Es ist ein Vorfall, der für Aufsehen sorgt: 2016 verklagt der Journalist Jost Müller-Neuhof das Bundeskanzleramt. Der Grund: Er möchte wissen, welche Pressevertreter an vertraulichen Hintergrundrunden mit der Kanzlerin teilnehmen, um zu erfahren, wie die Regierung heimlich bestimmte Medien „beeinflusst“.
Doch das Oberverwaltungsgericht schmettert die Klage ab – Daten, Teilnehmer und Themen der als „Hintergrundgespräch“ bezeichneten Treffen bleiben somit weiter vor der Öffentlichkeit verborgen. Für Müller-Neuhof unverständlich. Er verlangt nicht, dass Angela Merkel auch ihn zu den Hinterzimmertreffen einlädt. Aber er will zumindest wissen, welche Botschaften dort gestreut werden. „Das ist staatliches Informationshandeln, also müssen es auch alle Journalisten erfahren können“, sagt er.
Die Geheimgespräche sind seit Jahrzehnten gängige politische Praxis. Es gilt strenge Vertraulichkeit, das Gehörte kann allenfalls indirekt in die Berichterstattung einfließen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Journalisten erfahren mehr als sonst, die Politiker können frei sprechen, ohne zu fürchten, dass ihre Worte gedruckt werden. Zugleich sehen viele Experten jedoch auch Gefahren in den Gesprächszirkeln, bei denen in der Vergangenheit etwa die Flüchtlingskrise, der Brexit sowie der Umgang mit der AfD thematisiert worden sein soll.
Wer wird eingeladen, was wird gesagt?
In erster Linie ist es die Ungleichbehandlung von Journalisten, wenn die Regierung nur einen exklusiven Kreis von Medien bevorzugt informiert. Zugleich besteht dennoch weiterhin das Risiko, dass die Politiker nur bestimmte Informationen durchsickern lassen und den Rest verschweigen, um die Berichterstattung in eine bestimmte Richtung zu lenken. So eine einseitige Nachrichtenpraxis bedeutet letztlich nichts anderes als einen Angriff auf die Pressefreiheit.
Viele Journalisten sehen diese Gefahr aber nicht – vielleicht weil sie selbst zu den Profiteuren des Systems zählen. So wendet sich etwa Birgit Wentzien, Chefredakteurin des Deutschlandfunks, gegen den „Terror der Transparenz“ und auch der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands, Frank Überall, sprach zunächst von einer „Farce“, ehe er einräumte, dass auch ihn die „signifikant gestiegene“ Zahl von Hintergrundgesprächen in den vergangenen Jahren beunruhige. „Es wäre nicht in Ordnung, wenn es stets dieselben Leute wären und der Verdacht besteht, dass es immer sehr homogene Runden sind.“ Um zu vermeiden, dass unliebsame Journalisten aus den Zirkeln bewusst ausgeschlossen werden, könnte Transparenz daher womöglich doch „hilfreich sein“. Der Rechtsstreit dürfte also weitergehen.
Übrigens: Nicht nur das Kanzleramt, sondern auch die Bundesministerin sowie zahlreiche weitere Behörden – darunter auch der Bundesnachrichtendienst – führen regelmäßig geheime Hintergrundgespräche mit ausgewählten Pressevertretern.