Die Erde ist eine Scheibe
Die Wikinger fürchteten den Nebel auf hoher See. Sie hatten Angst, aus Versehen über den Rand der Welt hinaus zu segeln – und in einen tiefen Abgrund zu stürzen. Das 308 Meter hohe Felsplateau des Nordkaps ist häufig von dichten Nebeln umhüllt. Steil ragt es aus dem Eismeer heraus, nur 2100 Kilometer ist es vom Nordpol entfernt.
Nordkap
Etwa 200.000 Besucher reisen jedes Jahr nach Nordnorwegen, um ein Andenkenfoto an dem stählernen Globus auf der Plattform des Nordkaps zu schießen. Und ja, es ist schon ein erhebendes Gefühl, hier bei der geografischen Lage 71° 20‘ 16,5‘‘ zu stehen und auf das eisige Nordmeer zu blicken. Irgendwo hinter dem Horizont kommt nur noch das ewige Eis.
Nabel der Welt
Für uns Europäer scheinbar unendlich weit entfernt, nennen die Einwohner der Osterinsel ihre Heimat „Te Pito O Te Henua“, was so viel bedeutet wie Nabel der Welt. Das zeigt: Das Ende der Welt ist abhängig vom Standpunkt des Betrachters. Die Moai, wie die rätselhaften und kolossalen Steinstatuen der Osterinsel genannt werden, blicken auf das Meer hinaus und wachen über ihren Flecken Erde.
Sitz der Götter
Isoliert im südöstlichen Pazifik gelegen, tausende Kilometer vom Festland oder der nächsten Insel entfernt, ist die Osterinsel Sehnsuchts- und Sagenort zugleich. Sitz der Götter? Ende der Welt? Weil Inseln so schwer erreichbar sind, erscheinen sie wie geschaffen als Projektionsflächen für Legenden und Mythen.
Der hellste Leuchtturm Europas
Jahrhundertelang galt das Cabo de São Vicente für europäische Seefahrer als das Ende der Welt. Die südwestliche Spitze des europäischen Festlands endet mit einer felsigen, bis zu 70 Meter hohen Steilküste im Atlantik. Bis zum Sonnenuntergang erstreckt sich der Ozean. Der Leuchtturm des portugiesischen Kaps gilt als der lichtstärkste Leuchtturm Europas. Sein Lichtkegel ist noch fast 60 Kilometer von der Algarve-Küste zu sehen.
Steile Klippen
Auch das südafrikanische Kap der Guten Hoffnung war wegen seiner steilen Klippen seit jeher von Seefahrern und Entdeckern gefürchtet. Rings um die Steilküste erstreckt sich dicht unter der Wasseroberfläche eine Landschaft aus Fels, die vielen Schiffen zum Verhängnis wurde.
Seeweg nach Asien
Der Portugiese Bartolomeu Diaz entdeckte 1488 das Kap, auf der Suche nach einem Seeweg Richtung Asien. Er hielt es für den südlichsten Punkt Afrikas – doch geografisch gesehen liegt der am Kap Agulhas, nochmal 140 Kilometer weiter südlich der Landzunge.
Der Jakobsweg
Im Mittelalter war hier die Welt zu Ende – zumindest für die Pilger, die auf dem Jakobsweg unterwegs waren. Kap Finisterre liegt etwa 60 Kilometer entfernt von Santiago de Compostela, an der Atlantikküste Galiziens. „Finis terrae“, lateinisch für Ende der Erde: Bis Christoph Kolumbus 1492 nach Amerika gelangte, war hier aus europäischer Sicht das westliche Ende der Zivilisation.
Pilgern über dem Atlantik
Noch heute setzen viele Jakobspilger ihre Wanderschaft fort bis zum Kap Finisterre und beenden die lange Reise mit einem Blick über die Weiten des Atlantiks. Doch um tatsächlich zum westlichsten Punkt Europas zu gelangen, muss man noch weiterreisen nach Portugal …
Cabo da Roca
… hier, am Cabo da Roca, 40 Kilometer von der portugiesischen Hauptstadt Lissabon entfernt, ist der westlichste Punkt des europäischen Festlands erreicht.
140m hohe Felsen
Der Leuchtturm des Cabo da Roca wacht über die 140 Meter hohen Felsen, in denen Wander- und Turmfalken nisten. Die Hänge sind dicht mit der so genannten Mittagsblume bewachsen – ein wahrhaft idyllisches Ende der Welt.
Robinson Crusoe
Auch die Juan-Fernández-Inseln verdienen die Bezeichnung Ende der Welt. Der Archipel gehört zu Chile und liegt zwischen 600 und 747 Kilometer vom Festland entfernt im Pazifik. Ihre Hauptinsel, die Robinson-Crusoe-Insel (Bild), gelangte durch den Roman von Daniel Defoe zu Weltruhm. Der „echte“ Robinson namens Alexander Selkirk verbrachte hier die Jahre 1704 bis 1709, weil er sich nach einem Streit mit seinem Kapitän auf der Südseeinsel aussetzen ließ. Der Kampf zwischen Mensch und Natur, irgendwo im Nirgendwo, am sprichwörtlichen Ende der Welt.
Die Kanaren
Auch auf der kanarischen Insel El Hierro vermutete man lange Zeit das Ende der Welt. Schon in der Antike waren die Kanaren mutmaßlich ein Begriff für das Entfernte, Entrückte und Paradiesische.
