Gerade mal fünf Prozent aller Raucher etwa schafft die Zigaretten-Abstinenz im ersten Anlauf dauerhaft – der große Rest hat mit Rückfällen zu kämpfen. Ähnlich sieht es auch bei Diäten und sämtlichen anderen Vorhaben aus. Denn der Teufel lauert immer im Detail – in diesem Fall im dauerhaften Überwinden der schädigenden Laster. Wie kann man Rückschläge vermeiden und seinem Ziel näher kommen?
Die Mär der Disziplin
Einige Menschen verdienen viel Geld damit, anderen zu suggerieren, dass „eiserne Selbstdisziplin“ der Schlüssel zu jeglichem Erfolg wäre – quasi ein allumfassendes Geheimrezept. Dabei ist Selbstdisziplin immer an eine gewisse Unnatürlichkeit gebunden. Denn man zwingt den Körper, etwas ganz anderes zu tun, als dieser eigentlich will.
Hinzu kommt: Bei manchen Charakteren mag das durchaus funktionieren, bei der großen Masse scheitert die vielbeschworene Selbstdisziplin jedoch. Ganz einfach deshalb, weil unser Körper sehr viel stärker ist, als der Wille. Man kann sich vielleicht ein Jahr lang eisenhart durch eine Diät quälen, kann sich einige Monate lang zwingen, jeden Tag joggen zu gehen, sich tausendmal die Vorteile von Zucker-Alternativen ins Gedächtnis rufen – und wird doch auf lange Sicht scheitern, Und warum? Weil durch die Selbstdisziplin ein ähnlicher Zwang heraufbeschworen wird, als wenn man von einer anderen Person dazu genötigt wird.
Um das an einem Beispiel zu erklären: Wenn die Eltern ihrem Kind befehlen würden, jeden Tag eine Stunde laufen zu gehen, bei Wind und Wetter, hätte es sicherlich keinen Spaß daran – im Gegenteil: Es würde sehr unglücklich werden. Ähnlich funktioniert die Selbstdisziplin – nur, dass die befehlende Person im eigenen Kopf existiert und nicht vor einem steht.
Und hier liegt der Schlüssel des Scheiterns. Denn alles, was erzwungen wird, ist für den Körper unnatürlich und wird von diesem nicht dauerhaft als Automatismus eingeführt. Einige Zeit wird er sich den Vorsätzen vielleicht beugen, aber langfristig nicht glücklich dabei sein. Damit sind sämtliche Projekte von der Diät bis zur Lebensweise zum Scheitern verurteilt.
Falsche Appelle an die Vernunft
Ein ebenfalls oft verwendeter aber falscher Ansatz ist es, an die eigene Vernunft zu appellieren.
Natürlich ist es vernünftig,
- … mit dem Rauchen aufzuhören.
- … zehn Kilo weniger mit sich rumzuschleppen.
- … seinen Körper durch Sport geschmeidig zu halten.
- … durch richtige Ernährung weniger Gifte aufzunehmen.
Und natürlich gibt es gegen Vernunft als solche nichts einzuwenden – doch auch hier ist das Problem, dass die meisten Menschen einfach zu einem mehr oder minder starken Grad unvernünftig sind. In jedem von uns lebt ein kleiner Rebell – und der will eben nicht die vernünftige Route nehmen, will sich nicht von den zweifellosen Vorteilen solcher Maßnahmen einlullen lassen. Man könnte fast sagen, dass jeder Mensch mehr oder weniger zur Selbstzerstörung neigt.
Wie kann man sich also selbst überlisten?
Fakt ist, dass Appelle an die eigene Vernunft eine Abwehrreaktion des Körpers erzeugen, die aus der Individualität des Menschen heraus resultiert. Der Mensch ist von allen Lebewesen das mit dem ausgeprägtesten Ego – wir können vielleicht für eine gewisse Zeit kooperieren aber irgendwann bricht in jedem das hervor, was er will. Und das ist in den meisten Fällen nicht der vernünftige, allgemein akzeptierte Weg.
