- Welt der Wunder Redaktion
- Michael Eichhammer
Rosalind Franklin und die DNA
1962 ging der Nobelpreis für Medizin an den Amerikaner James D. Watson und die Engländer Francis Crick und Maurice Wilkins. Ihre Erforschung der Doppelhelix-Struktur der DNA galt als bedeutendste und folgenreichste genetische Entdeckung. Es ging um nicht weniger als den ersten Schritt zur Entschlüsselung des Erbgutes – und damit den Code für alle Lebewesen. Die Sache hatte nur einen Haken. Zumindest für eine Dame namens Rosalind Franklin. Dass sie nicht einmal in der Dankesrede erwähnt wurde, hatte einen bedauerlichen Grund ...
Rosalind Franklin und der DNA-Diebstahl
Die prämierten Wissenschaftler hatten sich nämlich ein regelrechtes Wettrennen mit dieser Konkurrentin geliefert. Dabei hatten sie unbefugt Einblick in die unveröffentlichten Forschungsunterlagen von Rosalind Franklin bekommen. Der Wissensvorsprung der Dame war dank ihrer Röntgenstruktur-Aufnahmen so groß, dass der Nobelpreis in den Augen vieler Kritiker eigentlich ihr gebühren würde, denn: Lange vor der Nobelpreis-Verleihung hatte Rosalind Franklin den beiden späteren Gewinnern gesagt, dass sie deren Theorie für Unsinn hielt. Damals nämlich gingen Watson und seine Kollegen noch davon aus, dass die DNA eine Triple-Helix-Struktur hätte. Aus Rache diffamierte das Trio die Kollegin. Besonders tragisch: Ihre Rehabilitierung erlebte Franklin nicht mehr, denn das geschah erst zehn Jahre nach ihrem Tod.
Karl Drais und das Fahrrad
Karl Freiherr von Drais verzichtete auf seinen Adelstitel, um seine Zugehörigkeit zum Bürgertum zu signalisieren. Ein noch größerer historischer Verdienst allerdings sollte seiner Erfindung des Fahrrades bzw. der „Laufmaschine“ gelten, wie er sein Gerät selbst nannte. Während sein Fahrrad-Prototyp noch vier Räder hatte, war seine „Fahrmaschine neuester Gattung“ dann ein Zweirad.
Karl Drais – Genie oder Narr?
Dass man damit sowohl in der Stadt als auch auf dem Land fahren konnte, ohne auf die vorgegebenen Routen von Schienen oder auf Pferde angewiesen zu sein, war eigentlich eine Sensation, doch tragischerweise wurde Drais über 150 Jahre lang als „verrückter Baron“ lächerlich gemacht. Der Hintergrund war eine politische Verschwörung, denn der republikanisch gesinnte Adlige, der freiwillig zum Bürgertum „konvertierte“, war der alten Feudalherrschaft ein Dorn im Auge. Die Entmündigung des böswillig als Halbnarren eingestuften Drais wurde angestrebt. 1851 verstarb er, noch bevor er in eine Anstalt eingeliefert werden konnte. Erst Anfang der Neunzigerjahre im 19. Jahrhunderts entdeckten Radfahrer-Vereine, wem sie ihre Erfindung wirklich zu verdanken hatten.
Siegfried Marcus und das Automobil
Zehn Jahre vor den ersten deutschen oder französischen Benzin-Automobilen konstruierte Siegfried Marcus angeblich 1877 in Wien ein mit Benzin betriebenes Auto. Der Schönheitsfehler: Außerhalb des technischen Museums in Wien, wo das Fahrzeug heute steht, ist dieser Umstand recht unbekannt. Und das zurecht, geht es nach der Forschungsarbeit des Technikhistorikers Horst Hardenberg. Denn er ist der Überzeugung, dass Marcus' Auto frühestens aus dem Jahr 1888 stammen kann – was ihm seine Pionierleistung abspricht. Die Wahrheitsfindung gilt bis heute als nicht abgeschlossen. Fest steht lediglich, dass Siegfried Marcus nicht die Geschäftstüchtigkeit von Mitbewerbern wie Carl Friedrich Benz oder Gottlieb Daimler (die Urväter der Mercedes-Marke) mitbrachte. So hatte er zwar Patente angemeldet, deren finanzielles Potenzial aber nicht weiterverfolgt.
Siegfried Marcus und die geheime Zauberkraft
Die Abbildung zeigt einen von Siegfried Marcus erfundenen Viertaktmotor. Aber war er wirklich früher dran mit der Erfindung des Benzin-Automobils als die weltbekannten Herren Daimler und Benz? Glaubt man einem Zeitzeugen, lautet die Antwort „ja“. In seinen Memoiren glaubt sich der Schriftsteller Emil Ertl an die Fahrt mit einem Marcus-Wagen im Jahr 1871 zu erinnern: „Wir fuhren! Fuhren ohne Pferde dahin! Fuhren wie durch geheime Zauberkraft getrieben! Und es war ein königliches Gefühl.“ Ertl schreibt, es handele sich um „den ersten Benzinkraftwagen, den die Welt gesehen“ hätte. Schöne Anekdote, doch leider erfunden. Das gab der Schriftsteller später selbst zu. Fest steht: Marcus war der erste, der ein Fahrzeug mit Benzinmotor antrieb und dabei die magnetelektrische Zündung verwendete. Ob man dieses Verkehrsmittel aber bereits als Auto bezeichnen will, bleibt umstritten.
