Polizeirevier Wittstock am 13. Juli 2017: Die beiden BKA-Beamten atmen auf. Nach acht Stunden Verhör fängt der frühere Luftwaffenoffizier Horst S. endlich an zu reden: Ja, es gebe in der Bundeswehr eine Gruppe von Elitesoldaten, die sich auf den „Tag X“ vorbereitet – eine extreme Krise, ausgelöst durch Überfälle von Flüchtlingen auf Kinder und Frauen, Vergewaltigungen, Terroranschläge, Zusammenbruch der staatlichen Ordnung.
Wenn sie die Zeichen sehen, würden sie eingreifen. Laut dem 48-Jährigen gebe es nicht nur einen prall gefüllten Waffenschrank, sondern auch „Ordner mit Adressen“ von Zielpersonen, die „weg“ müssten. Die BKA-Spezialisten trauen ihren Ohren nicht. Ist es tatsächlich möglich, dass ein konspirativer Zirkel den Sturz der Bundesrepublik von innen heraus plant? Sie beschließen, ihre Erkenntnisse vorerst geheim zu halten, auch weil sie nicht wissen, wer noch Teil dieses Untergrundnetzwerks ist.
Bald stellt sich heraus: Es reicht bis tief in deutsche Behörden hinein, in Verfassungsschutzämter – und in die oberen Etagen der Bundeswehr. So sollen sowohl Mitarbeiter des Militärischen Abschirmdiensts (MAD), als auch Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) Teil der Schwadron sein. Wie ein Netz sind sie miteinander verbunden und arbeiten systematisch daran, einen Staat im Staat aufzubauen.
Drahtzieher ist Hannibal
All das klingt zu unglaublich, um wahr zu sein – doch Reporterin Christina Schmidt, die die Verschwörung nach monatelanger Recherche aufgedeckt hat, sagt: „Es gibt diese rechten, gut organisierten Netzwerke.“ Wie so oft stehe in ihrem Zentrum eine Person, „die die Fäden zieht“, und das sei ihren Erkenntnissen nach André S., Deckname: Hannibal. Der 33-jährige Soldat gehörte nicht nur bis vor Kurzem dem „Kommando Spezialkräfte“ in Calw an – er soll auch Administrator eines bundesweiten Chatnetzwerks von Preppern sein.
Dabei handelt es sich um Menschen, die sich auf jede Art von Katastrophe vorbereiten (engl. „to prepare“). Manche von ihnen horten nicht nur Lebensmittel, Batterien und Medikamente – sondern auch Waffen. In ganz Deutschland gibt es solche Gruppen, fanden die Ermittler durch Zeugenbefragungen heraus. Über verschlüsselte Messenger-Dienste haben sie sichere Unterkünfte festgelegt, in denen sie sich am „Tag X“ treffen. Diese „Safe Houses“ soll es u.a. in Nürnberg und Ulm geben, aber auch in der Graf-Zeppelin-Kaserne in Calw, wo das KSK stationiert ist.
Mitglieder aus allen Rängen
Ende 2017 wurde sie von BKA-Beamten durchsucht. Parallel dazu ist auch der Verein „Uniter“ ins Visier der Ermittlungen geraten. Er zählt heute etwa 1.400 Mitglieder, darunter Fallschirmjäger, Beamte aus SEK-Einheiten der Polizei, aber auch Verfassungsschutzmitarbeiter gehören zur Community. Laut Zeugenaussagen soll sich auch in diesem Verband ein geheimes Netzwerk aus circa 200 ehemaligen und aktiven Bundeswehrsoldaten gebildet haben, das an der deutschen Grenze zu Österreich und der Schweiz geheime Waffenlager angelegt hat und Todeslisten politischer Gegner führt. Der Verein selbst streitet alles ab, auch Verbindungen zur Prepperszene soll es nicht geben.
Fakt ist jedoch: Wie die Prepper-Chatgruppen ist Uniter in die Distrikte Nord, Süd, Ost und West gegliedert. Zudem bietet der Verein Kurse wie „Run – Fight – Hide – wie man Desaster aller Art managt“ auf seiner Website an – was verdächtig an das in Hannibals Chatgruppen verbreitete Gedankengut erinnert. Und tatsächlich: Der Vorsitzende des Vereins ist kein Geringerer als André S. Er scheint somit tatsächlich die Figur zu sein, bei der alle Fäden zusammenlaufen. Immer mehr Politiker drängen daher zur Aufklärung. „Wir müssen die Problematik, dass es Verfassungsfeinde auch innerhalb von staatlichen Organisationen gibt, ernst nehmen“, sagt die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Das Innenministerium will sich jedoch bisher wegen der laufenden Ermittlungen des Generalbundesanwalts nicht äußern – möglicherweise weil Hannibal nur die Spitze des Eisbergs ist und das wahre Ausmaß der Verschwörung noch viel größer ist, als es aktuell den Anschein hat …
Übrigens: Experten gehen von circa 180.000 Preppern in Deutschland aus. Laut Bastian Blum, Chef der „Prepper Gemeinschaft Deutschland“, sind die meisten harmlos. Dennoch wollen die Innenminister der Länder prüfen, ob die Szene zur Radikalisierung neigt.