Dank seiner Transparenz wäre der Bitcoin für Putins Ziele ungeeignet
Zunächst also die einzige, absolut unverrückbare Wahrheit über den Bitcoin: Noch ist er ein hochspekulatives Instrument. Nur wer sich des Risikos bewusst ist, sollte sein Geld in Bitcoin investieren. Das gilt übrigens genauso für Wladimir Putin!
Kann also Putin mithilfe des Bitcoins Sanktionen unterlaufen? Die Antwort lautet Nein! Zumindest wäre es ganz schön dämlich, dies zu versuchen.
Davon zeugen u. a. milliardenschwere Bitcoin-Vermögen von Gaunern und Verbrechern, die bereits eingezogen wurden. Denn der Bitcoin hat für eben diese Klientel einen gewaltigen Nachteil. Er ist fast vollständig gläsern. Ihn für kriminelle Transaktionen zu benutzen, ist so, als ob man freiwillig seine DNA am Tatort hinterlässt. Man kann den Täter zwar noch nicht sehen, aber früher oder später findet man ihn schon. Warum? Hier sind sechs wesentliche Argumente:
1. Die Blockchain ist vergleichbar mit einer DNA-Datenbank
Alle existierenden Bitcoins liegen auf einer sogenannten Blockchain. Auf dieser Blockchain werden der Besitzer von Bitcoins und auch alle Bewegungen der Digitalwährung abgespeichert. Dies geschieht in Blöcken. Einem Block folgt der nächste und es bildet sich eine Kette (engl. Chain) von Blöcken.
Es ist derzeit unmöglich, einen dieser Blöcke zu verändern. D. h., eine Überweisung von Bitcoins an Wladimir Putin wäre zumindest schon für alle Zeiten sichtbar.
Aber noch bliebe ein Putin namentlich anonym.
2. Jedes Wallet, das Bitcoin enthält, ist öffentlich einsehbar
Das persönliche Konto auf einer Blockchain nennt man Wallet (zu deutsch Brieftasche). Zwar steht kein Name hinter dem Konto, sondern nur eine sehr lange kryptographische Nummer, aber man sieht sofort, wie viele Bitcoins sich auf einem Wallet befinden. Man kann auch immer sehen, von welchem Wallet sie kamen und an welches sie gehen.
Die inzwischen recht große Bitcoin-Community beobachtet sehr genau jedes Wallet mit großem Bitcoin-Vermögen. Man möchte wissen, wann jemand Bitcoins kauft oder verkauft, weil das bei großen Summen einen starken Einfluss auf den Bitcoin-Kurs haben würde.
Putins Bedarf würde eine extreme Ansammlung von Bitcoins verursachen, die entsprechend große Aufmerksamkeit verursachen. Nicht besonders schlau, wenn man Übles im Schilde führt.
3. Wie sollte Putin sich Bitcoins beschaffen?
Es gibt zwei Arten, um an Bitcoins heranzukommen. Die erste: Man kauft sie mit Geld. Aber genau das fehlt Putin ja gerade. Oder man schürft sie (engl. mining). Dafür braucht man aber gewaltige Rechenfarmen. Diese mal eben aufzubauen, ist ebenso kaum möglich, ohne dass es der Rest der Welt bemerkt.
Man darf nicht vergessen, dass Putin nicht mal schnell ein paar hundert Millionen braucht, sondern dass er derzeit an seine eingefrorene Kriegskasse von rund 680 Milliarden Dollar nicht herankommt. Im Übrigen wird es für Russland immer schwerer, an die für das Mining erforderliche Hardware zu kommen. Selbst wenn ihm das gelingen sollte, folgt schon das nächste Problem.
4. Putins Transaktionen würden den Wert des Bitcoin auf Talfahrt schicken
Alle derzeit handelbaren Bitcoins stellen einen Wert von rund 750 Milliarden Dollar dar. Am Tag werden Bitcoins im Wert von zwischen 15 und 30 Milliarden Dollar gehandelt.
Würde Putin es also schaffen, Geld in Bitcoins umzutauschen, käme es zu einem gewaltigen sogenannten „Pump“ (deutsch: pumpen). D. h., die Nachfrage wäre so groß, dass der Kurs des Bitcoins nie dagewesene Höhen erreichen würde. Das heißt aber auch, dass Putins Bitcoins beim Einkauf für ihn immer teurer werden würden.
Wenn er sie jetzt gegen Dollar wieder verkaufen möchte, würde er einen sogenannten „Dump“ auslösen (frei übersetzt: In den Müll werfen). Das würde den Bitcoin so tief fallen lassen, dass man froh sein könnte, wenn er danach noch ein paar Cent wert wäre. Damit würde sich Putins Bitcoin-Vermögen in Luft auflösen.
