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ASMR: Ein Mann flüstert in ein Mikrofon

Foto: Envato / twenty20photos

ASMR: Wie kommt es zur Entspannung per Flüster-Video?

ASMR bedeutet, dass ein Geräusch beruhigt und ein wohliges Gefühl verschafft. Manche berichten sogar von Trance-Zuständen oder einem Kribbeln im Kopf. Was es mit dem Trend um beruhigende Klänge aus dem Netz auf sich hat.

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Gängige Auslöser für Menschen, die für ASMR empfänglich sind, reichen von freundlichem Flüstern über Essgeräusche bis hin zu Papierrascheln. Doch wie entsteht dieses Phänomen? Und wie kommt es zu dem wohligen Kribbeln im Kopf, von dem viele Menschen berichten?

ASMR in Zahlen und Fakten

  • Es ist unklar, wie viele Menschen zum Empfinden von ASMR fähig sind. Die Ergebnisse diverser Schätzungen reichen von 20 Prozent bis 70 Prozent aller Menschen.
  • Das Phänomen bekam erst 2010 einen Namen. Dieser wurde ihm von der US-amerikanischen Informatikerin Jennifer Allen verliehen.
  • Schätzungen zufolge spezialisieren sich über 500.000 YouTube-Kanäle auf ASMR-Videos.
  • Das populärste ASMR-Video hat aktuell fast 500 Millionen Klicks.
  • Manche Menschen sind für ASMR nicht empfänglich – die Ursache dafür könnte genetisch sein.

Schüttet das Gehirn bei ASMR Glückshormone aus?

Eine Theorie bringt die positive Reaktion auf bestimmte Geräusche mit dem Hormon Oxytocin in Verbindung. Es wird unter anderem ausgeschüttet, wenn wir uns wohlfühlen. Oxytocin macht aber nicht nur glücklich: Es gilt auch als Beziehungs- und Bindungshormon, das soziale Verbindungen festigt. Oxytocin bildet der Körper im Zwischenhirn. Es wird anschließend von der Hirnanhangsdrüse ausgeschüttet.

Kribbeln im Kopf: Einige Menschen erleben ASMR sehr intensiv

Manche Menschen sind so empfänglich für ASMR-Reize, dass sie bei ihnen nicht nur ein Entspannungsgefühl auslösen. Zudem stellt sich bei ihnen ein wohliges Kribbeln ein. Dieses beginnt im Scheitelbereich am Kopf und kann sich über den Hals bis in die Gliedmaßen ausbreiten.

Dieses Kribbelgefühl tritt in Wellen auf. Besonders Empfängliche beschreiben die Wirkung von ASMR als einen tranceartigen Zustand, der von Gefühlen der Euphorie und Entspannung begleitet wird. Deshalb wird ASMR auch gelegentlich Gehirnorgasmus genannt.

Dafür steht die Abkürzung ASMR

Der Begriff selbst steht für Autonomous Sensory Meridian Response, auf Deutsch autonome sensorische Meridianreaktion.

  • Autonom, weil der Effekt ohne unser Zutun eintreten kann.
  • Sensorisch, weil das Phänomen unsere Sinne betrifft.
  • Meridiane sind ein Phänomen der traditionellen chinesischen Medizin. Hier spricht man von Bahnen, welche die Lebensenergie durch den Körper transportieren.

Der Begriff ASMR kommt nicht etwa aus der Wissenschaft. Vielmehr wurde er im Jahr 2010 von der US-amerikanischen Informatikerin Jennifer Allen geprägt. Allen selbst spürte das wohlige Kribbeln bei Reizen, die sie besonders angenehm fand. Allen recherchierte im Internet – und stellte fest, dass es für dieses Phänomen scheinbar keinen Namen gab. Sie erstellte eine Facebook-Gruppe zum Thema. Es stellte sich schnell heraus, dass Allen mit ihren Erfahrungen nicht allein war.

ASMR wurde zum YouTube-Hype

Seit 2012 hat sich ASMR zu einem Trendthema entwickelt und ist mittlerweile der am dritthäufigsten gesuchte Begriff auf YouTube. Das meistgeklickte Video mit dem Thema ASMR hat 485 Millionen Aufrufe (Stand: April 2024). Das zehnminütige Video zeigt eine Südkoreanerin beim Verspeisen bunter Süßigkeiten. Darunter befinden sich über 76.000 Kommentare in praktisch allen Sprachen. Sie betonen die entspannende Wirkung des Videos.

