- Welt der Wunder Redaktion
- Michael Eichhammer
Skulpturen auf vier Rädern
Supersportwagen sehen meist aus, als entstammten sie aus einem Science Fiction-Film. Ihre Fahrleistungen wirken, als hätten sich Formel 1-Geschosse auf die Straße verirrt. Schon im Stand verkörpern sie auf den ersten Blick Sportlichkeit, Exklusivität und Luxus. Kein Wunder, dass diese Fahrzeuge für Viele als Traumautos gelten.
Was macht ein Auto schnell?
Beim Stichwort „schnelle Autos“ haben die meisten nur einen Aspekt im Sinn: die PS-Leistung. Das Kürzel PS steht zwar für „Pferdestärken“, doch steckt bei einem Auto mit 1.104 PS eigentlich eine Kavallerie von weit mehr als 1.104 Pferden unter der Haube. Denn ein Pferd kann – zumindest für einen kurzen Zeitraum – bis zu 15 Pferdestärken leisten. Fachleute geben die Fahrzeugleistung mittlerweile bevorzugt in Kilowatt an. Ein PS entspricht 0,73 Kilowatt.
Federleichte Giganten
Hohe PS-Zahlen allein sagen allerdings nicht viel aus. So hat etwa ein moderner Panzer eine vergleichbare Leistung wie ein Rennwagen – dennoch stünde bei einem Wettrennen fest, wer als erster durchs Ziel schießt. Das liegt an einer Formel, die uns eigentlich bereits aus dem Physikunterricht bekannt ist: Kraft = Masse x Beschleunigung. Will heißen: Ob ein Auto flink ist, hängt auch vom Gewicht ab. Je leichter, desto besser. Deshalb werden bei Supersportwagen gern Materialien wie ultraleichtes Carbon verbaut. Der Verbundwerkstoff stammt aus der Weltraumforschung und wiegt ein Drittel weniger als Aluminium. Auch das sogenannte Drehmoment, das in Newtonmeter (Nm) angegeben wird, spielt eine Rolle: Je größer dieser Wert, desto besser, denn: Ein Motor mit großem Drehmoment bringt schon bei geringer Drehzahl eine höhere Leistung. Das ist insbesondere beim Beschleunigen von Vorteil.
Warum sind Sportwagen oft sehr flach?
Ebenfalls wichtig für die Agilität: die Aerodynamik. Je kleiner der Strömungswiderstandskoeffizient (cw-Wert) desto „windschnittiger“ ist das Fahrzeug. Das Design mancher Sportwagen ist also nicht nur eine Geschmacksfrage, es soll auch dafür sorgen, dass der Gegenwind das Auto nicht verlangsamt. Letztendlich bleiben all diese Überlegungen im asphaltgrauen Alltag oft nur Theorie, denn die Höchstgeschwindigkeit wird man aufgrund der Verkehrsdichte auf realen Straßen vermutlich nie erleben können.
„Erstes Megacar der Welt“: Koenigsegg One:1
Alter Schwede, die Sportwagenmanufaktur Koenigsegg weiß wirklich, wie man die Leidenschaft der Autofans anstachelt: Den jüngsten Spross aus der schwedischen Traumwagen-Familie umschreibt das Unternehmen ohne falsche Bescheidenheit als „erstes Megacar der Welt“. Das Triebwerk der flachen Flunder leistet unglaubliche 1.360 PS. Damit hält der Wagen den aktuellen Rekord als schnellstes Serienfahrzeug der Welt. Wobei es sich in diesem Fall um eine wahrhaft kleine Kleinserie handelt: Lediglich sechs Exemplare gibt es auf der Welt – alle wurden sofort verkauft. Bemerkenswert, wenn man den Preis von 3,3 Millionen Euro bedenkt. Somit ist der One:1 gleichzeitig einer der schnellsten und einer der seltensten Supersportwagen. Den Motor sucht man vergeblich unter der Haube, denn der Mittelmotor versteckt sich hinter den Sitzen. Das V8-Aggregat ist mit zwei Turboladern bestückt und leistet 1.360 PS (1.000 Kilowatt), während das Gewicht ebenfalls bei 1.360 Kilogramm liegt. Daraus ergibt sich ein Leistungsgewicht von einem Kilogramm pro PS – ein bis dato als unmöglich geltender Wert, der auch den Namen des One:1 erklärt. Seine Höchstgeschwindigkeit von 440 Kilometern pro Stunde hat der Superlativ allerdings noch auf keiner Straße erreicht – es fehlt eine Strecke, die es erlaubt so schnell zu fahren.