5. Wie sollte Putin seine Lieferanten bezahlen?
Putin könnte seine Komplizen natürlich auch direkt in Bitcoin bezahlen. Wenn man sich Punkt 2 erneut anschaut, erkennt man jedoch, dass es für diese Lieferanten auch ziemlich dumm wäre, diese Bitcoins anzunehmen. Sie wären dann nämlich für immer Teil der kriminellen Transaktionskette. Und wie schon gesagt: Die Blockchain vergisst nichts.
Irgendwann müsste ein Lieferant seine Bitcoins aus Russland in echtes Geld umtauschen. Spätestens dann können Ermittler zuschlagen und das Vermögen beschlagnahmen. Es ist also recht schwer vorstellbar, dass irgendein wichtiger Lieferant Putins Bitcoins überhaupt haben will.
6. Verdächtige Transaktionen würden auf Kryptobörsen auffallen
Bitcoins kann man auf sogenannten Kryptobörsen kaufen oder verkaufen. Wenn man sich auf diesen anmelden möchte, durchläuft man ein strenges Aufnahmeverfahren genannt KYC (Know your Customer – kenne deinen Kunden). Hier muss man sehr viele persönliche Daten hinterlegen, die auch sehr genau überprüft werden.
Putin selbst kauft natürlich keine Bitcoins, aber auch seine Helfer kennt man inzwischen sehr genau. Höchstwahrscheinlich wird keine Kryptobörse derzeit verdächtige Transaktionen in diesem Umfeld zulassen. Kryptobörsen kennen – wie eine Bank – auch den Namen hinter einem Wallet. Es gibt daneben auch noch sogenannte PEP-Listen (Political Exposed Persons – politisch auffällige Personen). Hier tauschen Staaten mithilfe ihrer Polizei und ihrer Geheimdienste ihre Erkenntnisse mit Banken – aber auch mit Kryptobörsen. Mit Personen auf PEP-Listen Geschäfte zu machen, kann strafbar sein.
Natürlich kann man Bitcoins auch unter der Hand kaufen und verkaufen. Aber wer hat schon so viele Milliarden einfach herumliegen? Außerdem bleibt die Gefahr, irgendwann trotzdem erwischt zu werden, da ja jede Transaktion in der Blockchain gespeichert bleibt.
Fazit: Bitcoin wäre für Putin ein sehr ungeeignetes Schlupfloch
Kurz nach der Einführung des Bitcoins dachten viele Kriminelle, dass sie ein hervorragendes Werkzeug zur Geldwäsche gefunden hätten. Viele wurden eines Besseren belehrt und scheuen den Bitcoin inzwischen wie der Teufel das Weihwasser. Der Bitcoin ist nun einmal ziemlich transparent, zumindest deutlich transparenter als Dollar oder Euro.
Daneben kann man seine Spuren auf einer Blockchain niemals verwischen. Es ist nicht abzustreiten, dass man auch mit dem Bitcoin Schindluder treiben kann, aber für Ermittler ist er eigentlich ein Segen.
Diese haben plötzlich alle Zeit der Welt. Sie müssen nur ganz entspannt die Bewegungen eines verdächtigen Wallets verfolgen und warten, bis jemand diese in echtes Geld umtauscht. Dann schlagen sie zu – und da Kriminelle in der Regel ihren Mittätern gegenüber nicht sonderlich loyal sind, entlarvt sich eine Wallet-Identität nach der anderen.
Man muss dann einfach nur Block für Block – oder Transaktion für Transaktion – zurück zum Ursprung der Kette.
Banken und herkömmliche Finanzmärkte wären für Geldwäsche viel anfälliger
Eine vergleichbare Transparenz findet sich übrigens in unserem existierenden Finanzsystem nicht, und es ist mehr als möglich, dass Putin über dieses irgendwie an seine Milliarden herankommt.
Wenn wir also den Bitcoin so leichtfertig verteufeln und damit denjenigen Vorschub leisten, die ihn morgen am liebsten abschaffen wollen, dürfen wir nicht vergessen, dass auch andere Interessen hier eine gewisse Rolle spielen könnten.
Denn totale Transparenz ist auch in ganz legalen Umfeldern nicht unbedingt gewünscht. Stellen Sie sich einmal vor, Sie könnten eines Tages genau verfolgen, an wen Ihre Steuern überwiesen werden.
Es steckt auch sehr viel Gutes in der grundsätzlichen Idee des Bitcoins. Vertreibt man also aufgrund von Unwissenheit die Teufel, gehen die Engel leider gleich mit.
Man kann vom Bitcoin halten was man will, aber den fürchterlichen Krieg gegen unser aller Freiheit wird er nicht zugunsten Putins beeinflussen – so schön die Schlagzeile auch klingt.