In den frühen Morgenstunden des 7. Dezember 1941, rund 400 Kilometer nördlich von O’ahu, einer der Hauptinseln des Hawaii-Archipels, erfuhr der Zweite Weltkrieg eine entscheidende Wendung. Mehr als 180 japanische Kampfflugzeuge starteten von den Decks der insgesamt sechs Flugzeugträger zu ihrem Angriff auf die in Pearl Harbor stationierte US-amerikanische Pazifikflotte. Der japanische Überfall kostete 2400 Amerikaner das Leben, zerstörte mindestens zwölf Kriegsschiffe und setzte die gesamte Seestreitmacht der USA im pazifischen Raum für Monate außer Gefecht.
Am 8. Dezember erklärten die bis dahin isolationistisch agierenden Vereinigten Staaten dem Kaiserreich den Krieg. Der Zweite Weltkrieg hatte damit auch die USA erfasst. Abgesehen von den weltpolitischen Folgen gilt das traumatische Ereignis amerikanischer Geschichtsschreibung auch als Revolution in der Kriegsführung. Niemals zuvor war es einer Streitmacht gelungen, über tausende von Seekilometern eine derart große Schlagkraft zu entwickeln.
Fortan dominierten Flugzeugträger die Weltmeere. Sie lösten die klassischen Schlachtschiffe ab. Der vernichtende Angriff auf Pearl Harbor unterstrich die Bedeutung der Flugzeugträger als Kombination aus Luft- und Seestreitkräften. Bis heute bilden sie das militärische Rückgrat der letzten verbliebenen Großmacht USA.
Als Erster wagte der US-Amerikaner Eugene Eyl 1910 das gefährliche Manöver vom eigens dafür umgebauten Deck des Kreuzers USS Birmingham: Über eine hölzerne Plattform gelang dem tollkühnen Piloten mit seinem Doppeldecker der Start von Bord eines Schiffes. Wenige Monate später versuchte Ely auch die Landung auf einem Flugdeck. Das Problem der zu kurzen Landebahn auf dem umgebauten Kreuzer Pennsylvania geriet zur Geburtsstunde der Landetechnik mit Fangseil und Haken, wie sie auch heute noch von modernen Kampfjets genutzt wird.
Um sein Flugzeug rechtzeitig abzubremsen, musste Ely bei seiner Jungfernlandung auf Deck der Pennsylvania versuchen, eine der stabilen, straff über das Deck gespannten Trossen mit einem Fanghaken zu fassen zu kriegen. Der Erfolg war bahnbrechend und legte den Grundstein für die Marinefliegerei.
Pioniere der Marinefliegerei
Einer der wichtigsten Akteure zu Beginn der Verschmelzung von Luft- und Seestreitkräften war der aus dem Bundesstaat New York stammende Glenn Curtiss. Seine Überlegungen, das Verhältnis von Gewicht und Leistung verschiedener Motorentypen zu optimieren, brachte ihn zur Marinefliegerei. Curtiss stand nicht nur seinem Testpiloten Eyl bei. Der begnadete Tüftler und Mechaniker bildete auch die ersten Piloten der US-Navy aus. Früh erkannte er das ungeheure Potenzial von Flugzeugträgern: „Wenn ein Flugzeug, das nur ein paar tausend Dollar kostet, ein Schlachtschiff im Wert von einer Million versenken kann, muss sich die Marine auf ein paar einschneidende Veränderungen einstellen.“
Die Veränderungen ließen nicht lange auf sich warten. Mit Hochdruck arbeiteten Ingenieure und Piloten im Auftrag der Marine an der Weiterentwicklung der Flugzeugträger. Vor allem die britische Marine, die US Navy und später auch die japanische Flotte zeigten großes Interesse an den schwimmenden Fliegernestern.