Rekordweltmeister: Bugatti Veyron 16.4 Super Sport
Am 4. Juli 2010 schrieb die schönste Tochter des Volkswagen-Konzerns Geschichte: Ein orange-schwarz lackierter Bugatti stellte auf dem rund 20 Kilometer vom Firmensitz in Wolfsheim gelegenen Prüfgelände in Ehra-Lessien einen neuen Geschwindigkeitsweltrekord auf. Der Bugatti Veyron 16.4 Super Sport erreichte eine durchschnittliche Höchstgeschwindigkeit von 431 Kilometer pro Stunde und sicherte sich einen Eintrag in das Guinness Buch der Rekorde als schnellster für Straßen zugelassener Seriensportwagen. Der Wildfang in der Bugatti-Familie leistet dank seines 16-Zylinder-Triebwerks und vier Turboladern 1.200 PS (882 Kilowatt) bei einem maximalen Drehmoment von 1.500 Newtonmeter. Damit diese Leistung zusammen mit möglichst geringem Gewicht zu maximaler Kraftentfaltung führt, besteht die Außenhaut vollständig aus ultraleichter Kohlefaser. Den Geschwindigkeitsrekord des konzerneigenen Rekordfahrzeugs kann man allerdings mit dem für den Verkauf bestimmten Serienfahrzeug nicht wiederholen. Die Technik ist zwar bei beiden identisch, doch zum Schutz der Reifen – und der Verkehrsteilnehmer – wird in der für den Straßenverkehr zugelassenen Version der Motor bei 415 Kilometer pro Stunde elektronisch abgeregelt. Selbst auf deutschen Autobahnen ohne Tempolimit bleibt dieser Tachostand vermutlich dennoch bloße Theorie. Den Veyron auf der Autobahn zu erleben, ist ein seltenes Glück: Bei einem Einstiegspreis von 2,3 Millionen Euro ist die Zahl der stolzen Besitzer recht überschaubar.
Rennsport-Gene: McLaren P1
Der Namen McLaren ist eine feste Größe im Motorsport. Mittlerweile tritt das Rennteam unter dem Namen McLaren Mercedes an. 1965 von dem Neuseeländer Bruce McLaren gegründet, zählt das Team nach der Scuderia Ferrari als am längsten in der Formel 1 vertretener Rennstall. Von dieser Rennsport-Erfahrung profitieren auch die firmeneigenen Flitzer mit Straßenzulassung. Der McLaren P1 ist mit Leichtbau-Materialien wie Carbon, Titan und Magnesium ausgestattet. Die 916 PS des V8-Biturbo-Triebwerks, gepaart mit seinem Fliegengewicht von 1.400 Kilogramm, machen den P1 zum Athleten. Im Inneren des Supersportlers schlagen gleich zwei Herzen, denn neben dem Verbrennungsmotor sorgt ein Elektromotor für zusätzliche Kraft. Der Fahrer hat die Wahl, ob er beide oder nur einen der Motoren einsetzt. Somit ist der P1 im Elektro-Betrieb das wohl aufregendste „Öko-Auto“ der Welt. Damit der Wagen selbst im Geschwindigkeitsrausch förmlich am Boden klebt, erzeugen Unterboden und Diffusor zusammen mit dem beweglichen Heckflügel bis zu 600 Kilogramm Anpressdruck – fast so wie der große Bruder GT3 aus dem Rennsport. Die Höchstgeschwindigkeit wird elektronisch begrenzt auf 350 Kilometer pro Stunde. Wer den Wagen allerdings als Katapult benutzen will, kann in nur 2,8 Sekunden aus dem Stand auf 100 Kilometer pro Stunde beschleunigen. Die Preise starten bei rund einer Million Euro.
