General Leslie Groves, militärischer Leiter des Projekts, hat gerade einen Anruf von US-Präsident Roosevelt erhalten. Die Ansage ist eindeutig. Das Land, welches der nukleare Erstschlag treffen soll, steht fest: Groves soll die nötigen Vorkehrungen treffen, um die Atombombe über Deutschland abzuwerfen. Nur über den genauen Zielort ist man sich im US-Verteidigungsministerium noch uneins. Vor- und Nachteile werden abgewogen.
Die einen plädieren für das Industriezentrum Mannheim/Ludwigshafen, um die deutsche Wirtschaft entscheidend zu schwächen. Andere Kreise schlagen aufgrund der symbolischen Wirkung die Hauptstadt Berlin vor. Das Schreckensszenario lässt sich leicht ausmalen: Hunderttausende Menschen wären auf der Stelle tot, weite Teile Deutschlands wären radioaktiv verseucht und über Jahrzehnte hinweg womöglich unbewohnbar gewesen.
Bisher kam es erst zwei Mal zum Kriegseinsatz von Nuklearwaffen – beide trafen japanische Städte und führten zur Kapitulation des Landes im August 1945. Doch ursprünglich standen deutsche Städte auf der Zielliste für den ersten US-Atombombeneinsatz...
Atomare Wüste Nagasaki: Die Stadt wurde am 9. August 1945 von der zweiten Atombombe der USA getroffen. Zum ersten Einsatz von Nuklearwaffen kam es bereits drei Tage zuvor ...
... er richtete sich gegen die Stadt Hiroshima. Einzig die Industrie- und Handelskammer der Stadt (Foto) überstand die Nuklearexplosion am 6. August 1945, wenn auch mit großen Zerstörungen. Sie gilt bis heute als Mahnmal gegen den Einsatz von Atombomben.
Der Atompilz nach dem Abwurf der Bombe „Fat Man“ über Nagasaki. Bei ihren Atomangriffen auf Japan testeten die USA damals zwei verschiedene Bombentypen...
... während über Nagasaki eine Bombe mit Plutoniumkern zum Einsatz kam - der „Fat Man“ – wurde drei Tage zuvor über Hiroshima ein anderer Bombentyp abgeworfen.
Dieser basierte auf einem Kern aus Uran und trug den Namen „Little Boy“.
Sie warfen die erste Atombombe auf Hiroshima ab: Die Besatzung des Atombombers „Enola Gay“.
Ab dem Jahr 1942 hatten die USA sämtliche Bemühungen um die Entwicklung der Atombombe in dem so genannten Manhattan Projekt gebündelt. Auch der bekannte Forscher Enrico Fermi gehörte zu den Mitarbeitern.
Da die USA wussten, dass auch Nazi-Deutschland an der Atombombe forscht, wendeten sie enorme Mittel auf, um die Entwicklung ihrer Atombombe voranzutreiben. Am 16. Juli 1945 war es dann soweit, in der Wüste von New Mexico fand die erste Atomexplosion in der Geschichte der Menschheit statt: Codename Trinity (Dreifaltigkeit).
Da Deutschland zu diesem Zeitpunkt bereits kapituliert hatte, wurden die ursprünglichen Pläne zum Einsatz der ersten Atombomben geändert – statt des Nazireichs sollte der verantwortliche General Leslie R. Groves (Bild: rechts) nun Japan bombardieren.
Zuvor war zum einen die damalige Reichshauptstadt Berlin als Ziel für einen Atomangriff im Gespräch, ...
... zum anderen das Industriezentrum Mannheim-Ludwigshafen. Allein das vorzeitige Ende des Krieges in Europa verhinderte den Atombombenabwurf auf Deutschland.
Japan statt Deutschland
Zum selben Zeitpunkt auf der anderen Seite des Atlantik ahnt in Deutschland jedoch niemand, in welcher akuten Gefahr das Land schwebt. Und bis heute ist nur wenigen bewusst, wie knapp Deutschland der apokalyptischen Katastrophe entging. Denn dass letztlich keiner der Pläne in die Tat umgesetzt wird, hat nur zwei Gründe: Zum einen dauerte die Entwicklung der US-Atombombe länger als geplant, zum anderen hatte Nazi-Deutschland bereits kapituliert, als im Juli 1945 der erste Atombombentest gelingt. Nur Glück und Timing verhinderten somit ein deutsches Hiroshima. Hätte Deutschland drei Monate später kapituliert, wären die Atombomben wohl hier niedergegangen.
Im Juli 1945 verschiebt sich der Fokus schließlich auf Japan als US-Staatsfeind Nummer 1. Hiroshima und Nagasaki werden als neue Zielorte ausgewählt. Statt Mannheim oder Berlin gehen die Namen dieser Städte in die Geschichtsbücher ein – am 6. und am 9. August 1945 werden dort zwei Atombomben abgeworfen.