- Welt der Wunder Redaktion
- Sandra Leinfelder
Jedes Jahr importieren Kleidungs- und Deckenhersteller etwa 10.000 Tonnen Daunen und Federn aus aller Welt – China, Polen, Frankreich und Ungarn. Was viele gar nicht wissen: Die Daunen werden den Gänsen größtenteils vom lebendigen Leib gerupft. Der Lebendrupf (auch Pusztarupf genannt) hat eine lange Tradition in der Geflügelindustrie. Aus Sicht der Farmer ist es ein lukratives Geschäft, weil sie die Gänse vier- bis siebenmal rupfen können, anstatt nur einmal beim Schlachten. Eigentlich ist der Lebendrupf in der EU verboten, doch es gibt ein Schlupfloch für die Geflügelindustrie: Während der natürlichen Mauser (Federwechsel) der Tiere, ist es erlaubt die Daunen aus dem Gefieder „abzustreichen“ – dies lässt für einige Betriebe wohl zu viel Raum für Interpretation.
Der Blick hinter die Kulissen
Zuletzt bemühte sich Patagonia auch um die Offenlegung seiner Daunenquellen. „Wir wollen unseren Kunden die größtmögliche Gewissheit bieten, dass die Gänse, von denen unsere Daune stammt, human behandelt wurden.” Deshalb habe das Unternehmen in den letzten Jahren aktiv an „kurz- und langfristigen Alternativen zu Daunen von zwangsgefütterten oder lebend gerupften Gänsen” gearbeitet, heißt es auf der Webseite. Mit den „Ultralight Down-Produkten“ will der Hersteller seinen Kunden jetzt die lückenlose Rückverfolgung der Daunen in der Lieferkette zusichern. Dass das gar nicht so einfach ist, zeigt ein Blick auf die Versuche von Patagonia, seine Lieferkette ethischer zu gestalten.
Immerhin muss man Patagonia zugutehalten, dass sie sich als einer der wenigen Hersteller überhaupt so einen Aufwand machen. Denn in einem anderen Bereich versagen die Hersteller bisher völlig, ihre Lieferketten offenzulegen und zu überprüfen: den Bettdecken.
Daunenindustrie: Wohlige Wärme um jeden Preis?
Ein Must-have – nicht nur für Outdoor-Sportler: Daunenjacken sind ein beliebtes Accessoire für die kalten Wintermonate. Anders als beispielsweise bei Tierfellen hinterfragen viele Kunden jedoch nicht, woher die Daunen kommen. Aber das sollten sie …
Daunenindustrie: Wohlige Wärme um jeden Preis?
… denn die Daunen-Branche steht unter Druck. Der Preis für Daunen ist in den vergangenen drei Jahren drastisch gestiegen. Die Gründe: Die Menschen essen weniger Gänse, zugleich werden sie oft so früh geschlachtet, dass die Daunen noch nicht ausgereift sind.
Daunenindustrie: Wohlige Wärme um jeden Preis?
Die Folge: Die Daunen werden den Gänsen größtenteils vom lebendigen Leib gerupft. Ausnahme oder Regel? Eigentlich ist der Lebendrupf in der EU verboten, doch die zuständige Behörde European Food Safety Authority (EFSA) hat für die Geflügelindustrie das Schlupfloch des Rupfens während der natürlichen Mauser (Federwechsel) der Vögel gelassen. Das Bild zeigt, wie ein Arbeiter in der Schlachterei Dithmarschen eine tote Gans rupft.
Daunenindustrie: Wohlige Wärme um jeden Preis?
Der amerikanische Outdoor-Bekleidungshersteller Patagonia versucht Licht ins Dunkel seiner flauschigen Füllung zu bringen. Dass das allerdings gar nicht so einfach ist, zeigt ein Blick auf die Versuche von Patagonia, seine Lieferkette ethischer zu gestalten.
Daunenindustrie: Wohlige Wärme um jeden Preis?
Im Jahr 2007 versicherte ein Patagonia-Zulieferer in Ungarn, dass die Daune nicht von zwangsgefütterten Gänsen stammt. Das stellte sich später allerdings als falsch heraus. In Deutschland und 13 weiteren EU-Ländern ist die tierquälerische Zwangsmast verboten – was viele Hersteller jedoch nicht davon abhält. Das Bild zeigt die Zwangsfütterung einer Gans in einem Produktionsbetrieb in Frankreich.
Daunenindustrie: Wohlige Wärme um jeden Preis?
Der zweite Versuch: Im Jahr 2009 fordert Patagonia von allen seinen Zulieferbetrieben die Gewähr, dass die Daunen von geschlachteten Gänsen stammen. Aber lässt sich das hundertprozentig überprüfen? Nur schwer, wie das nächste Beispiel zeigt.
Daunenindustrie: Wohlige Wärme um jeden Preis?
Im Jahr 2010 beschuldigt die Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“ Patagonia, Lebendrupf-Daune zu verarbeiten. Die Ermittlungen zeigen auch, dass die Gänse eines ungarischen Zulieferers immer noch zwangsgefüttert werden. Das Bild zeigt ein Plakat der Organisation PeTA im Rahmen der Kampagne gegen die Mast von Enten und Gänsen zur Herstellung von Foie Gras, also Stopfleber.
Daunenindustrie: Wohlige Wärme um jeden Preis?
Patagonia überprüft daraufhin seine Zulieferbetriebe und bestätigt, dass die Daunen von Gänsen stammen, die für die Erzeugung von Fleisch und Foie gras (Stopfleber) gehalten werden. Anzeichen für Lebendrupf gebe es keine, rechtfertigt sich das Unternehmen. Um es sicher ausschließen zu können, entwickelt Patagonia dann aber doch ein Dokumentationssystem.
