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Angst vor Atomwaffen: Seit Ende des kalten Krieges ist dieses Gefühl mehr und mehr in Vergessenheit geraten. Bis jetzt: Mit Russlands Angriff auf das Nachbarland Ukraine am 24. Februar 2022 fühlen viele Europäer diese Bedrohung wieder.
Russland ist eine von fünf offiziellen Atommächten der Welt. Das bedeutet: Es ist bekannt, dass die Nation Atomwaffen besitzt. Dass diese tatsächlich eingesetzt werden, halten Expertinnen und Experten für unwahrscheinlich. Ein Nuklearwaffeneinsatz hätte eine globale Zerstörung zur Folge. Keine der Atommächte könnte von einem nahezu unbewohnbaren Planeten profitieren.
Dennoch: Das Szenario eines Atomwaffeneinsatzes scheint seit dem Angriffskrieg Putins auf die Ukraine greifbarer. Wie bedrohlich eine Atombombe für Deutschland tatsächlich wäre, hängt von verschiedenen Faktoren ab: Sprengkraft und Zielort sowie Wetter und Windrichtung. Eine Studie im Auftrag von Greenpeace zeigt, welche Folgen ein Atomangriff auf Deutschland hätte. Die Ergebnisse basieren auf Durchschnittswerten der Wetterbedingungen in ausgewählten Regionen Deutschlands.
Kann man einen Atombombenangriff überleben?
Die Überlebenschancen bei einer nuklearen Explosion sind im näheren Umfeld nur gering. Wie bei allen Detonationen steigt die Wahrscheinlichkeit mit der Entfernung. Allerdings verursachen Atombomben auch lange Zeit nach ihrem Einschlag und über weite Strecken großen Schaden.
Neben Druck und Hitze setzt eine Atombombenexplosion radioaktive Strahlung frei. Der Radius einer Atombombe variiert mit der Sprengkraft und damit auch der tödliche Bereich um die Detonation. Klar ist aber: Binnen Sekunden können große Gebiete zerstört und tausende Menschen getötet werden. Darüber hinaus verstrahlen weite Flächen. Etwa 85 Prozent der Explosionsenergie würden als Druckwelle und Hitzestrahlung freigesetzt. Bei einer 170 Kilotonnen-Kernwaffe wie sie von den USA im rheinland-pfälzischen Büchel lagert, verdampft eine Fläche von 1,22 Quadratkilometern. Ein Feuerball würde alles im Radius von 620 Metern vernichten. Die Reaktion ist vergleichbar mit dem Tropfen Wasser in einer heißen Pfanne: Nach einem kurzen Zischen bleibt nichts übrig als Dampf.
Dieser Feuerball wäre als greller Lichtblitz noch in weiter Entfernung sichtbar. Wer direkt in das Licht blickt, kann temporär erblinden. Bleibende Sehstörungen sind außerdem möglich.
Starke Explosionsschäden prägen in diesem Szenario die Landschaft in einem Umkreis von bis zu 2540 Metern Entfernung. In diesem Gebiet von etwa 4,57 Quadratmetern ist die Strahlendosis noch immer tödlich. Wer sich in diesem Bereich um die Detonation außerhalb von Gebäuden aufhält, kann nicht überleben. In Gebäuden besteht eine Chance. Dicke Betonwände und eine robuste Statik könnten am äußeren Rand des Umkreises Schutz vor Hitze und Druck bieten. Allerdings nur, wenn keine Fenster in der Nähe sind. Diese würden in diesem Bereich zu tödlichen, fliegenden Splittern zerbersten. Dadurch ließe auch der Schutz vor Radioaktivität nach. Weggesprengte Türen und Fenster lassen Strahlung und verseuchte Partikel ungehindert durch. Dennoch: Auch ein geringer Schutz in Gebäuden ist besser als kein Schutz im Freien.
Wer die enorme Zerstörungskraft von Hitze- und Druckwelle überlebt, hat es jedoch nicht geschafft. In einem Umkreis von 76,4 Quadratkilometern entstehen Brandverletzungen dritten Grades. Eine Fläche so groß wie 22 New Yorker Central Parks. Die Strahlung nimmt zwar mit der Entfernung zur Explosion ab, schadet dem Körper sehr wahrscheinlich noch in tödlicher Weise: Magen-Darm-Trakt und das zentrale Nervensystem werden so beeinträchtigt, dass der Organismus nicht mehr richtig arbeitet. Wenn auch nicht unmittelbar, so werden wichtige Funktionen in Folge der Verstrahlung aussetzen.
