- In Atomgärten wurden Pflanzen Gammastrahlen ausgesetzt und mutierten dadurch.
- Durch die Schädigung der Zellen veränderte sich das Erbgut der Pflanzen zufällig.
- In seltenen Fällen profitierten die Pflanzen von der Strahlung.
- Oft wurden die genetisch veränderten Pflanzen noch zusätzlich mit anderen Pflanzen gekreuzt.
- Einige Pflanzenarten, mit denen heute noch gehandelt wird, entstanden in solchen Atomgärten.
Am 8. Dezember 1953 hielt US-Präsident Eisenhower eine Rede im UN-Hauptquartier in New York City. In ihr setzte sich Eisenhower für ein weltweites Abkommen ein, um die militärische Nutzung von Kernwaffen zu stoppen.
Zudem sollte das neue Programm „Atoms for Peace“ die Atomforschung öffnen: Nicht nur für Länder, die bisher keine Nukleartechnologie besaßen, sondern auch für Zivilisten.
Zu diesem Zweck wurde am 29. Juli 1957 die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) in Wien gegründet. Zu ihren Arbeitsgebieten gehören die Verbesserung der nuklearen Sicherheit und die Kernphysik. Neben dem Atomluftschiff und dem Prototypen eines mit Kernbrennstoff betriebenen Ford „Nucleon“ trieb die resultierende Forschung weitere seltsame Blüten.
Bessere Pflanzen dank Gammastrahlen
Inspiriert durch die Auswirkungen radioaktiver Strahlung auf die Umwelt begannen Forscher in den 1950er Jahren, mit Pflanzen zu experimentieren. So entstand die Idee eines Gamma-Gartens. Dessen wichtigster Bestandteil war eine Röhre mit radioaktivem Material in der Mitte, üblicherweise das radioaktive Isotop Cobalt-60.
Um diesen herum wurden in konzentrischen Kreisen verschiedene Pflanzen angebaut. Diese wurden so angeordnet, dass Pflanzen in verschiedenen Teilen des Gartens unterschiedlichen Mengen an Strahlung ausgesetzt wurden.
Gammastrahlung ist hochgefährlich
Das Isotop Cobalt-60 gibt Gammastrahlen ab. Diese haben die kürzeste Wellenlänge (unter 60 Pikometer, das sind 60 Billionstel Meter) und die höchste bekannte Frequenz (mehr als 10 Exahertz, das ist eine Trillion Zyklen pro Sekunde). Gammastrahlen sind energiereiche Wellen, die sich über lange Entfernungen fortpflanzen können.
Aufgrund dieser Eigenschaften können Gammastrahlen praktisch alles durchschlagen wie eine Kugel und dabei immense Zellschäden hervorrufen. Nachdem die Forscher das strahlende Isotop in einen mit dicken Betonwänden abgeschirmten Bunker verlagert hatten, konnten sie Folgendes beobachten:
- Die Pflanzen in unmittelbarer Nähe des Behälters überlebten die starke Bestrahlung nicht.
- Bei den etwas weiter entfernten Pflanzen führten die Zellschäden zu Tumoren.
- Weiter außen waren tatsächlich Veränderungen am Erscheinungsbild der Pflanzen erkennbar – wie etwa höherer Wuchs, ungewöhnlich viele Früchte oder ungewöhnliche Blütenfarben.
Strahlenzucht als Trial-and-Error-Methode
Zu den Mutationen kam es, weil die aus der Strahlung resultierenden Zellschäden das genetische Material der Pflanzen zufällig durcheinandermischten und beschädigten. Die Wissenschaftler konnten somit die Intensität der Strahlung kontrollieren, aber nicht das Ergebnis. Auch wie viele Gene durch den Strahlenbeschuss mutierten, war vom Zufall abhängig.
Einige Forscher gaben sich mit den Mutationen jedoch nicht zufrieden. Sie nahmen sich vor, vielversprechende Pflanzenmutationen zusätzlich zu verbessern. Etwa, indem sie diese zusätzlich mit anderen Pflanzen kreuzten oder die Nachkommen der mutierten Pflanzen der Gammastrahlung aussetzten. Dabei bewahrten sie von den beeindruckendsten Kreuzungen Samen für die Nachwelt auf.
Die rote Grapefruit stammt aus einem Atomgarten in Texas
Die bis heute in den USA verbreitete Rio-Star-Grapefruit mit rotem Fruchtfleisch ist ein Resultat von Kreuzungen in einem solchen Atomgarten. Sie entstand aus der 1929 entdeckten pinkfarbenen Grapefruit „Ruby Red“, die eine natürliche Mutante ist. Indem sie die „Ruby Red“-Grapefruit in einem Atomgarten in Texas hoher Gammastrahlung aussetzten, gelang es findigen Wissenschaftlern, eine Variante mit dunkelrotem Fruchtfleisch zu züchten.
Widerstandsfähigere Pflanzen dank Strahlenbehandlung
Auch die besonders resistente Pfefferminzpflanze „Todds Mitchham“ wurde unter Gammastrahlen-Beschuss gezüchtet. Sie ist inzwischen die gebräuchlichste Sorte für die Produktion von Minzöl weltweit.
Im Jahr 1960 wurde die Bohnenernte in Michigan schwer dezimiert. Eine neue, besonders resistente Sorte war gegen den Krankheitserreger immun und verdrängte schnell die anfälligeren Bohnensorten. Auch diese neue Bohnensorte war durch Strahlenzüchtung erzeugt worden.
Atomgärten schienen also gekommen zu sein, um zu bleiben. Insgesamt gibt es mehr als 3000 offiziell registrierte Pflanzenmutanten, die aus einem Atomgarten stammen. Alle von ihnen lassen sich in der Mutanten-Datenbank der internationalen Atomenergie-Organisation nachschlagen. Immerhin gibt es eine EU-weite Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Lebensmittel – allerdings erst seit dem Jahr 2004.
Moderne Gentechnik als Ende der Atomgärten
Die Erfolgsgeschichte der Atomgärten wurde schließlich durch die in den 1970er Jahren aufkommende Gentechnik beendet. Schließlich war Pflanzenzucht durch Gammastrahlen-Beschuss praktisch Genmanipulation nach dem Zufallsprinzip. Moderne Gentechnik dagegen erlaubt das Isolieren, Verändern und Klonen spezifischer Gene, was das Vorhersehen der Resultate um einiges einfacher macht.
Wie so oft in der Wissenschaft setzte sich somit das effizientere Verfahren durch. Dennoch gibt es auch heute noch vereinzelte Atomgärten – wie etwa im „Institute of Radiation Breeding“ in Japan.
Wie gefährlich waren die Pflanzen aus Atomgärten?
Bereits kleine Mengen Gammastrahlung erhöhen das Krebrisiko immens, große Mengen können tödlich sein. Ohne spezielle Schutzausrüstung war das Betreten eines Atomgartens praktisch Selbstmord. Auch die angebauten Pflanzen waren hochgradig kontaminiert. Und logischerweise fand sich auch Gammastrahlung in vielen Samen, die aber zur Hochzeit der Atomgärten vielfach zum Verkauf feilgeboten wurden.
Es ist zwar davon auszugehen, dass die in Samen enthaltene Strahlenmenge eher gering war und dass sie sich nach einigen Pflanzengenerationen verflüchtigte. Aber dennoch war die damals so fortschrittliche Technik alles andere als sicher – und ist somit zu Recht in Vergessenheit geraten.
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