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Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank – Hintergründe und Auswirkungen

Der Euro gilt seit seiner Einführung im Jahr 2002 als Symbol eines starken Europas. Jedoch ist er mehr als nur eine Währung: Geldpolitik ist seitdem nicht mehr Ländersache, sondern Europapolitik. Zentrales Organ ist die Europäische Zentralbank (EZB): Sie soll Preisstabilität gewährleisten und so die Kaufkraft der gemeinsamen Währung erhalten.

Viele Länder, ein Europa, eine Währung: die Europäische Union entschied sich zum Jahrtausendwechsel für eine einheitliche Geldpolitik. Der Euro als Symbol eines starken Europas und eines zusammenhängenden Wirtschafts- und Lebensraumes begleitet uns jetzt schon seit nunmehr 18 Jahren – zumindest als Buchgeld. Seit 2002, also drei Jahre später, fand er auch als Scheine und Münzen den Weg in das Portemonnaie der europäischen Bürger. Grenzen überschreiten, keine Wechselstuben mehr bemühen und in jedem Land das gleiche Geld, ganz ohne umrechnen. Das klang gut und erwies sich in einem zusammenhängenden Europa als sehr praktisch. 

Allerdings gehört zum Thema Euro mehr dazu als eine Währung. Denn damit hat auch die Geldpolitik sich vernetzt, ist nicht mehr Staatensache sondern Europapolitik. Eine übergeordnete Währungsunion hat also auch eine Geldpolitik im europäischen Rahmen als Folge. Etwas, das heute immer wieder kritisiert wird. Rettungsschirme fallen genauso darunter wie die Niedrigzinspolitik der europäischen Zentralbank, die Sparer vielerorts zur Verzweiflung treibt. Die Zusammenhänge sind komplex und kleine Maßnahmen haben häufig große Auswirkungen – eine Aufgabe für Fingerspitzengefühl und das richtige Maß an Zuversicht. 

Geldpolitik im europäischen Rahmen

Die Übergabe der Geldpolitik an eine übergeordnete Institution – die Europäische Zentralbank und den damit verbundenen Gremien und Entscheidungsorganen in Europa – ging ein Marathon voraus und nach, denn Geld als treibendes Mittel eines Staates hat einen entsprechend hohen Stellenwert. Die Strukturen zur Steuerung durch Europa mussten erst geschaffen werden, der richtige Rahmen der Autonomieabgabe war ebenfalls eine schwierige Entscheidung. Wie viel kann von außen gelenkt werden und wie viel ist zu viel? Die 19 Staaten, die inzwischen Teil der Währungsunion sind, konnten nicht alle frei und selbst entscheiden, wie viel sie in die Hand Europas geben, schließlich wäre sonst der Sinn einer Währungsunion und gemeinsamen Geldpolitik verfehlt. Und auch als die Entscheidungen getroffen waren, musste zunächst der institutionelle Rahmen geschaffen werden, der die Weichen für eine einheitliche Geldpolitik stellt. 

Institutionelle Voraussetzungen

Die Voraussetzungen sind komplex, schließlich braucht es für die einheitliche Verwaltung auch die entsprechenden Strukturen. Das Euro-Währungsgebiet wurde durch die Übergabe der Nationalen Zentralbanken an die Europäische Zentralbank zum zweitgrößten Wirtschaftsraum der Welt nach den Vereinigten Staaten. Diese Übergabe und alle nachfolgenden Entscheidungen waren und sind einem gesetzlichen Rahmen gegenüber verpflichtet, der so im Vertrag über die Europäische Union (EUV) und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) festgehalten ist. Dazu kommt noch die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank (ESZB-Satzung). Die EZB selbst musste als institutionelle Grundlage als Organ von der EU geschaffen werden. Sie steht in Verbindung mit den nationalen Zentralbanken der einzelnen Ländern der Währungsunion und koordiniert die Zusammenarbeit. 
Sie selbst wiederum wird gesteuert von verschiedenen Beschlussorganen – ein System der kollektiven Entscheidungsfindung, das dem Grundgerüst der EU entspricht. Der EZB-Rat, ein erweiterter EZB-Rat und das EZB-Direktorium treffen Entscheidungen und legen Leitlinien fest, die zur Bestimmung der Geldpolitik notwendig sind. In allen Räten sind der Präsident und der Vizepräsident der EZB vertreten, im Rat und im erweiterten EZB-Rat sitzen außerdem Präsidenten der nationalen Zentralbanken. Im EZB-Rat sind nur die Präsidenten der nationalen Zentralbanken (NZBen) des Eurowährungsgebietes vertreten, während im erweiterten EZB-Rat auch die NZB-Präsidenten der anderen EU-Mitgliedsstaaten sitzen. 
Jedes Gremium hat dabei eigene Kompetenzen und Aufgaben: 