ASMR-Videos als Lebensunterhalt

ASMR scheint sich generell für lukrative YouTube-Videos zu eignen. Das Thema trifft den Nerv zahlreicher Internetnutzer und -nutzrinnen auf der Suche nach Entspannung. Die meisten ASMR-Videos benötigen zudem keine Übersetzung. Die erzeugten Geräusche stimulieren ASMR-Empfängliche auf der gesamten Welt und sorgen damit teils für Millionen Klicks, die hohe Werbeeinnahmen bringen können.

Medienberichten zufolge gibt es Mitglieder der ASMR-Szene auf YouTube, die mithilfe von Werbung und Sponsoring Millionenbeträge verdienen. Schätzungen zufolge gibt es mindestens 500.000 YouTube-Kanäle mit dem Schwerpunkt ASMR.

Trotz Hype: ASMR ist wissenschaftlich unzureichend erforscht

Dennoch gibt es bisher wenige wissenschaftliche Erkenntnisse über das wohlige Gehirnkribbeln. Aufgrund der hohen Zahl möglicher Auslöser für ASMR sind Studien sehr aufwendig. Weil das Phänomen noch recht neu ist, sind Fördergelder für wissenschaftliche Untersuchungen zudem sehr knapp. Eine der wenigen Studien untersuchte in Echtzeit die Hirnaktivitäten, wenn das Kopfkribbeln eintritt. Die sehr empfänglichen Probanden der Untersuchung sahen sich dafür ASMR-Videos in einem MRT-Gerät an. 

Das Ergebnis: ASMR stimuliert Hirnregionen, die Emotionen, Empathie und damit generell Gefühle der Verbundenheit mitgestalten. Hieraus entstand die Theorie, dass die erfolgreichen Flüster-Videos bei ASMR ein Gefühl der Verbundenheit und Intimität vermitteln. Gefühle also, die im modernen Internet-Zeitalter immer mehr Menschen vermissen.

Haben Menschen mit ASMR einen Hang zum Neurotischen?

In einer weiteren Studie wurden Probanden mit und ohne Empfänglichkeit für ASMR im Ruhezustand untersucht und verglichen. Es stellte sich heraus, dass Menschen mit ASMR-Empfänglichkeit stärker miteinander verwobene neuronale Netze im Gehirn haben.

Dies führte zu der Theorie, dass ASMR als Begleiterscheinung bei Menschen auftritt, die emotionale Reaktionen nur schlecht oder gar nicht unterdrücken können. In eine ähnliche Richtung wies eine Studie, die Persönlichkeitstypen von Menschen mit und ohne Fähigkeit zu ASMR verglich. Im Schnitt erwiesen sich die Probanden mit ASMR als stärker zu neurotischem Verhalten neigend.

Was verursacht das Kribbeln?

Zu den wenigen Forschenden rund um ASMR gehört Craig Richard, Professor an der Fakultät für biopharmazeutische Wissenschaften an der Shenandoah University in Virginia. Er sieht die Ursache für das Kribbelgefühl in einem Teil der Großhirnrinde: dem somatosensorischen Kortex. Er ist eine Art Körperkarte, die jeden Teil des Körpers repräsentiert.

Die Körperkarte im Gehirn

In dieser Gehirnregion gibt es zahlreiche Überschneidungen zwischen den Gehirnregionen. ASMR könnte zu einer Wechselwirkung zwischen dem auditorischen und dem somatosensorischen Kortex führen, so Richard. Die Informationen über die Klänge könnten zum somatosensorischen Kortex gelangen und dort bestimmte Teile des Körpers repräsentierende Regionen auslösen. So, als ob die zugehörigen Körperteile tatsächlich berührt würden.

Ein ASMR-Video mit einem YouTuber bei der Ohrenpflege könnte somit eine Reaktion im somatosensorischen Kortex für die Ohren auslösen. Und somit für das bekannte Kribbeln sorgen.

Der Grund für die Tatsache, dass nicht jeder das Kribbeln spürt, ist noch unzureichend erforscht, könnte gemäß Richard jedoch genetisch veranlagt sein.

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