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Es ist eine Zahl, die selbst Psychologen aufhorchen lässt: 214-mal holen wir im Schnitt jeden Tag unser Handy aus der Tasche und schauen auf das Display. In den meisten Fällen nicht, weil wir eine Nachricht erhalten haben oder im Internet etwas nachsehen wollen, sondern weil unser Gehirn uns den Befehl dazu gibt.
Tägliche Routine als Energiesparmodus für das Gehirn
Das Gehirn gibt Millionen Menschen den Befehl, jeden Morgen einen Kaffee zu trinken, nach dem Essen eine Zigarette zu rauchen, abends ein Glas Wein zu trinken und mehr. Und das, obwohl wir wissen, dass all das gesundheitsschädlich ist. Wir nennen diese wiederkehrenden Verhaltensweisen schlechte Gewohnheiten – unser Gehirn liebt sie jedoch wie kaum etwas anderes.
Der Grund: Automatismen sparen Energie. Tatsächlich fanden Forscher heraus, dass die Areale, die für komplexe Denkprozesse und Entscheidungen verantwortlich sind, im Routinemodus ihren Dienst einstellen. Im Umkehrschluss bedeutet das: Wer seine Gewohnheiten ändern will, steht vor einer der größten Herausforderungen überhaupt: Denn er muss sein Neuronennetzwerk und das gesamte Motivationssystem des Gehirns umprogrammieren.
„Zwischen 30 und 50 Prozent unseres täglichen Handelns werden durch Gewohnheiten bestimmt“, sagt Bas Verplanken, Professor für Sozialpsychologie an der University of Bath.
Warum fällt es uns so schwer, schlechte Gewohnheiten aufzugeben?
20 Mal pro Stunde auf das Smartphone schauen, fünf Tassen Kaffee am Tag trinken, beim Fernsehen an den Fingernägeln kauen: Jeder Mensch entwickelt im Laufe seines Lebens schlechte Angewohnheiten. Schuld daran ist unser egoistisches Gehirn. „Die Konfrontation mit Neuem und Kompliziertem erfordert Bewusstsein, Aufmerksamkeit und Konzentration – deshalb strebt das Gehirn danach, alles zu routinisieren“, erklärt Gerhard Roth von der Universität Bremen.
Der Professor am Institut für Hirnforschung beschäftigt sich seit Jahren mit der Frage, warum man sich so schwer dazu motivieren kann, schlechte Gewohnheiten aufzugeben. „Gewohnheiten sind sowohl stoffwechselbiologisch als auch neuronal billig. Veränderungen von Strukturen und Funktionen im Bereich des Fühlens, Denkens und Handelns sind stoffwechselphysiologisch dagegen aufwendig und teuer“, schreibt er in seinem Buch „Coaching, Beratung und Gehirn“.
Schlechte Gewohnheiten loswerden
Schlechte Gewohnheiten ablegen, gespeicherte Verhaltenspfade verlassen – aus den Erkenntnissen der Neurobiologie weiß man: Es dauert mindestens 21 Tage, bis die alten Motivationsmuster im Gehirn gelöscht sind. Also quasi das biochemische Update abgeschlossen und das alte Programm überschrieben ist. Am effektivsten funktioniert dieser Prozess, wenn man sich an folgende drei Grundregeln hält:
1. Seien Sie auf Angriffe vorbereitet
Die Psychologin Gabriele Oettingen stellte eine Erfolgsformel zur Selbstmotivation auf. Die Bezeichnung WOOP steht für „Wish-outcome-obstacle-plan“. Das bedeutet: Wer seine schlechte Gewohnheit abstellen will, sollte auf Verlockungen, Hindernisse und Stolpersteine (obstacles) vorbereitet sein. So kann man sich bereits im Vorfeld einen Plan zurechtlegen, wie man auf die Gefahren reagiert.
2. Wechseln Sie das Setting
„Gewohnheiten werden immer von Reizen aus der Umwelt angestoßen“, sagt Bas Verplanken von der University of Bath. „Und um es noch schwieriger zu machen: Meist ist es nicht nur ein Reiz, sondern ein ganzer Kontext, in der die Gewohnheit eingebettet ist.“
Das bedeutet: Viele alltägliche Handlungen wiederholen wir meist in einem ganz bestimmten Setting: an einem speziellen Ort, zu einer gewohnten Zeit, in gewissen Stimmungslagen oder mit ausgewählten Menschen. Genau dieses Setting sollte man wechseln. So fand die Psychologin Wendy Wood beispielsweise heraus, dass Raucher, die ihr Laster aufgeben wollten, doppelt so erfolgreich waren, wenn sie im Urlaub damit anfingen.
3. Suchen Sie eine Ersatz-Routine
Ein effektiver Weg für die Umprogrammierung ist es, ein neues Routineprogramm im Gehirn zu installieren. Also, eine schlechte Angewohnheit durch eine gute zu ersetzen. So kann man beispielsweise die Zigarette nach dem Essen durch einen Apfel ersetzen. Hat man es geschafft, einen neuen Anreiz im Motivationsmuster des Gehirns zu etablieren, wird die Gewohnheit buchstäblich zum Selbstläufer.
So wie bei Jan Frodeno, dessen Routine ihn fast schon unbewusst jeden Tag zum Sport gehen lässt. Damit er, wenn es darauf ankommt, topmotivert in den Wettkampf gehen – und seinen inneren Schweinehund überwinden kann. Routine eben …