Daunenindustrie: Wohlige Wärme um jeden Preis?
Erst im Jahr 2012 startet Patagonia eine unabhängige Überprüfung der Produktketten, die auch eine Einhaltung der Tierschutzvorschriften gewährleisten soll.
Daunenindustrie: Wohlige Wärme um jeden Preis?
Im Jahr 2013 lagen erstmals die Ergebnisse der Überprüfungen vor. Sie zeigen: Es gibt keine Anzeichen für Lebendrupf oder Zwangsfütterung. Heute enthalten alle Patagonia Daunenprodukte ausschließlich Daune mit lückenlosem Herkunftsnachweis. Das heißt, dass die Daune darin zu Vögeln zurückverfolgt werden kann, die niemals zwangsgefüttert oder lebend gerupft wurden.
Daunenindustrie: Wohlige Wärme um jeden Preis?
Man muss Patagonia zugutehalten, dass sie sich als einer der wenigen Hersteller überhaupt so einen Aufwand machen. Denn in einem anderen Bereich versagen die Hersteller bisher völlig, ihre Lieferketten offenzulegen und zu überprüfen: den Bettdecken.
Daunenindustrie: Wohlige Wärme um jeden Preis?
Der große Daunen-Test der Stiftung Warentest im Herbst 2013 überprüfte 14 Bettdecken, inwiefern sich die Anbieter an die Kriterien für soziale und ökologische Unternehmensführung (CSR) halten. Das Ergebnis: Kein Anbieter konnte belegen, dass seine Daunen nur von toten Tieren stammten. Außerdem konnte kein Unternehmen genau nachweisen, von welchen Höfen die Daunen kommen.
Daunenindustrie: Wohlige Wärme um jeden Preis?
Das Problem für die Kunden: Eine branchenweite und herstellerübergreifende Zertifizierung von Daunen gibt es bisher nicht. So kann man Kleidung oder Bettdecken im Laden zum Beispiel nicht – wie beim Demeter-Label bei Nahrungsmitteln – ansehen, ob sie nachhaltig produziert wurden.
Daunenindustrie: Wohlige Wärme um jeden Preis?
Letztendlich muss der Kunde selbst entscheiden, wie er sich künftig durch den Winter bringt. Zwar sind Daunenjacken leichter und halten wärmer, als etwa Isolationsjacken mit Kunstfüllung. Dafür sind Synthetikfüllungen extrem wasserabweisend, während die Daunen eher Feuchtigkeit aufnehmen.
Mit schlechtem Gewissen schlafen?
Stiftung Warentest nahm im November 2013 die soziale und ökologische Verantwortung von zehn Deckenherstellern mit Hilfe eines umfassenden Kriterienkatalogs unter die Lupe. Darunter waren auch bekannte Marken wie Waschbär, Allnatura und Dänisches Bettenlager. Das traurige Ergebnis: Beim Test belegte kein Anbieter, dass seine Daunen nur von toten Tieren stammten. Außerdem konnte kein Unternehmen genau nachweisen, von welchen Höfen die Daunen kommen.
Nur zwei Anbieter – Kauffmann in Polen und Waschbär in Ungarn – öffneten laut Stiftung Warentest die Tore zu den Schlachthöfen. Beide erhielten beim Tier- und Umweltschutz nur die Note ausreichend. Die meisten Anbieter gewährten den Testern ausschließlich Zutritt zu den Betrieben, wo es „nur“ ums Nähen und Befüllen der Decken mit den Daunen ging.
Nun kann man sich fragen: Warum verwenden die Hersteller nicht einfach andere Materialien und verzichten komplett auf Daunen? Auch dieser Frage ging die Stiftung Warentest nach: Synthetikdecken reichen nicht an die Schlafeigenschaften von Daunen heran, so das Ergebnis. Daunendecken seien bis zu dreimal wärmer als die besten Synthetik-Faserdecken und transportierten auch Feuchtigkeit besser. Auch für Kleidung trifft das zu: Daunenjacken sind leichter und halten wärmer als Isolationsjacken mit Kunstfüllung. Dafür sind Synthetikfüllungen extrem wasserabweisend, während die Daunen eher Feuchtigkeit aufnehmen.
Wie erkennt der Kunde die „guten“ Jacken?
Das Problem für die Kunden bleibt aber: Eine branchenweite und herstellerübergreifende Zertifizierung von Daunen gibt es bisher nicht. So kann man Kleidung oder Bettdecken im Laden zum Beispiel nicht – wie beim Demeter-Label bei Nahrungsmitteln – ansehen, ob sie nachhaltig produziert wurden. Allerdings gibt es erste Versuche, ein Tierschutz-Label für Daunen einzuführen: Als erster Hersteller der Branche hat das britische Outdoor-Unternehmen Mountain Equipment im Jahr 2009 den DownCodex ins Leben gerufen. Die unabhängige Organisation IDFL (International Down and Feather Laboratory) vergibt das Zertifikat und führt auch nicht angemeldete Kontrollen in jeder Phase der Lieferkette durch. Nach eigenen Angaben übertreffen die Richtlinien das gültige EU-Recht.
Auf www.outdoorseiten.net findet sich zudem eine Liste mit Informationen über Outdoor-Marken und deren Daunenherkünfte und Rupfmethoden. Allerdings ist zu beachten, dass die meisten Informationen lediglich Selbstauskünfte der Hersteller sind.