Schön und temperamentvoll: Pagani Huayra
Marken wie Ferrari und Lamborghini beweisen eindrucksvoll, dass Italien so etwas wie das Mutterland der ästhetischen Sportwagen ist. Diese Mischung aus rassiger Schönheit und südländischem Temperament bietet auch die weniger bekannte Luxusmarke Pagani. Das Modell Huayra verdankt seinem Namen der Sprache der Aymara: „Huayra Tata“ ist der Gott des Windes des in Bolivien und Peru ansässigen Anden-Volkes. Auto-Enthusiasten huldigen ebenfalls dieser Gottheit, denn der Pagani Huayra spricht mit seinem extravaganten Design Liebhaber exotischer Fahrzeuge an. Die „Windstärke“ des göttlichen Mobils liegt dank des V12-Biturbos bei 730 PS und 1.00 Newtonmeter. Zudem erreicht der Huayra „Windgeschwindigkeiten“ bis zu 370 Kilometer pro Stunde. Um sich gottgleich zu fühlen und in Windeseile an den anderen Autos vorbei zu rauschen, ist ein Startkapital von 1,1 Millionen Euro Voraussetzung.
Märchen aus 1.104 PS: Zenvo ST1
Der Zenvo ST1 kommt aus einem Land, an welches man nicht zwingend als erstes denkt, wenn es um Sportwagen geht: Dänemark. Für den Sprint von 0 auf 100 Kilometer pro Stunde braucht der Wagen lediglich drei Sekunden. Das PS-Monster könnte vermutlich wörtlich unter dem Radar fliegen, wenn die Dänen nicht pflichtbewusst dafür gesorgt hätten, dass der 810 Kilowatt starke Wagen bei 375 Stundenkilometern elektronisch abgeregelt wird. Wie die Mitbewerber setzt auch Zenvo auf Exklusivität: Der ST1 soll mit derzeit 15 Fahrzeugen in Kleinserie gehen. Mit einem Preis von ca. 900.000 Euro bleibt das Traumauto dennoch unter der Eine-Million-Schallmauer.
Nur was für erfahrene Rodeo-Reiter: Hennessey Venom GT
Raketenfahrzeuge werden vornehmlich auf ausgetrockneten Salzseen auf Rekordfahrt geschickt. Dort sind die Rahmenbedingungen ideal: eine nahezu ebene Fläche, keine anderen Verkehrsteilnehmer. Auch das hier abgebildete Projektil wäre auf Salzseen oder Rennstrecken besser aufgehoben. Dennoch hat der Hennessey Venom GT eine Straßenzulassung. Seine Rekordfahrt wurde allerdings standesgemäß auf einer geschichtsträchtigen Strecke zelebriert auf der normalerweise keine Sportwagen unterwegs sind, sondern Raumschiffe: Auf dem Shuttle-Landestreifen des Kennedy Space Center in Florida erreichte der GT 435,31 Stundenkilometer. Ebenfalls als Rekordwert verbucht: Der Spurt von 0 auf 300 Kilometer pro Stunde in nur 13,6 Sekunden. Der Herkunftsort des Wagens galt schon immer als das Land der unbegrenzten Motor-Möglichkeiten: die USA. Hinter dem Superlativ mit 7-Liter-V8-Biturbo steckt ein Kleinserienhersteller und Fahrzeug-Tuner aus Texas. Selbstredend ist der Venom GT nichts für Fahranfänger. Nicht nur hinsichtlich des Preises von über einer Million Euro: Die 1.261 texanischen Pferdestärken sind auch nur von erfahrenen Rodeo-Reitern zu zähmen.
