Neunzig Prozent aller Erdbeben ereignen sich hier: auf dem Pazifischen Feuerring, einem 40.000 Kilometer langen Gürtel, der sich von Neuseeland über den südostasiatischen Raum, Japan, Russland bis nach Nord-, Mittel- und Südamerika zieht. Drei Viertel aller Vulkane der Erde reihen sich wie Perlen auf einer Schnur auf ihm entlang. Wie leben die Menschen mit der ständigen Bedrohung?
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Der verheerende Tsunami im Dezember 2004 wurde von einem Erdbeben vor Sumatra ausgelöst. Damals kamen 230.000 Menschen ums Leben. Auch 2018 wurde Indonesien von mehreren Erdbeben und Tsunamis erschüttert.
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Chile und die gesamte Westküste Südamerikas liegen in der sensiblen tektonischen Zone. Das schwere Erdbeben von 2010 hatte sogar weltweite Auswirkungen: Einem Experten der US-Raumfahrtbehörde NASA zufolge hat das Beben der Stärke 8,8 zu einer Verschiebung der Erdachse geführt. Nach Berechnungen des Wissenschaftlers Richard Gross beträgt die Abweichung acht Zentimeter.
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In Neuseeland wurden durch ein Erdbeben im Februar 2011 große Teile von Christchurch, der zweitgrößten Stadt des Landes, in Schutt und Asche gelegt.
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Das Einzugsgebiet Tokios ist mit mehr als 35 Millionen Einwohnern die größte Metropolregion der Welt. Gleichzeitig liegt die Hauptstadt Japans an einer der aktivsten Bruchzonen im gesamten Pazifikraum.
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Besonders gefährdet ist auch der bevölkerungsreichste Bundesstaat der USA. Quer durch Kalifornien verläuft die San-Andreas Verwerfung. Wie eine Narbe durchzieht sie die Westküste Nordamerikas. Die auffällige Formation ist das Ergebnis einer gewaltigen Kollision. Dort driftet die Pazifische Platte an der Nordamerikanischen vorbei und sorgte in der Vergangenheit immer wieder für verheerende Erdbeben.
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Eines davon legte 1906 San Francisco in Schutt und Asche. Das Erdbeben gilt als eine der schlimmsten Naturkatastrophen in der Geschichte der USA. Mehr als 3.000 Menschen starben.
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Ende der neunziger Jahre entdeckten Geologen eine neue Verwerfungslinie, direkt unter der Millionen-Metropole Los Angeles. Beinah täglich registrieren die empfindlichen Geräte der Wissenschaftler leichte Vibrationen. Forscher sind sich sicher: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ein starkes Beben einsetzt. “The Big One” wird ohne Vorwarnung zuschlagen. Vorhersagen sind bisher nicht möglich. Lediglich die Auswirkungen lassen sich am Computer simulieren.
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Die Küstenabschnitte weiter nördlich um die Metropolen Seattle und das kanadische Vancouver galten bisher nicht als Erdbeben-Gebiete. Und tatsächlich hat es seit der Einwanderung der Europäer dort auch keine größeren Erdstöße mehr gegeben. Doch sicher ist diese Region deshalb nicht, wie amerikanische Forscher um Susan Hough vom Geologischen Dienst der USA herausgefunden haben. Unmittelbar vor der Pazifikküste taucht eine kleinere geologische Erdplatte, die Juan-de-Fuca-Platte, unter der Nordamerikanischen ab.
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Mit Hilfe der Satellitentechnik GPS gelingt es Forschern, Informationen über die Richtungen und Geschwindigkeiten der Plattenbewegungen zu erkennen.
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Erdbeben erinnern uns daran, dass sich die Erde ständig verformt. Seit Urzeiten treiben große Teile der Erdkruste, manche sind größer als ein ganzer Kontinent, mit wenigen Zentimetern pro Jahr als Platten langsam um den Globus. Sie bewegen sich kaum schneller, als ein Fingernagel wächst und können doch gigantische Energien freisetzen. Denn wo die Platten aufeinandertreffen, kommt es zu starken Spannungen, Erdbeben entstehen, Vulkane, ganze Gebirge werden aufgeworfen.
Besonders intensiv sind diese Spannungen rund um den hufeisenförmigen Pazifischen Feuerring, der sich von Neuseeland über den südostasiatischen Raum, Japan, Russland bis nach Nord-, Mittel- und Südamerika zieht. Überall entlang dieses Gürtels stoßen tektonische Platten aneinander. So entstehen Schwächezonen, an denen flüssiges Magma aus dem Erdinneren emporsteigen kann – Vulkanausbrüche und heftige Erdbeben sind die Folge.
Vom Jahr ohne Sommer zum Big One
Besonders schlimm traf es Indonesien in der Vergangenheit: 1812 starben 11.000 Menschen beim Ausbruch des Vulkans Tambora, weitere 49.000 starben anschließend weltweit durch Seuchen und Missernten. Das darauffolgende Jahr ging als Jahr ohne Sommer in die Geschichte ein. Und nur siebzig Jahre später erwischte es die mit 240 Millionen Einwohnern viertgrößte Nation der Welt erneut: 1883 kamen beim Ausbruch des Krakatau mehr als 36.000 Menschen ums Leben. Die Energie des Ausbruchs dürfte zwischen 200 und 2.000 Megatonnen TNT gelegen haben, was etwa 10.000 bis 100.000 Hiroshima-Bomben entspricht. Wellen von bis zu 40 Meter Höhe (Tsunami) waren die Folge, die Explosionsgeräusche konnte man noch auf der 3.000 Kilometer entfernten Insel Rodrigues nahe Mauritius hören. Auch 2018 traf es Indonesien hart: Mehrere Tausend Tote nach Tsunami und Erdbeben auf den Inseln Sulawesi, Sumatra und Java sowie mehr als hundert Opfer nach dem Erdbeben auf der Insel Lombok.
In der Millionenmetropole Los Angeles ist ein Erdbeben überfällig. Doch niemand kann vorhersagen, wann genau sich diese Riesenerschütterung ereignen wird. Wissenschaftler befürchten, dass The Big One sogar die Stärke 10 auf der Richterskala erreichen könnte und sie vermuten auch, dass vor allem die südkalifornischen Metropolen Los Angeles und San Diego betroffen sein werden. Die Folgen für die Region könnten verheerend sein – jährlich findet deshalb eine großangelegte Katastrophenschutzübung statt. Aktuelle Prognosen rechnen, trotz aller Sicherheitsvorkehrungen, mit bis zu 18.000 Toten.
Naturkatastrophen auf dem Pazifischen Feuerring sind weder für Wissenschaftler eine Überraschung, sie gehören auch zum Alltag der Menschen, die hier leben. Sie wissen: Je länger die Erde ruht, desto größer wird die Spannung, mit der sich die Platten verzahnen. Entlädt sich diese Energie plötzlich und ohne Vorwarnung, kommt es zur Katastrophe. Doch die Hoffnung, ein solches Unglück möge sich nicht zu ihren Lebzeiten ereignen, sondern vielleicht erst in vielen tausend Jahren – einem Wimpernschlag in geologischer Zeitrechnung – hält sie dort.