Auf einer Hochebene im Süden der Türkei liegt Çatalhöyük (ausgesprochen: „Tschatal Höjük“) – eine der wichtigsten Ausgrabungsstätten der Welt. Dort, so vermuten manche Forscher, könnte die erste Stadt überhaupt entstanden sein. Schon in der Steinzeit, im Jahr 9400 vor Christus, siedelten hier Menschen in Lehmziegelhäusern, die dicht gedrängt standen. Höhlenmalereien, Grabbeigaben, Teile von altertümlichen Werkzeugen und Brandspuren erzählen heute von der einstigen Metropole. Mehrere tausend Menschen sollen hier gelebt haben.
Doch eine Stadt darf sich erst dann „Stadt“ nennen, wenn sie klar umgrenzt war, eine eigene Verwaltung und kommunale Einrichtungen hatte und ein Knotenpunkt inmitten großer Verkehrswege war. Çatalhöyük hatte nichts davon: keine Stadtmauer, keine zentrale Organisation, es gab bislang nicht einmal Straßen. Kann der Ort damit trotzdem noch als Stadt gelten?
Stadtmauer oder Staudamm?
Auch eine andere Stadt erhebt Anspruch auf den Titel: Jericho existierte bereits 8.000 vor Christus, vermutlich sogar früher. Hier stützt sich der Titel Stadt auf die Funde einer alten Stadtmauer. Allerdings glauben manche Forscher, dass es sich hierbei lediglich um einen Staudamm gehandelt haben könnte. Sollte sich das bewahrheiten, wäre damit auch die Metropole in den heutigen palästinensischen Autonomiegebieten aus dem Rennen gefallen.
Anfang der Nullerjahre entdeckten Archäologen Spuren früher Besiedelung an einem weiteren Ort – in Indien, im Golf von Khambhat. Schon vor vielen Jahrtausenden galt die Bucht als wichtiges Handelszentrum, doch Hinweise auf eine steinzeitliche Stadt waren vom Meer überschwemmt worden. Bei der Untersuchung der Überreste stellten Wissenschaftler jedoch fest, dass hier schon im Jahr 9500 vor Christus Menschen gesiedelt haben müssen. Noch wissen die Forscher allerdings zu wenig über diesen Ort, um genauere Aussagen treffen zu können.
Schriften als Beweis?
Eine vierte und letzte Stadt jedoch hat noch einen Trumpf in der Hinterhand: Die syrische Hauptstadt Damaskus ist die erste Stadt der Welt, die schriftlich erwähnt wurde. Die frühen Aufzeichnungen beschreiben sie bereits im 15. Jahrhundert vor Christus. Einige Historiker glauben sogar, dass Damaskus noch wesentlich älter ist und dass hier schon tausend Jahre vor seiner schriftlichen Erwähnung Menschen siedelten.
Fest steht bislang nur: Damaskus ist die älteste dauerhaft besiedelte Stadt. Çatalhöyük wurde von den Siedlern um das Jahr 5700 vor Christus herum aufgegeben, warum ist unklar. Und auch Jericho durchlief immer wieder Phasen, in denen die Stadt bis auf die Grundmauern verfiel. Solange also keine neuen Erkenntnisse vorliegen, werden sich also derzeit noch mehrere Orte den Titel „Älteste Stadt der Welt“ teilen müssen.