Mit der Berufsbezeichnung „Paravet“ kann in Deutschland kaum jemand etwas anfangen. Doch in vielen Entwicklungsländern, in denen Nutztiere wie Rinder, Esel und Ziegen für die Menschen überlebenswichtig sind, sind diese Fachkräfte für die Tiergesundheit unverzichtbar. Doch was genau machen sie?
Fehlender Impfschutz, unbehandelte Wunden, unentdeckte Parasiten: Weltweit sterben jedes Jahr Millionen von Nutztiere, weil ihnen keine tiermedizinische Versorgung zuteilwird. Für Afrika gibt es offizielle Schätzungen nach denen jedes Jahr ein Viertel der Nutztiere an vermeidbaren Krankheiten stirbt. Dies ist in doppeltem Sinne tragisch: Zum einen müssen Tiere unnötig leiden, obwohl ihnen mit zum Teil einfachsten Methoden zu helfen wäre, zum anderen stürzt ihr Tod die Tierhalter, die ohnehin schon wenig haben, in noch größere Nöte.
Doch es gibt auch Menschen, die gegen das Tierleid ankämpfen. Sie nehmen jeden Tag große Strapazen auf sich, um in abgelegenen Dörfern Tiere zu versorgen und mit ihrer Arbeit dazu beizutragen, dass sich das Wissen über Tierwohl weiter verbreitet. In Entwicklungsländern sind es selten Tierärzte, sondern vor allem so genannte Paravets, die für die Tiere da sind. Paravet ist die Kurzform von veterinary paraprofessionals. Wörtlich genommen sind sie tiermedizinische Hilfskräfte, tatsächlich ist ihr Job am besten mit „Fachkräfte für Tiergesundheit“ zu beschreiben.
Bis in die abgelegensten Ecken
In vielen Ländern Afrikas und Asiens sind Paravets die Hoffnungsträger für Tiere und Menschen in Regionen, die fast nie ein Tierarzt erreicht. Einer dieser selten gewürdigten Helden ist Lamin Bojang (Bild unten). Seit zehn Jahren ist er als Paravet im Osten von Gambia, einem kleinen Land in Westafrika, tätig. Er arbeitet im vergessenen Teil des Landes, in dem es kaum echte Straßen und noch weniger Kollegen gibt. Bojang ist für die Gesundheit der Tiere in 20 Gemeinden zuständig, ohne über ein eigenes Transportmittel zu verfügen. Er ist darauf angewiesen, dass ihm Freunde und Bekannte ein Motorrad ausleihen, damit er über Staubpisten seine „Kunden“ ansteuern kann: die zahllosen unterversorgten, verletzten und kranken Rinder, Schafe und Ziegen, die seine Hilfe benötigen. Als Paravet ist Bojang eine sehr gefragte Person, denn die Menschen haben erkannt, dass es ihnen und ihren Tieren durch seine Arbeit besser geht.
Dass Lamin Bojang und seine Kollegen den Tierhaltern in Gambia inzwischen mehr zur Seite stehen können, liegt auch am Bildungsprogramm TIERÄRZTE WELTWEIT. Früher geschah es oft, dass Paravets nur Symptome schlechter Haltungsbedingungen behandeln konnten. Wissen, mit dem sich Probleme im Keim ersticken lassen – z.B.: Wie sorge ich für Hygiene im Hühnerstall? Wie binde ich einen Esel so fest, dass er keine schmerzhaften Wunden davonträgt? Wie erkenne ich frühzeitig, dass meine Ziegen unter Magen-Darm-Parasiten leiden? – hatten die Menschen in den Dörfern nicht, weil auch die Paravets in dieser Hinsicht nicht ausgebildet wurden.
Krankheiten gar nicht erst aufkommen lassen
Mit TIERÄRZTE WELTWEIT, einem seit 2015 in Gambia aktiven Gemeinschaftsprogramm von Welttierschutzgesellschaft und Welttierschutzstiftung, hat sich das geändert. Bojang und seine Kollegen lernten in Tierschutzkursen des Bildungsprogramms, was Tierwohl bedeutet und wie es in der Praxis umzusetzen ist. Sie fühlen sich nach eigener Auskunft nun besser in der Lage, Missstände wie mangelnde Hygiene oder falsches Futter zu erkennen und gemeinsam mit den Tierhaltern zu beheben. Für Lamin Bojang gilt: „Prävention und Behandlung gehören zusammen. Wenn ich zu einem Tierhalter komme, dessen Stall unhygienisch ist, dann sage ich ihm ganz klar: Ich komme nur wieder, wenn du das in Ordnung bringst.“ Bojang bezieht die lokale Bevölkerung ein, um die Haltungsbedingungen der Tiere zu verbessern. So hat er in seinem Bezirk Tierschutzgruppen gegründet, deren Mitglieder sich gegenseitig unterstützen und Tipps geben.
In Gambia haben 30 der 68 Paravets, die im Land verteilt für die Versorgung der Nutztiere zuständig sind, bereits das Training von TIERÄRZTE WELTWEIT absolviert. Es gelang zudem, die Tierschutzkurse in die Lehrpläne der Universität von Gambia und dem Gambia College zu integrieren. Diese beiden Institutionen sind für die Ausbildung aller nachrückenden Paravets verantwortlich. So wird sichergestellt, dass mittelfristig alle Paravets des Landes in Sachen Tierwohl geschult sind und ihr Wissen im ganzen Land weitergeben können. Mit vergleichbaren Initiativen ist TIERÄRZTE WELTWEIT auch in Malawi, Tansania und Uganda aktiv. Insgesamt wurden 2018 in diesen Ländern 1.849 Studenten, Tierärzte und Paravets in Sachen Tierwohl aus- oder fortgebildet.
Es braucht mehr Paravets
Trotz deutlicher Verbesserungen in der Ausbildung besteht weiterhin das Problem, dass es in Gambia wie auch in anderen Entwicklungsländern zu wenige Paravets gibt. Lamin Bojang ist als einer von 68 Paravets bei der staatlichen Veterinärbehörde in Gambia angestellt. Theoretisch wären diese Paravets für zwei Millionen Nutztiere in Gambia zuständig. Doch eine vollständige Versorgung ist mit so wenigen Angestellten nicht zu erreichen. Die Zahl der Paravets ist weit entfernt vom absoluten Mindeststandard für das Land, den die Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) mit 138 angibt. Ein ähnliches Bild zeigt sich in anderen Entwicklungsländern wie Tansania, wo jeder Paravet theoretisch für mehr als 33.000 Nutztiere verantwortlich ist.
Paravets sind an entscheidender Stelle tätig, um in Entwicklungsländern für mehr Tierwohl im Nutztiersektor zu sorgen. Sie leisten eine bewundernswerte Arbeit unter oft schwierigen Bedingungen. Ihren Berufsstand zu stärken, bedeutet viel Tierleid zu verhindern und die Armut in ländlichen Regionen zu mindern. Deshalb ist es höchste Zeit, diesem Berufsstand international größere Aufmerksamkeit zu schenken.