Der Nullmeridian
Um 150 nach Christus legte der Astronom Claudius Ptolemäus den Nullmeridian – oder „Meridian von Ferro“ – fest, der nach seiner Theorie durch die Kanaren verlief. Später wurde diese Annahme noch präzisiert, so dass der Meridian auf vielen Landkarten des 16. bis 19. Jahrhunderts durch El Hierro verläuft. Erst 1884 wurde der Meridian von Greenwich als zentraler Längengrad festgelegt. Das Bild zeigt die Skulptur im Greenwich Park, London, die den Nullmeridian markiert.
Das Tal in Engelberg
In der Schweiz finden sich gleich zwei „Enden der Welt“: Sowohl eine Ebene in Magglingen im bernischen Seenland trägt diesen bildhaften Namen, als auch ein Tal in Engelberg (Bild) in der Zentralschweiz. Das Tal endet mit einer senkrecht abfallenden Felswand. Also besser nicht über das Ende der Welt hinauswandern: Absturzgefahr!
Norwegisches Leuchtfeuer
Das norwegische Ende der Welt oder „Verdens Ende“ liegt im Oslofjord: Die Südspitze der Insel Tjøme bekam ihren Namen von Sommergästen, die Anfang des 20. Jahrhunderts hier Urlaub machten. Tatsächlich gibt es hier nicht viel, außer Wasser, Fels und einem historischen Leuchtfeuer.
britischer Militärstützpunkt
Der südlichste Punkt des asiatischen Festlands ist über eine Hängebrücke mit Singapur verbunden. Auch per Seilbahn kann die kleine Insel Sentosa erreicht werden. Einst ein britischer Militärstützpunkt, ist sie heute Vergnügunspark und Naherholungsgebiet.
Insel des Todes
Von ihren malaiischen Einwohnern wurde Sentosa auch „Insel des Todes“ genannt. Das passt auch zu dem Ort, der in China als Ende der Welt gilt: An einem Strand an der Südküste Hainans wurden vor rund 1000 Jahren Staatsdiener verbannt, die in Ungnade gefallen waren.
Das versunkene Land
Land’s End, auf der südenglischen Halbinsel Cornwall: Hier, am westlichsten Punkt Englands, meinten die Römer, am Ende der Welt angelangt zu sein. Der Longship Leuchtturm steht zwei Kilometer entfernt, auf einer vorgelagerten Insel. Zwischen Land’s End und den 45 Kilometer entfernten Scilly-Inseln soll der Legende nach das versunkene Land Lyonesse gelegen haben. Am Meeresboden rings um die Felsklippen befindet sich ein wahrer Schiffsfriedhof, der Taucher magisch anzieht.
Schiffsfriedhof
Das Kap Hoorn ist das wohl gefährlichste Ende der Welt: Hier, am südlichsten Ende Südamerikas, treffen der Atlantische und der Pazifische Ozean aufeinander. Ein 400 Meter hoher Fels ragt steil ins Meer. Die Umrundung des Kaps zählt wegen ihrer schwierigen Strömungs- und Wetterverhältnisse zu den am meisten gefürchtetsten Schifffahrtsrouten. Stürme, Eisberge, riesige Wellen und schlechte Sicht sorgte dafür, dass in der See vor Kap Hoorn der wohl größte Schiffsfriedhof der Welt liegt …
Tausende tote Seemänner
… Hunderte Schiffe sanken hier im Lauf der Jahrhunderte, Tausende Seemänner verloren ihre Leben, bei den schwierigen natürlichen Gegebenheiten hilft auch ein Leuchtturm nicht viel.
Feuerland
Feuerland, das südliche Ende Südamerikas, hat tatsächlich viel vom Ende der Welt – oder „fin del mundo“, wie es auf Spanisch heißt. In der Stadt Ushuaia befindet sich auch ein Museum, das vom Leben am Rand der Zivilisation erzählt.
Auf ins All
Die Welt ist entdeckt. Hinter den geografischen Punkten, die früher als ihre Enden galten, tauchte irgendwann immer wieder neues Land am Horizont auf. Immer wieder brachen Entdecker auf zu neuen Ufern und überwanden Grenzen, die als unüberwindbar galten. Am 24. Juli 1950 startete die erste Rakete vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral in Florida. Wissenschaftler suchen ständig nach neuen Erkenntnissen über das Universum, vielleicht findet sich auch eine zweite Erde. Die Welt scheint uns nicht genug.
Heute fahren wir im Tauchboot hinab zu den tiefsten Tiefen der Ozeane oder per Raumschiff hinauf in die Weiten des Weltalls. Wer heutzutage kundtut, er befände sich am „Ende der Welt“, meint damit meist einen Punkt irgendwo im Nirgendwo, fernab der Zivilisation.
Die Vorstellung, bis an die Enden der Welt und darüber hinaus zu reisen, verspricht Spannung, Abenteuer und Entdeckungen. Und weil es heute einfacher ist als je zuvor, selbst dorthin zu gelangen, wo sich früher nur wagemutige Pioniere hintrauten, haben wir uns an den spannendsten geografischen Endpunkten umgesehen.
Eines wird schnell klar: Hinter jedem erreichten Ziel taucht bald schon das nächste auf, und die Reise geht immer weiter.