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Das Tückischste an Vergiftungen ist, dass die Wirkung einiger Gifte erst nach Stunden einsetzt – manchmal sogar nach Tagen. An dieser Stelle hat der Körper das verabreichte Gift schon vollständig aufgenommen und kann es nicht mehr ausschneiden. Das ist etwa bei Pilzvergiftungen der Fall, die in vielen Fällen tödlich enden können. Schlangengift dagegen wirkt meistens sofort.
Diese Symptome können für eine Vergiftung sprechen
- Übelkeit, Erbrechen und Durchfall
- Bauchschmerzen
- Blasse oder gerötete Haut
- Kopfschmerzen und Schwindel
- Ein Hitzegefühl im Körper
- Verwirrtheit und Halluzinationen
- Der Puls wird schneller oder langsamer
- Schockzustände
- Bewusstseinstrübung bis hin zur Bewusstlosigkeit
- Atemnot bis hin zum Atemstillstand
Erste Hilfe bei Vergiftungen: So gehen Sie jetzt vor
- Rufen Sie sofort einen Notarzt. Dafür wählen Sie in Deutschland die Nummer 112, in Österreich die Nummer 141 und in der Schweiz die 144.
- Bringen Sie den Betroffenen in die stabile Seitenlage und, wenn möglich, an die frische Luft.
- Atmet der Betroffene nicht, führen Sie die Herz-Lungen-Wiederbelebung durch.
- Sorgen Sie auf keinen Fall dafür, dass der Betroffene sich erbricht. Hierbei besteht die Gefahr, dass er Erbrochenes einatmet und erstickt.
- Achten Sie auf sich selbst: Wenn der Verdacht auf eine Gasvergiftung besteht, halten Sie sich nicht zu lange in dem betroffenen Gebäude auf.
Das sollten Sie dem Notruf mitteilen
- Wie alt ist der Betroffene?
- Wie viel wiegt er?
- Was könnte die Vergiftung verursacht haben, wie viel davon könnte der Betroffene eingenommen haben und wann?
- Wie geht es dem Betroffenen? Welche Symptome hat er? Ist er ansprechbar?
- Geben Sie auch Ihre Telefonnummer für einen eventuellen Rückruf an.
Das passiert bei einer Vergiftung im Körper
Gifte können über den Verdauungstrakt (Ingestionsgifte), über die Atemwege (Inhalationsgifte) und sogar über die Haut (perkutane Gifte, auch Kontaktgifte genannt) in den Körper gelangen.
Sie schädigen je nach Wirkung die Funktion des Gehirns oder des Nervensystems, die Herzfunktion, die Funktion des Kreislaufs oder die Funktion einzelner Organe bis hin zum Versagen. Einige Gifte greifen die Leber an, die für die Entgiftung des Körpers zuständig und somit lebenswichtig ist.
Viele Gifte wirken auf mehrere Bereiche des Körpers. Wer etwa eine Herbszeitlose mit Bärlauch verwechselt, riskiert nicht nur eine schwere Störung von Leber und Niere. Zudem kann es zu einer veränderten Blutgerinnung sowie einer eingeschränkten Funktion von Herz und Kreislauf kommen. Am Ende kann ein Versagen mehrerer Organe gleichzeitig eintreten, das tödlich wirkt.
Nicht jedes Gift ist für jedes Lebewesen schädlich
Viele Tiere reagieren ähnlich wie wir auf Gifte, die für den Menschen schädlich sind. Aber es gibt Ausnahmen. Zu den bekanntesten Beispielen gehören Vögel, die problemlos die für Menschen hochgiftigen Schwarzen Tollkirschen verspeisen können. Auch Igel sind im Laufe der Evolution immun gegen eine ganze Reihe von Giften geworden – sogar gegen Blausäure und Schlangengifte.
Die drei gefährlichsten Gifte aus der Natur
- Botox: Das bekannte Mittel zum Aufspritzen von Falten ist auch ein tödliches Gift. Es blockiert die Freisetzung des Neurotransmitters Acetylcholin im Gehirn. Die Folge sind Sprach- und Schluckstörungen, Muskelschwäche, Atemnot, Krämpfe und in schweren Fällen der Tod. Die tödliche Dosis für den Menschen beträgt 10 Millionstel Gramm. Das Gift kann in verdorbenen Lebensmittelkonserven auf natürliche Art entstehen.
- Rizin: ein hochgiftiges Protein aus den Samen des Wunderbaums. Es kann bei einer Menge von 0,25 Milligramm tödlich sein – egal, ob es injiziert, eingenommen oder eingeatmet wird. Je nach Verabreichung können die Symptome und deren zeitlicher Ablauf variieren, bevor es zum Kreislaufversagen kommt. Das Gift ist im Körper nicht nachweisbar. 1978 wurde dem bulgarischen Dissidenten Georgi Markow in London von Geheimdienstagenten mithilfe eines präparierten Regenschirms eine tödliche Dosis Rizin verabreicht.
- Batrachotoxin: Das Gift der Pfeilgiftfrosch-Gattung Phyllobates. Es erhöht bei Nerven- und Muskelzellen die Durchlässigkeit der äußeren Zellmembran für Natriumionen. Dadurch leiten Nervenzellen keine Impulse mehr weiter und Muskelzellen bleiben permanent kontrahiert. Das führt wiederum zu schweren Herzrhythmusstörungen, Kammerflimmern und schließlich zum Herzversagen. Daher bezeichnet man Batrachotoxin auch als Krampfgift. Über die tödliche Dosis gibt es nur Schätzungen: Derzeit liegen diese bei 1 bis 2 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht.
Die drei gefährlichsten menschengemachten Gifte
- VX: Auch TX 60 oder EA 1701 genannt. Ein im Kalten Krieg eingesetztes Nervengas, das aus einem Phosphorsäure-Esther gewonnen wird. Es beeinträchtigt die Kontraktionen von Muskeln und führt dadurch zum Tod durch Ersticken, weil der Betroffene nicht mehr atmen kann.
- TCDD: Diese Form des Dioxins entsteht bei der Herstellung von 2,4,5-Trichlorphenoxyessigsäure. Es führt zu dem Zerfall von Leberzellen sowie Missbildungen am Körper wie Chlor-Akne. Im Vietnamkrieg wurde das Entlaubungsmittel Agent Orange eingesetzt, dessen Anreicherung mit TCDD bis heute andauernde Schädigungen bei der Bevölkerung zur Folge hatte.
- Nowitschok: Das in der Sowjetunion entwickelte Gift blockiert das Enzym Cholinesterase. Dies hat eine Überreizung der Nerven zur Folge. Das Resultat sind Lähmungen der Atemmuskulatur oder unkontrollierte Muskelkrämpfe, die zum Herztod führen können. Das Gift soll bei den Anschlägen auf Sergei und Julia Skripal im Jahre 2018 sowie den mittlerweile verstorbenen Kremlkritiker Alexei Nawalny im Jahre 2020 eingesetzt worden sein. Bereits der Hautkontakt mit einem Milligramm des Gifts können einen Menschen töten.