Das EZB-Direktorium (bestehend aus Präsident, Vizepräsident und vier weiteren Mitgliedern)

  • bereitet die Sitzungen des EZB-Rats vor.
  • führt die Geldpolitik gemäß den Leitlinien und Beschlüssen des EZB-Rates durch und erteilt die erforderlichen Anweisungen an die NZBen des Währungsraums.
  • führt die laufenden Geschäfte der EZB.
  • führt aus, was ihm vom EZB-Rat übertragen wurde. 
Der EZB-Rat (bestehend aus Direktorium plus die Präsidenten der NZBen der Euro-Währungsunion)

  • erlässt die Leitlinien und Beschlüsse, die notwendig sind, um die Erfüllung der übertragenen Aufgaben zu gewährleisten.
  • legt die Geldpolitik des Euro-Währungsgebietes fest.
Der erweiterte EZB-Rat (bestehend aus EZB-Rat plus Präsidenten der NZBen der EU-Mitgliedsstaaten)

  • verstärkt die Koordinierung der Geldpolitik auch außerhalb des Euroraums, um die Preisstabilität in der EU aufrechtzuerhalten.
  • erhebt statistische Daten.
  • übernimmt die Berichtstätigkeiten der EZB.
  • bereitet die Festlegung der Wechselkurse innerhalb der EU vor.
Unter diesen Vorzeichen wird die europäische Geldpolitik also bestimmt und geführt. Daraus ergeben sich die Wirtschafts- und Finanzstrukturen im europäischen Raum, die sich entsprechend deutlich in den einzelnen Ländern auswirken. 

Wirtschafts- und Finanzstrukturen des Euro-Raums 

Der Euro-Währungsraum ist nicht nur ein Raum der einheitlichen Geldpolitik. Diese ist in erster Linie daraus gewachsen, dass die EU sich als Wirtschaftsraum versteht und als dieser den zweitgrößten weltweit ausmacht. Die recht kleinen offenen Volkswirtschaften, die die einzelnen Staaten in der EU bilden, machen so im Gesamtbild deutlich mehr aus, als wenn sie für sich stünden. So können sie mit großen Volkswirtschaften – wie beispielsweise die der USA – mithalten und gemeinsam stark auftreten. 

Tatsächlich ist, gemessen an der Bevölkerungszahl, das Eurogebiet der größte entwickelte Wirtschaftsraum der Welt. Es hat einen erheblichen Anteil am weltweiten Bruttoinlandsprodukt. Der Industriesektor macht dabei nach dem Dienstleistungssektor den zweitgrößten Anteil aus. Einen kleinen Anteil nehmen noch Fischerei, Landwirtschaft und Forstwirtschaft. Diese wirtschaftlichen Strukturen ähneln denen in den Vereinigten Staaten und denen in Japan, dem drittgrößten Wirtschaftsraum der Welt. 

Auch der Arbeitsmarkt entwickelt sich der größeren Region entsprechend anders als noch zuvor. Eine größere Kaufkraft und ein anderes wirtschaftliches Wachstum haben auch die vermehrte Bildung von Arbeitsplätzen zur Folge gehabt: Wurden in den zehn Jahren vor Bildung der Währungsunion 7 Millionen Arbeitsplätze geschaffen, entstanden in den zehn Jahren danach knapp 13 Millionen. Durch komplexe Bestimmungen zum Kündigungsschutz, der Besteuerung der Arbeit und auch die Arbeitslosenunterstützung wurde die Situation der Arbeitnehmer in der EU zwar stabilisiert, diese „Verkrustungen“ führen jedoch zu einer Verlangsamung der Dynamik, so dass die Wirtschaft in der EU nicht immer direkte und unmittelbare Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zeigt. 

