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Daunenindustrie: Wohlige Wärme um jeden Preis?

Foto: Imago / Nordpol Riediger

Daunenindustrie: Wohlige Wärme um jeden Preis?

Seit Jahren werfen Tierschützer der Daunenindustrie Tierquälerei vor. Einige Hersteller geraten in Erklärungsnot – andere geloben Besserung. Was steckt wirklich in unseren wetterfesten Jacken und kuschligen Bettdecken?
Daunenjacken sind Allroundtalente: Sie sind windundurchlässig und wasserfest und gelten nicht mehr nur für Rodler, Skifahrer oder Bergsportler als Must-have. Der bunte Outdoor-Look prägt längst auch das Bild in den Fußgängerzonen.

Jedes Jahr importieren Kleidungs- und Deckenhersteller etwa 10.000 Tonnen Daunen und Federn aus aller Welt – China, Polen, Frankreich und Ungarn. Was viele gar nicht wissen: Die Daunen werden den Gänsen größtenteils vom lebendigen Leib gerupft. Der Lebendrupf (auch Pusztarupf genannt) hat eine lange Tradition in der Geflügelindustrie. Aus Sicht der Farmer ist es ein lukratives Geschäft, weil sie die Gänse vier- bis siebenmal rupfen können, anstatt nur einmal beim Schlachten. Eigentlich ist der Lebendrupf in der EU verboten, doch es gibt ein Schlupfloch für die Geflügelindustrie: Während der natürlichen Mauser (Federwechsel) der Tiere, ist es erlaubt die Daunen aus dem Gefieder „abzustreichen“ – dies lässt für einige Betriebe wohl zu viel Raum für Interpretation.

Der Blick hinter die Kulissen

Tierfelle als Material für Kleidung sind schon länger verpönt – bei Daunen scheint die Toleranzschwelle deutlich höher zu liegen. Immerhin versucht der amerikanische Outdoor-Bekleidungshersteller Patagonia Licht ins Dunkel seiner flauschigen Füllung zu bringen. Im Jahr 2007 hat das Unternehmen erstmals seine „Footprint Chronicles“ veröffentlicht. Mit den Chroniken geht Patagonia mit sich selbst ins Gericht und stellt die Umweltbilanz der eigenen Produkte online: CO2-Belastung, Stromverbrauch, zurückgelegte Transportkilometer. Sogar seine Zulieferbetriebe legt das Unternehmen offen.

Zuletzt bemühte sich Patagonia auch um die Offenlegung seiner Daunenquellen. „Wir wollen unseren Kunden die größtmögliche Gewissheit bieten, dass die Gänse, von denen unsere Daune stammt, human behandelt wurden.” Deshalb habe das Unternehmen in den letzten Jahren aktiv an „kurz- und langfristigen Alternativen zu Daunen von zwangsgefütterten oder lebend gerupften Gänsen” gearbeitet, heißt es auf der Webseite. Mit den „Ultralight Down-Produkten“ will der Hersteller seinen Kunden jetzt die lückenlose Rückverfolgung der Daunen in der Lieferkette zusichern. Dass das gar nicht so einfach ist, zeigt ein Blick auf die Versuche von Patagonia, seine Lieferkette ethischer zu gestalten. 

Immerhin muss man Patagonia zugutehalten, dass sie sich als einer der wenigen Hersteller überhaupt so einen Aufwand machen. Denn in einem anderen Bereich versagen die Hersteller bisher völlig, ihre Lieferketten offenzulegen und zu überprüfen: den Bettdecken.

Mit schlechtem Gewissen schlafen?

Stiftung Warentest nahm im November 2013 die soziale und ökologische Verantwortung von zehn Deckenherstellern mit Hilfe eines umfassenden Kriterienkatalogs unter die Lupe. Darunter waren auch bekannte Marken wie Waschbär, Allnatura und Dänisches Bettenlager. Das traurige Ergebnis: Beim Test belegte kein Anbieter, dass seine Daunen nur von toten Tieren stammten. Außerdem konnte kein Unternehmen genau nachweisen, von welchen Höfen die Daunen kommen.

Nur zwei Anbieter – Kauffmann in Polen und Waschbär in Ungarn – öffneten laut Stiftung Warentest die Tore zu den Schlachthöfen. Beide erhielten beim Tier- und Umweltschutz nur die Note ausreichend. Die meisten Anbieter gewährten den Testern ausschließlich Zutritt zu den Betrieben, wo es „nur“ ums Nähen und Befüllen der Decken mit den Daunen ging.

Nun kann man sich fragen: Warum verwenden die Hersteller nicht einfach andere Materialien und verzichten komplett auf Daunen? Auch dieser Frage ging die Stiftung Warentest nach: Synthetikdecken reichen nicht an die Schlafeigenschaften von Daunen heran, so das Ergebnis. Daunendecken seien bis zu dreimal wärmer als die besten Synthetik-Faserdecken und transportierten auch Feuchtigkeit besser. Auch für Kleidung trifft das zu: Daunenjacken sind leichter und halten wärmer als Isolationsjacken mit Kunstfüllung. Dafür sind Synthetikfüllungen extrem wasserabweisend, während die Daunen eher Feuchtigkeit aufnehmen.

Wie erkennt der Kunde die „guten“ Jacken?

Das Problem für die Kunden bleibt aber: Eine branchenweite und herstellerübergreifende Zertifizierung von Daunen gibt es bisher nicht. So kann man Kleidung oder Bettdecken im Laden zum Beispiel nicht – wie beim Demeter-Label bei Nahrungsmitteln – ansehen, ob sie nachhaltig produziert wurden. Allerdings gibt es erste Versuche, ein Tierschutz-Label für Daunen einzuführen: Als erster Hersteller der Branche hat das britische Outdoor-Unternehmen Mountain Equipment im Jahr 2009 den DownCodex ins Leben gerufen. Die unabhängige Organisation IDFL (International Down and Feather Laboratory) vergibt das Zertifikat und führt auch nicht angemeldete Kontrollen in jeder Phase der Lieferkette durch. Nach eigenen Angaben übertreffen die Richtlinien das gültige EU-Recht.

Auf www.outdoorseiten.net findet sich zudem eine Liste mit Informationen über Outdoor-Marken und deren Daunenherkünfte und Rupfmethoden. Allerdings ist zu beachten, dass die meisten Informationen lediglich Selbstauskünfte der Hersteller sind.

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