Ein Widerspruch in sich
So mancher fragt sich jetzt sicherlich, warum dies so ist – immerhin sollte es ja möglich sein, uns selbst zu kontrollieren, oder etwa nicht? Nun, hier muss man ein wenig in die Psychologie des Menschen eintauchen. Natürlich können wir uns bis zu einem gewissen Grad selbst steuern:
- Wir können nach etwas greifen und es uns vor die Nase halten
- Wir können unserem Körper trotz Hunger die Nahrung verweigern
- Wir können uns die Augen zuhalten und so versuchen, unbeschadet eine Treppe hinabzugehen
Doch das ist nur die oberste Ebene der menschlichen Psyche und lässt sich am besten mit dem Reiten eines gezähmten Pferdes vergleichen. Das hört auch auf Kommandos und macht gemäß dem Willen seines Reiters auch Dinge, die es eigentlich nicht tun will. Aber so wie beim Pferd irgendwann der Punkt erreicht ist, an dem es bockt und den Reiter abwirft, kommt auch beim Mensch die Schwelle, an der wir uns nicht mehr kontrollieren können.
Einige Beispiele:
- Wir können nicht kontrollieren, ob wir jemanden mögen oder nicht
- Wir können nicht kontrollieren, ob uns etwas schmeckt
- Wir können nicht kontrollieren, ob uns etwas eine Freude bereitet oder nicht
Und genau darin liegt auch die Krux der nachhaltigen Lebensweisen. Für manchen ist es spielerisch leicht, sich perfekt gesund zu verhalten – weil es seinem Unterbewusstsein gefällt. Bei wem es das nicht tut, der wird auch mit Selbstdisziplin und Vernunft scheitern. Doch genau hier lauert auch die Lösung. Denn so wie man das Unterbewusstsein steuern kann, kann man sich selbst auch lenken – und somit Resultate erzielen, obwohl sie eigentlich dem eigenen Ich widerstreben.
Den Egoisten in sich befriedigen
Man kann also nur dann zum Erfolg kommen, wenn es einem gelingt, sein Vorhaben sich selbst gegenüber so zu kaschieren. Unser Unterbewusstsein muss glauben, dass es seine eigene Idee wäre und es ihm gefällt.
Der Trick dabei ist, den Egoist, der sich in absolut jedem Menschen befindet, zu befriedigen. Und wie funktioniert das? Mit Motivation! Konkret bedeutet das:
- Bei der Diät ist es die die Motivation, durch die Gewichtsabnahme gut auszusehen und bei anderen bewundernde Blicke hervorzurufen.
- Bei der gesunden Ernährung ist es die Motivation, bessere Haut zu haben, länger zu leben als andere.
- Beim Rauchstopp ist es die die Motivation, vor anderen stärker zu wirken, indem man zeigt, wie gut man sich selbst im Griff hat.
Der Trick dabei ist, diesen eigentlich gesellschaftlich verpönten Egoismus nicht abzulehnen, sondern ihn zu seinem Helfer zu machen – ihn zu umarmen statt abzulehnen. Wer einen Blick auf die drei Säulen nachhaltiger Diäten wirft, der stellt fest, dass dort nirgendwo etwas von Vernunft oder Disziplin zu lesen ist, denn genau die ist bei Diäten eher hinderlich.
Hier kommt der Egoist ins Spiel. Wir malen uns etwa eine Zukunft aus, in der unsere gleichaltrigen Freunde faltige, runzlige Haut haben, wohingegen wir dank unserer geänderten Ernährung frisch und gut aussehen. Wir präsentieren dem Egoisten ein Bild, auf dem wir von anderen dafür bewundert werden, wie vital wir sind, wie gut unsere Muskeln aussehen – während die anderen teigig sind, schmerzende Glieder haben und sich nicht gut bewegen können.
Der Trick ist also:
- Zu akzeptieren, dass jeder Mensch ein Egoist ist
- Nicht zu versuchen, diesen Egoisten zu unterdrücken (zumindest nicht beim angepeilten Vorhaben)
- Den Egoisten effektiv zu füttern, indem man ihm aufzeigt, wie großartig er sich erst mal fühlen wird, wenn der „Berg“ bezwungen ist
Wichtig dabei ist, dem Egoisten diese Nahrung immer wiede
r zu geben und sich die Ergebnisse klar und ganz konkret vor Augen zu halten.
Natürlich ist Egoismus und Überlegenheitsdenken kein klassischer „Soft Skill“ – „Hochmut kommt vor dem Fall“ sagt auch der Volksmund. Aber man muss den Egoisten ja auch nicht nach außen kehren. Niemand erwartet, dass man ein oberflächlicher Optikmensch wird, nur um seine Ziele zu erreichen.
Bloß als Vehikel, um diese Ziele zu bezwingen, ist der Egoist in uns ein großartiger Kampfgenosse – denn um seine Streicheleinheiten zu bekommen, tut unser Ego beinahe alles. Und das ist die natürlichste Sache der Welt und damit um Längen effektiver als die aufgezwungene eisenharte Selbstdisziplin und Appelle an die eigene Vernunft.