D
ie Volkswirtschaft des Euro-Gebietes ist durch den Zusammenschluss eine große, in sich recht geschlossene, kann jedoch nach außen hin einen stabilen Außenhandel aufweisen. So entfallen 38 Prozent des Bruttoinlandsproduktes auf Exporte und Importe von Waren und Dienstleistungen – im Gegensatz zu den vergleichbar großen Volkswirtschaften der USA und Japan ist das der größte Anteil überhaupt. Besonders wichtige Handelspartner sind das Vereinigte Königreich, die Vereinigten Staaten, sowie andere EU-Mitgliedsstaaten, die außerhalb der Währungsunion angesiedelt sind. Auch China, die Schweiz und Russland sind wichtige Außenhandelspartner. 

Da sich in Wirtschaftsfragen immer viele Faktoren gegenseitig bedingen, hat die Geldpolitik der EU natürlich immer direkte Auswirkungen auf die Länder des Euro-Währungsraums, aber auch auf die Länder in der Union, die sich dem Euro nicht angeschlossen haben. Die Geldmärkte bedingen sich gegenseitig und auch ein zusammenbrechendes Land – siehe Griechenland 2010 – lässt sich nicht aus der Union rausnehmen. Gewissermaßen gilt: Einer für alle, alle für einen. Dementsprechend braucht die EU ein sensibles Händchen wenn es um die Regulierung des Euro-Währungsraumes geht. Kleine Maßnahmen können große Wirkungen haben, diese jedoch zeigen sich erst mit Verspätung – ein unmittelbarer Eingriff ist schwierig. Welche Maßnahmen stehen ihr dazu zur Verfügung?

Strategien und Durchführung der Geldpolitik

Ziel der EZB ist es in erster Linie, Preisstabilität zu gewährleisten. Nach außen hin ist sie dabei von der wirtschaftlichen Entwicklung des gesamten Wirtschaftsraumes und der der Handelspartner abhängig. Nach innen jedoch kann die Europäische Zentralbank Maßnahmen ergreifen und über die Geldpolitik die Wirtschaft beeinflussen. 

Die Steuerung geht dabei in erster Linie über das Monopol der monetären Basis. Das bedeutet, dass die EZB die einzige Institution ist, die für Herausgabe und Zurückhaltung von Banknoten verantwortlich ist. Gibt sie mehr Banknoten heraus, werden Produktion und Preise kurzfristig angepasst und das Wachstum künstlich erhalten bleiben. Wird Geld einbehalten, kann hingegen einer Inflation vorgebeugt werden. Diese kleinen Maßnahmen haben keine sonderlich langfristigen Auswirkungen, kurzfristig können so aber stabilere Preise gehalten werden als ohne Steuerung. Das minimiert die Kosten für Inflation und Deflation, die eine Volkswirtschaft immer teuer zu stehen kommen, wenn sie unreguliert bleiben. 

Ein stabiles Preisniveau hat den weiteren Vorteil, dass es vorhersehbar bleibt. Das heißt, dass Gläubiger bei einer geringen Inflationsrate weniger Zinsen fordern können und ihr Risiko dennoch gering bleibt. Das hält die Investitionen hoch und baut Sicherheitsmechanismen in der Bevölkerung ab. Das wiederum sorgt für eine stabile Vermögensverteilung und eine hohe Finanzstabilität. All das sind Faktoren, die langfristig zum Aufbau und Erhalt von Wohlstand beitragen – ein Grund für die präzise Zielsetzung der EZB. 

Davon abgesehen kann die EZB auch eine Veränderung der Leitzinsen vornehmen und so für eine weitere Stabilität bei den Preisen sorgen. Sie machen damit den Zugang der Banken zum Geld leichter. Diese wiederum können ihren Kunden das Geld günstiger anbieten und weniger Zinsen verlangen – die Kaufkraft steigt trotz schlechter wirtschaftlicher Lage. Auf der anderen Seite schwächt das allerdings die Position der Sparer. Bedeutet: Die Niedrigzinspolitik kommt nicht überall gut an. Aber was ist eigentlich mit Niedrigzinspolitik gemeint, wenn letztendlich ja eigentlich nur mehr Geld „vorhanden ist“ und die EZB einzig und allein zur Preisstabilität beigetragen und mehr Geld in Umlauf gebracht hat? Das ist in der erweiterten Rolle der EZB zu erklären, die nicht nur als Notenbank fungiert, sondern auch politisch im Sinne der EU Einfluss nimmt. 

