Jedes Mal, wenn wir im Badezimmer ein Deospray benutzen, setzen wir unseren Körper einem Stoff aus, der im Gehirn wie eine Droge wirkt. Bei Jugendlichen kann das Deo so zur typischen Einstiegsdroge werden.
Drei, vier, fünf – Fabian zählt die Sekunden, während er auf den Knopf des Deosprays drückt. Der 15-Jährige sprüht direkt in eine Mülltüte, die er sich über den Kopf gezogen hat. Dann hört Fabian auf zu zählen und atmet tief ein. Statt Sauerstoff flutet jetzt Butangas seine Lunge und sein Gehirn. Der Schüler steht allein in seinem Zimmer, als der Rausch einsetzt: Halluzinationen, Euphorie, Adrenalinschübe – kaum eine andere Droge wirkt schneller. Diesmal jedoch hat Fabian den Knopf des Deosprays zu lange gedrückt. Als Fabians Vater das Zimmer betritt, liegt sein Sohn leblos auf dem Boden. Der Vater reißt ihm die Tüte vom Kopf. Die Lippen des 15-Jährigen sind blau angelaufen, sein Blick geht ins Leere. Der Notarzt kann nur noch den Tod des Jungen feststellen. Die Diagnose: Sudden Sniffing Death Syndrom (SSDS) – durch eine Überdosis Deospray …
Was kaum jemand weiß: Jedes Mal, wenn wir im Badezimmer ein Deospray benutzen, setzen wir unseren Körper einem Stoff aus, der im Gehirn wie eine Droge wirkt. Denn selbst bei regelgerechter Anwendung inhaliert man das Butan bzw. Propangas des Deos, wenn auch bei Weitem nicht in so konzentrierter Form wie Fabian. Es ist also nur die niedrige Dosierung, die uns vor gesundheitsschädigenden Folgen und vor einem drogenähnlichen Rauschzustand schützt. Doch genau den wollen Teenager erleben – manche schnüffeln daher regelmäßig an den Dosen. „In der Altersklasse ist das eine typische Einstiegsdroge. Deodorants und Sprühflaschen sind überall verfügbar. Sie kosten wenig, und der Kauf ist legal“, erklärt Dr. Uwe Stedtler, der stellvertretende Leiter der Vergiftungs-Informations-Zentrale am Universitätsklinikum Freiburg. Und das gilt nicht nur für Deos: Nagellackentferner und Reinigungsmittel werden als Ecstasy-Ersatz genutzt, Muskatnüsse und Hustensaft als legale Rauschmittel.
Aufklärung notwendig
Was sie alle gemeinsam haben: Ihre Wirkstoffe funktionieren in unserem Körper genau wie die harten Drogen (Kokain, Heroin etc.): Sie überwinden die sogenannte Blut-Hirn-Schranke, eine Art Firewall im Kopf. Normalerweise schützt diese Barriere unser Denkorgan vor Fremdstoffen. Im Gehirn angekommen, manipulieren die Stoffe unsere Nervennetzwerke – und somit unsere Wahrnehmung und unser Verhalten. „Das Problem ist, dass in Drogen-Foren oft nur beschrieben wird, wo man die Stoffe bekommt und wie toll sie wirken. Eine Erklärung, warum die Stoffe gefährlich sind, erhalten die Jugendlichen aber fast nie im Internet“, warnt Dr. Uwe Stedtler.
Aufklärung ist zwingend notwendig – allerdings bleibt den Wissenschaftlern in Zeiten des Internets kaum Zeit dafür. Wer jetzt jedoch denkt, dass er ein „cleanes“ Leben führt, weil er weder Deos noch Nagellackentferner oder Hustensaft als Rauschmittel missbraucht, der irrt gewaltig. Tatsächlich nimmt fast jeder Mensch täglich Drogen zu sich – ohne es zu wissen. Denn auch in unserer Nahrung sind Stoffe versteckt, die unsere Blut-Hirn-Schranke austricksen. So ist inzwischen klar: Ganz gleich, ob Zucker, Salz oder Zusatzstoffe in unserem Essen – sie alle manipulieren exakt jene Sucht- und Belohnungszentren in unserem Gehirn, die auch von harten Drogen aktiviert werden. Das Ergebnis ist eine negative Konditionierung. Je mehr wir beispielsweise von salzigen Lebensmitteln essen, umso schwächer spüren wir den Belohnungseffekt.
Der Körper verliert schließlich das Maß für die richtige Kochsalzmenge. Folge: „Wer über Monate hinweg zu viel Salz zu sich nimmt, lässt seinen Körper austrocknen und erhöht gleichzeitig den Blutdruck. Dadurch steigt das Risiko eines Herzinfarkts um ein Vielfaches“, erklärt der Herzspezialist Prof. Dr. Heiner Greten. Fazit: Die mit Abstand meistkonsumierten Drogen der Welt sind weder illegal noch besonders teuer. Denn nicht nur illegale Substanzen machen uns abhängig oder verursachen einen Rauschzustand, sondern die Art und Dauer der Anwendung sowie die Dosis bestimmter, völlig legaler Stoffe. Die Galerie Drogen, die ich nehme, ohne es zu wissen gibt einen Überblick, welche Stoffe welche Wirkungsweisen im Körper haben – und was das für unsere Gesundheit bedeutet …