Seit Jahren gibt es nur noch Genmais in den Regalen der Supermärkte. In den Kühltruhen sind Chlorhähnchen für 99 Cent die Verkaufsschlager. Die Märkte sind im Besitz ausländischer Investoren, genauso wie 90 Prozent aller Immobilien in Deutschland. Die Überwachung öffentlicher Plätze wurde massiv ausgeweitet, der Atomausstieg zurückgenommen. Was klingt wie eine dunkle Zukunftsutopie, könnte bereits in wenigen Jahren Realität sein. Tatsächlich wollen die EU und die USA im Jahr 2016 einen Vertrag beschließen, der für jeden Einzelnen von uns spürbare Konsequenzen hätte.
Der Name des Abkommens: TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership). Offiziell soll es den Handel vereinfachen und produktionstechnische Standards auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Das gilt aber nicht nur für Produkte. Gegner von TTIP befürchten vor allem die Aufweichung von Gesetzen und Normen. Schon heute bestimmen nicht nur Politiker die Gesetze, sondern auch Lobbyisten und Vertreter der Europäischen Union. Nach TTIP werden auch US-Konzerne ein Mitspracherecht bei deutschen Gesetzen haben.
Die Folgen von freiem Handel
Details davon dringen aber nicht an die Öffentlichkeit, die Verhandlungen sind geheim. Trotzdem könnte nach dem Inkrafttreten von TTIP beispielsweise ein Giftmüllentsorger aus den USA Deutschland vor geheimen Schiedsgerichten auf Millionen US-Dollar verklagen, weil dem Entsorger eine Deponie für hochgefährlichen Giftmüll in der Nähe von Köln verweigert wurde. Ein übertriebenes Szenario?
Nein, denn genau das passierte in Mexiko, nachdem das Nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta 1994 zwischen den USA, Mexiko und Kanada in Kraft getreten ist. Mexiko musste im Jahr 1997 16,7 Millionen US-Dollar an die Giftmüll-Firma Metalclad zahlen – die Deponie entstand trotzdem. Doch das war nicht alles. Rund eine Million US-Amerikaner verloren durch Nafta ihre Jobs, weil billiger in Mexiko produziert werden konnte. Die Mexikaner hatten aber auch nichts davon, weil die Löhne so gering waren, dass sie damit kaum ihren Lebensunterhalt finanzieren konnten. Wie lässt sich das auf TTIP übertragen? „Wir rechnen damit, dass circa 600.000 Jobs in der EU verloren gingen – mehr als 130.000 davon allein in Deutschland“, sagt der US-Wirtschaftswissenschaftler Jeronim Capaldo.