Nikola Tesla und der Wechselstrom
In der langen Geschichte der verkannten Genies liegt er auf Rang 1 der ewigen Bestenliste. Noch heute ranken sich Legenden um Nikola Tesla (1856-1943) und seine bahnbrechenden Erfindungen. Nicht nur unter Science Fiction-Fans gilt er als Kultfigur, das Subgenre Teslapunk verdankt ihm seinen Namen. 2016 erscheint der Film „Tesla“ über sein Lebenswerk. Auch die auf Elektrofahrzeuge spezialisierte Automarke Tesla huldigt ihm mit dem Firmennamen. Zu den bis heute unbewiesenen Verschwörungstheorien über Nikola Tesla zählt unter anderem, sein Erzrivale Edison habe seine Ideen gestohlen oder das FBI habe seinen Nachlass beschlagnahmt. Ebenfalls eine beliebte urbane Legende: Das US-Militär (oder wahlweise die Russen) hätten aufgrund seiner Erfindungen überlegene „Tesla-Wunderwaffen“ entwickelt.
Nikola Tesla und die unmögliche Sache
Jenseits des Unbeweisbaren steht fest: Nikola Tesla war, auch wenn andere den Ruhm in Sachen Stromgewinnung einheimsten, seinem ewigen Gegenspieler Edison gleichbedeutend – wenn nicht gar überlegen. Zu seinen größten Errungenschaften, die nachhaltig bis in unsere Zeit wirken, zählt die Nutzung des Wechselstroms. Die Idee dazu kam Tesla bereits im Studium. Gut, dass er nicht auf seinen Professor hörte, denn der hielt seine Ideen für „eine unmögliche Sache“. Was ihm gelang, stieß bei den Zeitgenossen auf Ignoranz. Heute wissen wir: Erst Teslas Wechselstrom-Nutzung ermöglichte einen wesentlichen Aspekt der modernen Zivilisation: die flächendeckende Übertragung großer Strommengen über weite Strecken. Auch drahtlose Verbindungen, der Radioempfänger, der Radar, Fernsteuerungen und Neonröhren basieren auf Teslas Visionen.
Nikola Tesla, Edisons unterschätzter Gegner
1882 kam es zu einem bedeutungsvollen Zusammentreffen in Paris: Tesla sprach bei einem Mann vor, der als einer der einfalls- und einflussreichsten seiner Zeit galt. Thomas Alva Edison, Herr über die Edison Company, hörte Tesla aufmerksam zu, als dieser sein Wissen preisgab, tat aber so, als wäre dies uninteressant für ihn. Später sollten beide Konkurrenten werden. Der Ruhm ging an Edison, was vor allem an dessen Geschäftstüchtigkeit lag. Tesla dagegen verkaufte so manches Patent aus Geldnot oder wehrte sich nicht, wenn ihm Ideen offenkundig gestohlen wurden. Wie viel Potenzial sein Schöpferdrang hatte, zeigte Tesla unfreiwillig bei einem Versuch mit einem kleinen elektromechanischen Oszillator. Dieser löste ein künstliches Erdbeben aus und drohte, das Gebäude zum Einsturz zu bringen. Erschrocken zertrümmerte Tesla seine Erfindung mit einem Hammer. Später brüstete er sich jedoch, er könne mit dem kleinen Gerät das Empire State Building zum Einsturz bringen.
Nicolai Tesla, Opfer der Stromkonzerne?
Tesla fand einen eigenwilligen Weg, seine Innovationen publikumswirksam zu präsentieren: Da seine Erfindungen geradezu magisch auf das Publikum seiner Zeit wirkten, demonstrierte er diese effekthascherisch wie ein Zauberer. Mit Erfolg: Der Bankier John P. Morgan finanzierte Teslas Forschung großzügig. Doch als dieser ihm von seiner Vision einer Zukunft mit alternativen Energien für jeden Haushalt erzählte, ließ der Bankier ihn fallen – Morgan war Mitinhaber einer der größten Stromkonzerne Amerikas und das Letzte, was er gebrauchen konnte, waren alternative Energien. Seine späten Jahre verbrachte der menschenscheue Erfinder am liebsten allein im Laboratorium, obwohl die Damenwelt ihn aufgrund seines Aussehens und der eleganten Kleidung mit Fanpost und eindeutigen Angeboten überschüttete. Eine Aufmerksamkeit, die ihm die Geschichte lange verwehrte.
Mehr im Buch „Verkannte Pioniere“
Diese und weitere Beispiele für geniale Erfindungen und Entdeckungen, ihre spannenden Entstehungsgeschichten und die oft tragischen Helden dahinter werden ausführlich und spannend erzählt in dem Buch „Verkannte Pioniere“ von Armin Strohmeyr.
Verlag: Styria Premium,
304 Seiten, Taschenbuch
ISBN 978-3-222-13507-1
Preis: 18 Euro