Die Binnenwasserstraßen in Deutschland sind weitverzweigt: Neben der wichtigsten Wasserstraße, dem Rhein, bilden die Nebenflüsse von Rhein, Neckar, Main, Mosel und Saar, die Donau, der künstliche Main-Donau-Kanal sowie Abschnitte von Weser, Elbe und Oder und zahlreiche Kanäle das Binnenwasserstraßennetz. Obwohl die Anzahl der Flüsse gering erscheint, ist das Binnenwasserstraßennetz mit einer Länge von fast 7500 Kilometern sehr leistungsfähig.
Etwa ein Viertel des Netzes besteht aus schiffbaren Kanälen, also künstlich erschaffenen Wasserstraßen. Die Schiffbarkeit des Netzes erfordert eine aufwendig zu erhaltende Infrastruktur. Denn um eine für Binnenschiffe geeignete Wassertiefe zu gewährleisten, müssen die Wasserstände der Flüsse und Kanäle durch Wehre und Schleusen reguliert werden.
Zur Binnenwasserstraßen-Infrastruktur gehören 450 Schleusensysteme, 290 Wehre sowie zwei Schiffshebewerke, 15 Kanalbrücken und zwei Talsperren. Diese werden allesamt von der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes kontrolliert, betrieben und koordiniert.
Um diese Aufgaben zu bewältigen, sind in der Behörde über 12.000 Mitarbeiter beschäftigt, die die verschiedensten Berufsgruppen abdecken. Für die Instandhaltung, Reparatur und Pflege der Infrastruktur betreibt das Schifffahrtsamt eine eigene Betriebsflotte, die aus circa 1300 Schiffen und schwimmenden Arbeitsgeräten besteht.
Binnenhäfen: die starken intermodalen Logistik-Knotenpunkte
Enorme logistische Bedeutung haben auch die etwa 100 Binnen- und Seehäfen des deutschen Wasserstraßennetzes. Beinahe jedes der großen deutschen Handelszentren verfügt über einen leistungsfähigen Binnenhafen. Per Binnenschiff lassen sich auch die großen europäischen Seehäfen in Hamburg, Bremerhaven, Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen erreichen, was besonders für das florierende Logistikgeschäft mit Seecontainern von immenser Bedeutung ist. Das Besondere an den Binnenhäfen ist ihre „Intermodalität“.
Das bedeutet, dass hier der Umschlag von Gütern und Schwergütern auf die Verkehrsträger Wasser, Schiene und Straße erfolgt und entsprechend riesige Tonnagen hier umgeschlagen werden. Insgesamt sind allein in den deutschen Binnenhäfen etwa 400.000 Menschen beschäftigt, die eine funktionierende Logistik garantieren, ohne die die deutsche Wirtschaft binnen kürzester Zeit zum Erliegen käme.
Gerade die beiden letzten Jahre, die durch eine Energiekrise geprägt waren, haben die Bedeutung von Binnenschiffen besonders herausgestellt. Beispielsweise erfolgt ein Großteil der Kohletransporte sowie der Transport anderer Energieträger wie Kraftstoff, Gas und Öl mit Binnenschiffen. Durch die von der EU gegen Russland verhängten Embargos aufgrund des Ukraine-Krieges mussten in den vergangenen Monaten alternative Energieträger in riesigen Mengen transportiert werden. Diese Aufgabe wäre ohne die vermehrte Nutzung von Binnenschiffen nicht zu bewältigen gewesen.
Binnenschiffer – ein spannender und verantwortungsvoller Beruf
Auf dem oben skizzierten Wasserstraßennetz Deutschlands verkehren derzeit etwa 1900 Wasserfahrzeuge, die die Bezeichnung Binnenschiff verbindet. Zu ihnen zählen auch die sogenannten Bunkerschiffe, die als schwimmende Tankstellen für Diesel fungieren. Binnenschiffe werden grundsätzlich von kräftigen und robusten Dieselmotoren angetrieben, wenngleich auch für das Binnenschiff alternative Antriebe in der Erprobung sind.
Die übliche Leistung eines solchen Schiffsdiesels liegt bei 800 bis 1200 PS, die vor allem dann notwendig sind, wenn das Schiff auf dem Rhein mit seiner starken Strömung flussaufwärts, also gegen die Strömung fährt. Diese rein für den Transport großer Gütermengen konstruierten Schiffe verfügen meist über riesige Laderäume, die sich über den gesamten Schiffskörper erstrecken. Bei den meisten Binnenschiffen befindet sich am Schiffsheck ein Aufbau, der den Steuerstand sowie sie Aufenthaltsräume für die Schiffsbesatzung beherbergt.
