Nicht alle berühmten Todesfälle der Geschichte sind gelöst. Doch mit modernen Analysen können Ermittler heute Fälle zum Abschluss bringen, die seit Jahrzehnten oder Jahrhunderten in den Akten schlummern. Zusammen mit Forensikern bringt Welt der Wunder diese ungelösten Fälle noch einmal auf den Seziertisch. Wie starb Charles Lindbergh Jr.?
Am 1. März 1932 verschwindet der 20 Monate alte Charles Lindbergh Junior spurlos aus seinem Zimmer. Das Mysteriöse: Weder schreit das Kind, noch bellt der Hund des Hauses. Ist es eine Entführung? Doch warum gibt es zunächst keinen Erpresserbrief? Erst eine halbe Stunde, nachdem die Lindberghs das Verschwinden ihres Sohnes bemerken, taucht das Schreiben unter dem Fenster im Kinderzimmer auf. Während also die Angestellten das Kind suchten, muss der Täter in das Haus zurückgekommen sein, um den Brief mit der Lösegeldforderung abzulegen. Alle Hausdiener sind sich sicher, dass der Brief vorher nicht da war.
In derselben Nacht noch entdecken Polizisten eine provisorisch gezimmerte Leiter, die der Entführer benutzt hatte. Charles Lindbergh, dem am 21. Mai 1927 die erste Alleinüberquerung des Atlantiks von New York nach Paris ohne Zwischenlandung gelang, reißt die Ermittlungen an sich. Am 12. Mai 1932 wird die Leiche des Jungen nur viereinhalb Kilometer vom Wohnhaus entfernt gefunden. Aus der Entführung wird Mord. Oder war es ein Unfall? Die Gerichtsmediziner kommen nicht mehr dazu, dies zu klären, da Lindbergh eine sofortige Einäscherung des Leichnams anordnet. Und zu jener Zeit widersetzt sich niemand der bekanntesten Person der Luftfahrt.
Leiter im Visier
Die Polizei konzentriert sich auf die Leiter am Tatort. Sie führt schließlich zu einem Verdächtigen. Denn das Holz der Leiter weist Spuren einer besonderen Sägetechnik auf, die nur von einem Sägewerk in South Carolina angewandt wird. Bei dem deutschstämmigen Holzhändler Bruno Hauptmann findet die Polizei Bretter, aus denen die Trittstufen der Leiter gesägt worden sein könnten. Hauptmann wird verhaftet und 1936 schließlich hingerichtet. Obwohl er bis zuletzt die Tat bestreitet, gilt der Fall als gelöst – bis sich der renommierte Forensiker Mark Benecke des Cold Case annimmt und rekonstruiert, was wirklich geschehen ist.
Seine Theorie: Charles Lindbergh steckt selbst hinter dem Tod seines Sohnes. Wenige Monate vor der Entführung des Babys erlaubt sich Lindbergh einen üblen Scherz. Er versteckt Charles Junior im Schrank und verbreitet die Nachricht, dass das Kind entführt worden sei. Erst nach 20 Minuten klärt er diesen „Spaß“ auf. War es so auch an jenem verhängnisvollen 1. März? Beneckes Theorie: Der Hund bellt nicht, weil er seinen Herren kennt, das Kind schreit nicht, weil es der Vater ist, der es aus der Wiege hebt. Beim Abstieg auf der Leiter muss das Kind gefallen und gestorben sein. Lindbergh muss improvisieren. Er nimmt die Ermittlungen selbst in die Hand, dirigiert Polizei und Staatsanwaltschaft durch die Untersuchungen. Bei seinen Recherchen stieß Benecke auf Dokumente, die zeigen, dass die Holzzuschnitte doch nicht identisch mit denen von der Leiter waren. Am Ende ließen sich womöglich alle durch Lindberghs Heldentaten täuschen.