund BUND kommen Einwände, denn wenn das Produkt in Massenproduktion ginge, so bestünde die Gefahr, dass es den Baumbestand der Wälder gefährde. Ob dieses Szenario eintritt bleibt fragwürdig. 

Weitere Probleme von ARBOFORM® sind, dass es sich aufgrund seiner braunen Farbe schlecht einfärben lässt und noch dazu noch recht hart ist. Das Produkt mag zwar nicht ohne Nachteile sein, aber sein verborgenes Potenzial ist groß. 

Zucker-Kunststoff

Die Niederlande können stolz sein, das Experiment zu wagen, seit 2018 in einigen Supermärkten ein kompostierbares Plastik-Substitut anzubieten, das aus Milchsäure und Zucker besteht. Zahlreiche Lebensmittel werden so frischgehalten. Deutschland hat das Produkt allerdings noch nicht eingeführt, weil die Verfallsdauer von bis zu zwölf Wochen unsere Entsorgungs-Infrastruktur überfordert.

Was ersetzt Plastiktüten, Frischhaltefolie und Co.?

Plastiktüten haben zurzeit einen schlechten Ruf. Die Bemühungen vieler Supermärkte, auf Papiertüten umzusteigen, sind aber auch nicht immer lobenswert. Da sie reißfest gemacht werden müssen, werden auch diesen allerhand Chemikalien beigemischt und außen Beschichtungen angebracht, welche die Kompostierbarkeit stark einschränken. Tüten aus recyceltem Material sind die beste Lösung. Wer also umweltbewusst einkaufen gehen möchte, sollte sich über die Bestandteile der Tüte informieren.

Alufolie und Frischhaltefolie können ganz einfach durch Bienenwachstücher ersetzt werden. Einfache Schraubgläser eignen sich genauso hervorragend zum Frischhalten von Lebensmitteln, sofern man sie mehrmals verwendet. Und wer auf Bambus-Trinkbecher zurückgreift, sollte vorher checken, zu wieviel Prozent der besagte Rohstoff auch tatsächlich darin enthalten ist, denn die tatsächliche Bambus-Menge ist oftmals verschwindend gering. Der Rest ist dann auch wieder Plastik. Sicher ist, wer Sachen mehrmals verwendet, tut der Umwelt etwas Gutes. Da kann man auch guten Gewissens mal zur Plastiktüte greifen und diese solange benutzen, wie es nur geht.
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