Im Jahr 2020 waren auf den Schiffen etwa 4300 Menschen beschäftigt, die als Schiffsführer, Bootsleute, Matrosen oder Techniker Dienst auf einem Binnenschiff geleistet haben. Nach wie vor entscheiden sich Jahr für Jahr über 100 Auszubildende für eine Berufsausbildung, die sie für die Besatzung eines Binnenschiffs qualifiziert. Der größte Teil der Schiffe wird von Familienunternehmen betrieben, die ihre Besatzungen durch Angestellte erweitern.
Der Job auf einem Binnenschiff wird gerade von der heutigen Jugend als attraktiv empfunden, da auf lange Arbeitsphasen ebenso lange Freizeitphasen folgen. Die Schiffsbesatzung ist zwar in der Regel 14 Tage am Stück auf Tour, danach stehen aber regelmäßig 14 freie Tage an Land an, zusätzlich zum Urlaubsanspruch, der sich an anderen Jobs in der Logistik orientiert.
Binnenschiffe – die umweltfreundlichen Logistik-Giganten
Die eklatanteste Stärke des Binnenschiffs ist seine Leistungsfähigkeit im Hinblick auf die Nutzlast, die es transportieren kann. Bis zu 6000 Tonnen Schüttgut fasst ein großes Binnenschiff und ist damit der absolute Branchenprimus, was die Transportkapazität angeht. Selbst in voll beladenem Zustand ist die Menge an Diesel, die der Schiffsantrieb verbraucht, in Relation zur transportierten Tonnage beinahe komplett zu vernachlässigen. Im Vergleich zu allen anderen Verkehrsträgern transportiert das Binnenschiff seine Ladung im Prinzip zu 100 Prozent CO₂-neutral.
Kaum zu ersetzen ist das Binnenschiff auch beim Transport besonders schwerer Ladungsgüter wie etwa Transistoren oder Trafos, Kabeltrommeln, Windkrafträdern, Fertigbauteilen oder Maschinen. Seine logistischen Paradedisziplinen sind zudem Schüttgut wie Kohle, Baustoffe, Erze, Agrargüter, Futtermittel oder auf Tank-Binnenschiffen chemische Produkte für die Industrie. Jedes Binnenschiff ersetzt gut und gerne 150 Lkw-Transporte, die im Vergleich zum Verbrauch an Schiffsdiesel für dieselbe Tonnage ein Vielfaches an Kraftstoff verschlingen.
Ein weiterer Aspekt ist auch die „verschleißfreie“ Streckennutzung. Die Wasserstraße als solche trägt durch die Befahrung eines Binnenschiffs keinerlei Schäden davon. Vergleicht man das mit der Beanspruchung von Fernstraßen durch schwere Lkw, ist das ein zusätzlicher Faktor, der immense Kosteneinsparung ausmacht.
Der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt e. V. (BDB) veröffentlicht jährlich Zahlen zu den transportierten Gütern auf den deutschen Wasserstraßen. Für das Jahr 2021 liegt der Wert bei erstaunlichen 195 Millionen Tonnen transportierte Güter auf Binnenschiffen. Mit etwa 10 Prozent machte im Corona-Jahr 2021 Kohle, rohes Erdöl und Erdgas einen namhaften Teil der Schiffstonnagen aus.
Zum Vergleich: Etwa das doppelte Transportvolumen wurde im Bemessungsjahr über den Verkehrsträger Schiene transportiert. Erschreckend ist trotz der vielen guten Argumente, die für das Binnenschiff sprechen, die Dominanz der Transporte per Lkw über die Straße. Diese sind mit über drei Milliarden transportierten Tonnen etwa 15-mal so hoch wie vom Binnenschiff transportierte Gütermenge.
Im vergangenen Jahr 2022 ist das mit Schiffen transportierte Güteraufkommen fatalerweise leicht zurückgegangen. Der Grund hierfür ist eindeutig der Klimawandel. Die Wasserstraßen konnten nämlich teilweise nicht befahren werden, da rekordverdächtige Niedrigwasserstände zu verzeichnen waren. Ein drastisches Plädoyer für eine Verlagerung von deutlich mehr Gütern aufs umweltfreundliche Binnenschiff. Denn Transporte über die Wasserstraßen sind ein kaum beachtetes, aber ungemein wichtiges Element zur Reduzierung des CO₂-Ausstoßes in der Logistik.