Radioaktiver Fallout: die Gefahr nach der Atombombenexplosion
Kurz nach einer Atomwaffenexplosion regnen verstrahlte Partikel auf die Erde hinab. Fachleute sprechen bei dem Niederschlag vom Fallout. Er besteht aus radioaktiven Fragmenten: Spaltprodukte und Waffenreste sowie kleinste Teilchen aus Boden und zerstörten Objekten. Durch die Erdanziehung beginnt der Falloutregen zeitnah nach der Explosion, kann sich allerdings über ein großes Gebiet erstrecken. Wetter und Windrichtung beeinflussen das Ausmaß des sogenannten Fallout-Gebiets. Im Szenario mit einer Sprengkraft von 170 Kilotonnen wurden Entfernungen bis zu 216 Kilometern berechnet.
Die radioaktive Strahlenbelastung durch den nuklearen Niederschlag schadet dem Organismus. Insbesondere in den ersten 24 Stunden nach der Explosion überlebt man den Kontakt nicht. Feinste Partikel bleiben teilweise über Wochen in der Luft und werden wie Aerosole eingeatmet. Die Radioaktivität nimmt zwar mit Zeit und Entfernung zur Detonation ab, kann aber dennoch tödliche Folgeschäden verursachen.
Nuklearen Angriff überleben – und dann?
Die Explosion einer Kernwaffe ist ein komplexer physikalischer Vorgang mit schwerwiegenden Konsequenzen für die Umwelt. Das Ausmaß lässt sich zwar theoretisch berechnen, die tatsächliche neue Realität kann allerdings nicht vorhergesagt werden. Wie sich die Wirklichkeit in diesem Ausnahmezustand gestaltet, hängt von vielen Faktoren während und nach der Explosion ab.
Die Gefahr, durch den Fallout eine hohe Dosis nuklearer Strahlung abzubekommen, ist sehr hoch. Daher sollten Fenster, sofern noch vorhanden, geschlossen bleiben. Für die nächsten 24 bis 48 Stunden gilt es, sich bestmöglich abzuschotten: In Kellern und Tiefgaragen schirmen dicke Betonwände die Strahlung etwas ab. Über ein Radio mit Batteriebetrieb können Informationen von Regierung, Katastrophenschutz oder anderen Fachleuten empfangen werden.
Von einer Flucht rät Oda Becker ab. In ihrer Studie im Auftrag von Greenpeace gibt die Physikerin an: „Es ist zu erwarten, dass viele Menschen aufgrund mangelnder Informationen versuchen werden, mit dem Auto oder zu Fuß zu fliehen, oft in die falsche Richtung und sich dabei hohen Strahlungen aussetzen, da Fahrzeuge praktisch keinen Schutz bieten. Aufgrund von Erfahrungen aus den Naturkatastrophen in den USA ist es wahrscheinlich, dass die Hauptausgangsstraßen nach einem nuklearen Ereignis in der Zeit, in der die Falloutstrahlung am stärksten ist, unpassierbar sind und die fliehende Bevölkerung im Stau hoher Fallout-Strahlung ausgesetzt ist.“
Essen und Trinken nach einer Atombombe
Lebensmittel und Wasser in der Region um die Kernwaffenexplosion würden verseucht. Auch Konserven und abgefülltes Wasser aus den Vorräten bekämen in Gebieten um die Explosion Strahlung ab. Sie wären jedoch weniger kontaminiert als frisches Leitungswasser, Obst, Gemüse und Fleisch.
Um bis zu einer möglichen Evakuierung überleben zu können, helfen abgefülltes Wasser und abgepackte Lebensmittel. Allerdings sollten sie nicht im Übermaß konsumiert werden. Falls Nahrung und Wasser Strahlung abbekommen haben, geben die Lebensmittel diese an unseren Körper ab.
Nukleare Explosion überleben: kein Masterplan
Wie die Überlebenschancen letztlich aussehen, kann pauschal nicht vorausgesagt werden. Zu viele Variablen beeinflussen die Realität nach eine Kernwaffenexplosion maßgeblich. Daher lässt sich ein Überlebensplan nach einem bestimmten Schema kaum vorbereiten. Sollte der Ernstfall eintreten, würden Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Katastrophenschutz sowie Regierung Handlungsempfehlungen aussprechen und an die betroffene Bevölkerung kommunizieren. Ein Radio oder andere Empfangsgeräte helfen dann weiter.
Ein Unterschlupf, möglichst unter der Erde und mit dicken Wänden, bietet den besten Schutz. U-Bahn-Schächte, Tiefgaragen und Keller eignen sich besser als Wohnhäuser. Die Radioaktivität nimmt mit der Zeit und der Entfernung zur Explosion ab. Dennoch sind Folgeschäden möglich. Bis eine geschützte Evakuierung stattfindet, sollte der Unterschlupf nicht verlassen werden.