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Colleville-sur-Mer: Der Strand, an dem das „Dritte Reich“ starb

Der Strand von Colleville-sur-Mer lädt heute zu Spaziergängen ein, der weiße Sand zum Buddeln mit Kindern und die Wellen sind für Surfer herausfordernd. Doch vor 75 Jahren wurde der Strand zur Todesfalle für die alliierten Soldaten bei ihrer Landung in der Normandie. Der Codename für den Strand sollte sich in das Gedächtnis der Menschheit einbrennen: Omaha Beach.

Der Strand von Colleville-sur-Mer ist eines der beliebtesten Urlaubsziele Frankreichs: Wenn man hier aufs Meer hinausschaut, kann man sich kaum das Grauen vorstellen, das sich vor genau 75 Jahren ereignete. An jenem 6. Juni 1944 stehen mehr als 5.000 Schiffe der Alliierten vor den Küsten der Normandie in Position. An Bord: rund 140 000 Soldaten auf ihrem Weg ins Ungewisse, kaum einer ist älter als 25 Jahre. 

Am Strand von Colleville-sur-Mer werden sie ihren schlimmsten Ängsten entgegentreten, um Europa von einem Tyrannen zu befreien. Doch sie kennen diesen Strand nur unter dem Codenamen Omaha Beach. Und diesen Namen werden sie nie wieder vergessen – es ist der Strand, der sich rot von ihrem Blut färben wird. Die deutschen Verteidiger sind den Alliierten eigentlich fünf zu eins unterlegen. 

Doch sie haben eine Waffe, die jeden statistischen Vorteil außer Kraft setzt: das MG 42. Mit 1.500 Schuss pro Minute ist es zu diesem Zeitpunkt das Maschinengewehr mit der höchsten Feuerrate weltweit. Mit mehr als 800 Metern pro Sekunde rasen die Geschosse auf die Transportschiffe zu. Mit einem hellen Ping prallen die Kugeln auf die Stahlummantelung – hundertfach, tausendfach. 

300 Meter breite Todeszone

Den Alliierten bleibt keine Wahl, die erste Welle der Angreifer muss an den Strand gelangen. Schon kommen die nächsten Schiffe nach. Die Soldaten lassen die Rampe herunter. Die Geschosse schlagen vor ihnen im Meer ein, spritzen schaumiges Wasser meterhoch in die Luft – doch andere treffen ihr Ziel. Das Landungsboot wird zur Todesfalle. Von den 1.400 Soldaten der ersten Welle erreichen nur zwei Drittel den Strand. 

Sie robben über den Sand, um dem Feind eine möglichst geringe Angriffsfläche zu bieten. Das Brechen der Wellen vermischt sich mit dem Trommelfeuer der MGs – und mit den Schreien der Verwundeten. Die Überlebenden suchen Schutz hinter den Panzersperren, die über den gesamten Strand verteilt liegen. Was die Deutschen vor einer Invasion schützen sollte, dient nun den Alliierten als Schild. Sie wissen: Sie müssen zu den Dünen gelangen. Erst dort können sie den Feind bekämpfen. 

Vor ihnen liegt eine 300 Meter breite Todeszone: Barrikaden, Stacheldraht und zuletzt ein Minenfeld. Nach drei Stunden ist der Strand mit rund 3.000 Leichen bedeckt, die Flut treibt mehr und mehr Tote heran. Die Alliierten sind nun an der Uferböschung, ducken sich unter der spärlichen Deckung. Die Soldaten sind ohne Führung, alle Vorgesetzten sind gefallen. 

Bis auf einen: General Norman „Dutch“ Cota. Scheinbar furchtlos sammelt er die verbliebenen Männer an der Böschung und ruft ihnen den Satz zu, der später legendär werden soll: „Gentlemen, hier am Strand werden wir getötet. Gehen wir landeinwärts, um dort getötet zu werden.“ Dann stürmt er voran – und seine Männer folgen ihm. Sie erklimmen die letzten Meter bis zu dem Widerstands-Nest, aus dem sie die letzten Stunden so unerbittlich bekämpft worden sind. Die deutschen Besatzer ergeben sich, der Strand ist gewonnen. Schon bald tragen die Alliierten den Kampf ins dunkle Herz des „Dritten Reichs“.
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