Die ersten Flugzeugträger wurden während des Ersten Weltkriegs gebaut. Zu Anfang entstanden sie noch meist aus dem Umbau von halbfertigen Schlachtschiffen oder wie im Fall der USS Langley 1922 aus einem Marine-Kohletransporter. Der erste Luftangriff von Bord eines Schiffes aus erfolgte 1918 von der HMS Furios. Der britische Kreuzer schickte seine Maschinen über ein knapp 70 Meter langes Flugdeck gegen die deutschen Zeppelinhallen in Tondern aus. Der Erfolg war überwältigend, auch wenn die Flugzeuge damals noch auf dem Wasser landen mussten und dabei größtenteils verloren gingen.
Im Zweiten Weltkrieg schlägt die Stunde der Flugzeugträger
Welch vernichtende Wirkung einige wenige Flugzeuge im Kampf gegen Großkampfschiffe mit einigen tausend Mann Besatzung erzielen konnten, erschloss sich der Weltöffentlichkeit 1940 im Golf von Tarent. Im Schutz der Dunkelheit startete am 11. November eine Flugzeugstaffel vom britischen Flugzeugträger Illustrious. Ihr Ziel: Die Hauptmacht der italienischen Kriegsflotte im Hafen des süditalienischen Tarent. Abgeworfene Torpedos durchpflügten das Hafenbecken und zerstörten einen Großteil von Mussolinis modernen Marineeinheiten. Durch die Attacke büßte Italien die Fähigkeit zur Offensive im Mittelmeer ein, während die britische Seite nur zwei Flugzeuge verlor.
Die folgenden Monate und Jahre zeigten endgültig, wie stark sich das Wesen der Kriegsführung zur See zugunsten des neuen Waffensystems verändert hatte. Nach dem Vorbild des britischen Überraschungsangriffs im Mittelmeer gelang der Kaiserlichen japanischen Marine im Dezember 1941 der Überfall auf Pearl Harbor. Zuvor hatten japanische Jäger bereits die beiden britischen Kampfschiffe Prince of Wales und Repulse in den Gewässern Südostasien versenkt.
Der Zweite Weltkrieg machte deutlich: Nicht allein die Bewaffnung und die Stärke der Panzerung verhalfen der Marine zum Sieg. Entscheidend war nun die Lufthoheit. Vor allem die USA sahen sich im Pazifikkrieg gegen Japan gezwungen, eben jene Mittel einzusetzen, die ursprünglich gegen sie gerichtet waren. Insofern gilt Pearl Harbor als Fanal für die weitere Entwicklung der Seestreitkräfte.
Heute verfügt die US Navy über die größte Flugzeugträgerflotte der Welt, das neuste und teuerste Kriegsschiff der Geschichte ging im Sommer 2017 in Betrieb – die „USS Gerald R. Ford“ bietet 75 Düsenjets Platz. Die strategische Bedeutung der Träger brachte Ex-Präsident Bill Clinton in seiner Ansprache an Bord der Theodore Roosevelt auf den Punkt. Wann immer eine Krise Washington erreiche, laute die erste Frage, wo sich die nächsten Flugzeugträger befänden. Allein ihre Präsenz strahlt eine Bedrohung aus und wirkt in Krisenherden und politisch unstabilen Teilen der Welt als Demonstration der Macht.
Winkeldeck oder Ski Jump
Dem Bau von modernen Flugzeugträgern liegen zwei Grundprinzipien zugrunde. Die meisten US-amerikanischen besitzen ein flaches Start- und Landedeck, das vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg eine entscheidende Wandlung in Form und Funktion erfuhr. Ein Winkeldeck macht Starts und Landungen seither gleichzeitig möglich. Außerdem können landende Flugzeuge beim Verfehlen der Fangseile wieder durchstarten.
Ein Dampfkatapult beschleunigt startende Maschinen unterstützt vom vollen Schub der Triebwerke in zwei Sekunden auf Startgeschwindigkeit. Eine weitere Konstruktionsart sieht eine Art Sprungschanze, den sogenannten Ski Jump, am Ende des Flugdecks vor. Nach dem erfolgreichen Einsatz durch die Royal Navy im Falkland-Krieg griffen auch andere Nationen auf diesen Trägertyp zurück. Hier kommen vor allem Maschinen mit leistungsstarken Triebwerken zum Einsatz, zudem Helikopter und senkrecht startende Jets wie der britische Hawker Siddeley Harrier. Dampfkatapult und Fangseileinrichtung sind bei diesem Typ überflüssig.
