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Zuckertabletten, Salzlösungen oder das fachmännische Auftreten eines Doktors im weißen Kittel: All dies besitzt die Fähigkeit, uns gesund zu machen. Wenn der Patient nur an die heilende Wirkung glaubt. Unmöglich? Im Gegenteil! Ein Großteil aller Heilwirkung beruht genau auf diesem „Placebo-Effekt“. Entdeckt wurde das Phänomen im Zweiten Weltkrieg. Seither versuchen Forscher, das Geheimnis des Placebo-Effekts zu entschlüsseln. Ihre Vermutung: Oft sind es gar nicht die Wirkstoffe in Medikamenten, die uns gesund machen. Vielmehr heilt unser Körper sich einfach selbst.
Die Kraft der Einbildung
Therapien ohne spezifische Wirkung wurden schon immer verordnet. Ohne es zu wissen, nutzten Heiler früherer Zeiten mit ihren zum Teil abenteuerlichen Methoden den Placebo-Effekt. Denn viele dieser heute zweifelhaften Mittel sollen geholfen haben. Das Wort „Placebo“ stammt übrigens aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie „Ich werde Gutes tun“.
Entdeckung im Zweiten Weltkrieg
Die wissenschaftliche Erforschung des Placebo-Effekts geht auf den Zweiten Weltkrieg zurück. Einem amerikanischen Anästhesisten namens Henry Beecher, der damals in Italien stationiert war, ging das Schmerzmittel Morphin aus, das er verwundeten Soldaten zu spritzen pflegte. In seiner Verzweiflung verabreichte er seinen Patienten daraufhin eine schwache Kochsalzlösung. Und das Erstaunliche geschah: Die Patienten hatten anschließend kaum noch Schmerzen – wie bei dem ursprünglich genutzten Medikament. Dieses Ergebnis spornte Beecher zu weiteren Studien an. Als er 1955 eine Arbeit mit dem Titel „The Powerful Placebo“ im „Journal of the American Medical Association“ veröffentlichte, war die Placebo-Forschung wissenschaftlich anerkannt.
Vertrauen ist (fast) alles
Wichtigste Voraussetzung für einen Placebo-Effekt: Der Patient muss das Gefühl haben, dass er ein wirksames Medikament erhält. Dabei sind große Pillen wirkungsvoller als kleine, Kapseln besser als Pillen, bunte besser als weiße und Spritzen effektiver als Tropfen. Eine entscheidende Rolle spielt auch der Arzt. Je überzeugender er eine Heilung verspricht, desto wirksamer ist das Placebo. Dabei vermitteln auch die Kleidung und die Instrumente des Arztes dem Patienten ein gewisses Maß an Kompetenz und Sicherheit.
Morphium aus dem eigenen Körper
Am besten untersucht ist die Wirkung von Placebos bei Schmerzen. Sie wirken umso besser, je aufwendiger die Behandlung ist. Der schmerzlindernde Effekt von Placebos läuft über körpereigene morphiumähnliche Substanzen – die endogenen Opiate – ab, die der Körper ausschüttet, um den Schmerz zu unterdrücken. Erwartet der Patient den positiven Effekt einer Behandlung, aktiviert sein Körper gleichsam sein eigenes System zur Unterstützung.
Der böse Zwilling
Der Gegenspieler des Placebo-Effekts ist der Nocebo-Effekt. Mit „Nocebo“ bezeichnen Experten die unerwünschten Wirkungen von Placebos. Sie entstehen häufig dann, wenn Ärzte bei der Verabreichung des Placebos gezielt auf mögliche Nebenwirkungen wie Übelkeit, Kopfschmerzen oder Mundtrockenheit hinweisen. Nocebos haben sich als ebenso wirksam erwiesen wie Placebos. Letztendlich beeinflusst unser Nervensystem mehr Prozesse in unserem Körper als allgemein angenommen.
Die Tricks der Mediziner
Placebos gehören heute in der klinischen Pharma-Forschung zum Alltag. Bevor ein neues Arzneimittel zugelassen wird, muss es Wirksamkeitsprüfungen bestehen. Die Versuchspersonen bekommen dabei in einem Doppelblindversuch ein echtes Medikament und ein Placebo. Weder Arzt noch Patient wissen, ob der Patient die echte oder die Scheintablette erhält.
Beruhigung dank Placebo
Einer der Pioniere in der Placebo-Forschung ist der Turiner Neurobiologe Fabrizio Benedetti. In einem Experiment setzte er seine Versuchspatienten einem starken Schmerz aus. Ihr Körper reagierte daraufhin mit Aufregung und das Herz begann zu rasen. Nachdem er ihnen mit beruhigenden Worten ein Placebo verabreicht hatte, schlug ihr Herz wieder im richtigen Takt.
Der Körper gleicht den Mangel selbst aus
Benedetti konnte außerdem beweisen, dass einzelne Nervenzellen im Gehirn von Parkinson-Patienten auf Placebos reagieren. Er injizierte dazu seinen Patienten eine einfache Kochsalzlösung direkt ins Gehirn. Denn die Patienten waren es gewohnt, auf diese Weise Medikamente zu erhalten, die den fehlenden Botenstoff Dopamin im Gehirn ersetzen. Und tatsächlich: Das für die Krankheit typische Zittern ließ nach. Der Körper muss also nach der Verabreichung des Placebos von sich aus wieder mehr Dopamin produziert haben.
Gesund durch Scheinoperationen
Auch Operationen können einen Placebo-Effekt haben. So operierte der amerikanische Chirurg Bruce Moseley bei einem Test die Kniegelenke einiger Arthrosepatienten nur zum Schein: Von 180 Patienten operierte er nur zwei Drittel tatsächlich. Den Übrigen schnitt er bei vollem Bewusstsein lediglich die Haut auf und nähte diese gleich wieder zu. Auf dem Monitor lief währenddessen zur Täuschung die Aufzeichnung einer anderen, tatsächlich durchgeführten, Operation. Zwei Jahre danach waren 90 Prozent beider Patientengruppen mit ihrem Befinden zufrieden. Die Scheinoperierten waren sogar schmerzfreier. Dabei wussten die Behandelten nicht, ob sie der Placebo-Gruppe angehörten oder nicht.