Die Rolle als politischer Akteur

Als Organ der EU wandelt die EZB auf einem schmalen Grat. Denn sie ist nicht nur Notenbank und verantwortlich für die Preisstabilität. Je nachdem wie sie agiert, hat ihr Handeln auch politische Auswirkungen. Das wird besonders in Krisenzeiten deutlich, wenn ihre Kompetenz nicht nur über Inflation und Deflation entscheidet, sondern auch das Wohl der Bürger bestimmt. 

Studien, die sich mit dieser grenzüberschreitenden Rolle befassen, nennen vor allem die Verhandlung der EZB über die Rahmenbedingungen des Rettungspaketes für Griechenland im Jahr 2010 und auch das Unter-Druck-Setzen der italienischen und spanischen Regierung, als es um die Bedingungen der finanziellen Unterstützung ging. In diesen Fällen wird besonders deutlich, welche Grenzen eine einfache Bank hätte – was als Europäische Zentralbank, die politisch zentral am Bestehenbleiben der Europäischen Union beteiligt ist, jedoch überschritten werden muss. 

Ein Mandat gegen die Krise

In den genannten Fällen überschritt die EZB ihre Handlungskompetenzen ganz ohne Mandat. Eine Tatsache, die nicht ganz ohne Schwierigkeiten kommt. Wann schließlich darf eine Institution einfach ihr Mandat überschreiten und ganz andere Aufgaben übernehmen, als ihr ursprünglich zugedacht wurden? Eigentlich nie. Allerdings waren diese Krisen in Europa gefährdend für das politische Grundgerüst. Die EU bestand zwar vor der Währungsunion und besteht auch aus wichtigerem als der alleinigen Euro-Zone. Letztendlich ist der Wirtschaftsraum aber auf die Währungsunion angewiesen. Ein Zerbrechen der Währungsunion würde gleichzeitig politische Folgen nach sich ziehen. Ein Risiko, dass die EU nicht eingehen kann und sollte. 

So wurde stillschweigend hingenommen, was die EZB in der Krise mit übernahm. Allerdings ist dabei nicht jeder glücklich. Denn die einheitliche Geldpolitik bedeutet auch, dass für alle alles gleich ist – und die einzelnen Märkte dennoch unterschiedlich reagieren. Ein niedriger Zins führt in den stärkeren Ländern zu einem sehr niedrigen Realzins während dieser in den schwächeren Ländern dennoch sehr hoch bleibt. Denn der Zins wirkt sich zwar auf Kaufkraft und Kreditvergabe aus, eine Auswirkung auf die Reallöhne und die Lebensbedingungen der Menschen hat sie jedoch nicht direkt. 

Die unterschiedlichen Auswirkungen haben entsprechend die Diskussion losgetreten, welche politische Stellung eine Europäische Zentralbank einnehmen darf – und was hingegen eine Mandatsüberschreitung ist. Klar wird dabei: Eine dauerhafte politische Stellung sollte ein rein technokratisches Institut nicht einnehmen dürfen. 

Die Stellung im Euro-Raum

Trotz der diskutierten Maßnahmen zeigt sich jedoch, dass die EZB erfolgreich ist. Nimmt sie also auch unkonventionelle Mittel in Kauf um ihre Aufgabe zu erfüllen, nimmt sie doch ihr Mandat ernst und wendet die Inflation erfolgreich ab. Damit bestätigt sie ihre wichtige Stellung im Euro-Raum und ihre zentrale Rolle in der Währungsunion, die sie als Organ der EU schlichtweg einnimmt. 

Dabei ist es wichtig, die Balance auch in Zukunft zu halten und zwischen politischer Einmischung und der rein technokratischen Steuerung zu balancieren. Gerade die Niedrigzinspolitik, die aus der Nichteinmischung und der „lockeren Geldpolitik“ herrührt, wird nicht von jedem gern gesehen. So plädiert auch Bundesfinanzminister Schäuble dafür, dass die EZB wieder mehr Einmischung vornimmt und durch eine Anhebung des Leitzinses wieder Kurs für die Sparer aufnimmt. 

Die (politischen) Interessen

Bereits
in der Vergangenheit hat die EZB dabei ihre Stellung immer wieder dann bekräftigt und vermehrt wahrgenommen, wenn wirklich Not am Mann war: Griechenland, Spanien und auch Italien wissen was es heißt, wenn die EZB politische Interessen durchsetzen will. Ihre Rolle nimmt sie ernst und sie scheut nicht davor, auch Staaten unter Druck zu setzen. Allerdings bleibt klar und deutlich: Das oberste Ziel ist die Preisstabilität. Diese ist nur der Zusammenhalt der Währungsunion unterstellt – etwas, das die EZB als Organ der EU durchsetzen kann und muss. 