Flugzeugträger operieren nicht allein. Stets treten sie im Verband auf. Kreuzer, Zerstörer, Fregatten, U-Boote und Versorgungsschiffe schützen den Träger vor feindlichen Angriffen und erhöhen die militärische Schlagkraft zusätzlich um ein Vielfaches. Flugzeugträger beherbergen eine ganze Kleinstadt, inklusive Supermärkte, Friseure und andere Geschäfte. Privatleben – Fehlanzeige. Auf engstem Raum leben tausende Menschen, operieren Flugzeuge und lagern Tonnen hochexplosiver Waffen. Nur ein perfekt eingespieltes Team kann diese schwimmende Kampfstation unter Kontrolle halten. Die Piloten treffen hier auf die gefährlichsten und anspruchsvollsten Flugbedingungen, besonders bei Nacht und schlechtem Wetter.
Landung als Drahtseilakt
Auf rund 300 Metern Länge beschleunigen die Jets auf eine Startgeschwindigkeit von über 400 Stundenkilometer. Dabei wirken auf die Piloten neun G, also die neunfache Erdanziehungskraft. Zum Vergleich: In Achterbahnen sind höchstens fünf G erlaubt. Marinefliegerei ist Hochleistungssport unter Extrembedingungen. Ständig trainieren die Piloten die gefährlichen Manöver im Simulator. Vor allem der Landeanflug gehört zu den schwierigsten Übungen überhaupt.
Mit 300 Stundenkilometern nähern sich die Jets dem Flugdeck. Als ob das Flugfeld nicht schon klein genug wäre, müssen die Piloten mithilfe eines nicht einsehbaren Hakens am Rumpf ihres Jets auch noch nach einem etwa daumendicken Stahlseil greifen. Das Fangseil bringt das Flugzeug innerhalb von zwei Sekunden und 50 Metern zum Stillstand. Verfehlt der Pilot das Seil, muss er sofort durchstarten, sonst schießt er über die Landebahn hinaus und stürzt ins Meer.
Beim Start klinkt sich das Flugzeug mit dem Vorderrad in einen Schlitten ein. In den Boden des Flugdecks sind Schienen eingelassen, die den Schlitten führen. Für den explosionsartigen Start sorgt schließlich der in insgesamt vier Druckspeichern gehaltene Wasserdampf der Reaktoren. Mit welchem Druck das Flugzeug von der Startbahn katapultiert wird, hängt von Gewicht, Betankung und Bewaffnung der Maschinen ab.
Doch alle Technik an Bord hilft nichts, wenn sie nicht koordiniert wird. Unter dem ohrenbetäubenden Lärm startender und landender Kampfjets verrichtet das Bodenpersonal Schwerstarbeit. Allein der perfekten Organisation der einzelnen Mannschaften ist es zu verdanken, dass sich die unzähligen Gefahren auf ein Minimum reduzieren. Je nach Aufgabenbereich trägt jedes Team weithin sichtbare Kleidung in unterschiedlichen Farben. So weist beispielsweise das gelbe Team die Flugzeuge in die richtige Position und kontrolliert den Startvorgang. Team grün stellt die Katapulte und Fangseile für die jeweiligen Flieger ein. Die Landeoffiziere sind weiß gekleidet.
Sie überwachen die Sicherheit auf dem Flugdeck. Die Mannschaft in den roten Westen ist für die Bewaffnung zuständig, während Team Violett für die Betankung verantwortlich ist. Auch wenn sich auf weltpolitischer Ebene die Bedrohungen und Konflikte im Lauf der vergangenen Jahre deutlich verändert haben, zweifelt dennoch niemand an der Macht der Flugzeugträgerflotte der US-Navy. Sie beherrschen die Weltmeere nach wie vor unter dem Sternenbanner der USA.