Doppelt hält besser: Saleen S7 Twin Turbo
Mit seiner maximalen Geschwindigkeit von 399 Kilometern pro Stunde kratzt der Saleen S7 Twin Turbo an der magischen 400 km/h-Marke. Der Beiname „Twin Turbo“ verrät, dass das sportlich aufgerüstete Modell im Vergleich zum herkömmlichen S7 einen doppelt befeuerten V8 an Bord hat. Der Saleen S7 Twin Turbo katapultiert von 0 auf 100 Kilometern pro Stunde in 2,8 Sekunden. Für alle, auf die Zahlenspiele zu abstrakt wirken, haben wir ein konkretes Beispiel: Die Luftströmung des S7 und der durch die Spoiler (Heckflügel) erzeugte Abtrieb sind derart effektiv, dass der Wagen ab 220 Kilometern pro Stunde in der Lage wäre, an der Decke zu fahren. Mit einem Preis von 423.000 Euro wirkt das Auto im Vergleich zur Konkurrenz fast schon wie ein Schnäppchen. Zumal man ein modisch auf den S7 abgestimmtes dreiteiliges Lederkoffer-Set gratis dazu bekommt.
„Muscle Car“: SSC Ultimate Aero TT
Bei diesem Supersportwagen aus dem Hause Shelby SuperCars (SSC) ist der Name Programm: Der SSC Ultimate Aero TT bietet Bleifuß-Fanatikern den ultimativen Fahrspaß. 1.183 PS jagen den Flitzer auf maximal 412 Kilometer pro Stunde Reisegeschwindigkeit. Firmensitz des Kleinserienherstellers ist das Mutterland der „Muscle Cars“: die USA. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass einer der Fahrgäste den puren Nervenkitzel der Fahrt nicht als spannend genug empfinden, sorgt eine Audio- und DVD-Anlage mit zehn Lautsprechern für zeitgemäße Unterhaltung. 470.000 Euro wirken für so viel Ultimatives fast schon günstig.
Futuristischer Kampfbulle: Lamborghini Aventador LP 700-4
Auch die weltbekannte Marke mit dem Stier als Wappentier darf natürlich in der Galerie der schnellsten Sportwagen mit Straßenzulassung nicht fehlen. Der futuristische Lamborghini Aventador sieht bereits im Stand sprungbereit aus. Zu Recht, denn der 700 PS starke Wagen mit V12-Saugmotor sowie einem maximalen Drehmoment von 690 Newtonmeter beschleunigt in nur 2,9 Sekunden auf 100 Kilometer pro Stunde. Der Geschwindigkeitsrausch pegelt sich bei 350 Kilometern pro Stunde ein, denn dann ist die Höchstgeschwindigkeit erreicht. 313.000 Euro kostet der Fahrspaß. Seinen Namen trägt der Wagen übrigens als Hommage an einen gleichnamigen Kampfbullen.
Federleichte Sportlichkeit: Noble M600
Beim Herkunftsland England denkt man in Sachen exklusive Fahrzeuge vor allem an Marken wie Aston Martin, Bentley und Rolls Royce. Während diese Hersteller neben sportiver Dynamik vor allem auf Komfort setzen, verkörpert der 659 PS starke Noble M600 mit Twinturbo-Motor dagegen kompromisslose Sportlichkeit. Der innen wie außen puristische Sportwagen verzichtet auf Schnickschnack wie Antiblockiersystem (ABS), Klimaanlage oder bequeme Ledersitze. Er amüsiert die Insassen mit einer Höchstgeschwindigkeit von 362 Kilometer pro Stunde. Die Karosserie aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff ist so leicht, dass sie einen Sprint vom Stand auf Tempo 100 in dreieinhalb Sekunden ermöglicht. Jährlich werden rund 50 Exemplare der Rennsemmel gebaut. Mit seinem Preis von 230.000 Euro bietet der M600 dem kleinen Kreis solventer Sportwagenfans ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Für die meisten Autofahrer bleibt jedoch selbst dieses Einstiegsmodell in die Welt der Hochgeschwindigkeitserlebnisse ein unerfüllbarer Traum. Da mag es ein Trost sein, dass selbst das schnellste Auto von den gleichen Widrigkeiten ausgebremst wird wie jeder Kleinwagen auch – Ampeln, Staus, Radarfallen, Tempolimits und Spritkosten.