Niedrigzinsen: Ursachen und Auswirkungen

Die aktuelle Geldpolitik der EZB ist in erster Linie von Niedrigzinsen geprägt. Diese resultieren aus der globalen Krise des Finanzmarktes 2007 und den Bemühungen, die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Durch die Senkung des Leitzinses konnte so die Liquidität deutlich erhöht werden, die Banken konnten Kredite vergeben und die Verbraucher weiter investieren. 

Das sorgt nicht überall für Freude. Denn auf der einen Seite konnte so kurzfristig für mehr Kredite gesorgt werden, langfristig aber verärgert diese Politik der niedrigen Zinsen die Sparer, die nicht mal die Inflation deckeln können. Die Transmissionsmechanismen – die Anpassung des Leitzinses – lassen sich dabei in ihrer Effektivität aber nicht nur kurzfristig beurteilen. Gerade die langwierige Reaktion zeigt erst den Erfolg oder Misserfolg einer Maßnahme, es geht also immer um mehr als nur das sofortige Auskommen. 

Kurzfristig lässt sich für die letzten Jahre jedoch festhalten, dass durch die Niedrigzinspolitik ein enormes Kreditvolumen freigesetzt werden konnte. Während Investoren davon auf lange Sicht aber nur mittelmäßig profitieren, hilft diese Politik vor allem dem einzelnen Bürger. Dafür reicht alleine ein Blick auf die Immobiliensituation in Deutschland und die Überlegung, was der niedrige Zins für Erleichterungen mit sich bringt: Einen Immobilienkredit aufzunehmen ist leichter geworden und auch die, die vor langer Zeit einen Kredit aufgenommen haben um das Eigenheim abzubezahlen, profitieren von der Situation: Für viele lohnt es sich gar, das Darlehen noch vor Ende der Laufzeit zu wiederrufen, um im Rahmen einer Umschuldung einen Kredit mit höheren Zinsen frühzeitig abzulösen. Das spart bei ca. 2 Prozentpunkten weniger Zinssatz schnell einen fünfstelligen Betrag – einen Vorteil, der gerne genutzt wird und somit auch bei der breiten Bevölkerung ankommt. Kurzfristig ist hier ein deutlicher Mehrwert für die Bevölkerung entstanden – etwas, das den Stand der EZB im Euroraum natürlich festigt und in der Basis verankert. 

Die Erfolge im Euroraum

Wo investiert wird kann also der Wohlstand wachsen – die niedrigen Zinsen haben trotz ihres schlechten Rufes also durchaus Erfolg. Es herrscht eine geringere Finanzmarktunsicherheit und Investments schaffen überdies Arbeitsplätze – so ist auch eine sinkende Arbeitslosenquoten mit zu den Erfolgen der EZB zu zählen. Das höhere Kreditvolumen führt so ebenfalls zu einem höheren Bruttoinlandsprodukt. Somit ist die EZB mit ihrer Politik nicht fehl am Platz. Ihre Laissez-faire Haltung zur Zinsentwicklung setzt nach wie vor die richtigen Impulse. 

Die Kritik an der Niedrigzinspolitik ist also nicht uneingeschränkt zu rechtfertigen. Die unmittelbaren Auswirkungen sind in erster Linie positiv zu bewerten. Die Frage ist, wie die Folgen auf lange Sicht aussehen werden und ob Schäuble recht behält, wenn er sich eine strengere Kontrolle des Leitzinses wünscht. Denn die Untersuchung der komplexen Zusammenhänge zeigt, dass die EZB mit einfachen und nur wenigen Mitteln eine breite Basis trifft und letztendlich jeder von den Auswirkungen getroffen wird. Das sind die Immobilienbesitzer und –erwerber im positiven Sinne und die Sparer im negativen Sinne, die für ihr zurückgelegtes Geld nichts mehr bekommen. 

Ob nun ein Anstieg des Leitzinses ratsam wäre, können nur detaillierte Analysen und Rechenbeispiele für zukünftige Fallbeispiele zeigen. In der Retrospektive jedoch fällt auf, dass die EZB bisher auch mit den ungewöhnlichen Maßnahmen erfolgreich war und den Geist Europas sinnvoll und würdig zusammenhält. Die Zukunft wird zeigen, ob sich diese Richtung beibehalten lässt. 
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