In Deutschland sind mehr als 60.000 Medikamente zugelassen, und jeder Deutsche schluckt im Schnitt 3,4 Pillen pro Tag. Schon bei einer einfachen Erkältung kommt man schnell auf ein halbes Dutzend Präparate, die man völlig selbstverständlich einnimmt. Das Problem: Egal, wie harmlos ein Wirkstoff ist – trifft er auf einen anderen, reagiert er chemisch mit diesem.
Russisches Roulette
Die Folgen können gravierend sein: Medikamente verändern sich, heben sich gegenseitig auf, bewirken das Gegenteil oder verstärken sich sogar so weit, dass sie zu einem tödlichen Gift werden. Ein Russisches Roulette, vor dem Ärzte seit Jahren warnen – vor allem auch mit Blick auf Selbstbehandlungen. Was sie jedoch oft nicht erwähnen: Medikamente gehen nicht nur mit anderen Medikamenten Wechselwirkungen ein – sondern mit allem, was chemischen Einfluss auf den Körper hat. Und dazu gehören auch Lebensmittel.
Wie sehr Ärzte dieses Risiko ignorieren, zeigt ein Blick in den täglichen Praxisbetrieb. Dort werden Essgewohnheiten in der Regel nicht abgefragt, obwohl der Einfluss von Nahrungsmitteln auf den Stoffwechsel – den körpereigenen Chemiekasten – unbestreitbar ist. Ähnlich verhält es sich mit den standardisierten Patientenbögen. Die Ärzte erkundigen sich hier lediglich nach Vorerkrankungen, Medikamenteneinnahme oder Schwangerschaften. Nahrungsmittel? Fehlanzeige!
Die Mischung macht‘s
Dabei wissen Ärzte, dass selbst Obst schnell gefährlich werden kann. So beeinflusst beispielsweise Furanocumarin, ein Inhaltsstoff von Zitrusfrüchten wie Grapefruits, den Abbau von Medikamenten im menschlichen Körper. Aus einer harmlosen Dosis kann so leicht eine gefährliche werden. Einen 29-jährigen Amerikaner kostete diese Wechselwirkung das Leben: Er nahm ein Antiallergikum gegen Heuschnupfen und wollte mit einem Glas Grapefruitsaft seine Abwehrkräfte stärken.
Daraufhin erhöhte sich die Konzentration des Wirkstoffs Terfenadin im Blut um das 30-fache, was seinen Kreislauf kollabieren ließ. Ähnlich gefährlich können z.B. Bier, Salami oder reifer Käse sein. Der Grund: Werden sie länger gelagert, enthalten sie große Mengen des blutdrucksteigernden Stoffes Tyramin. Nimmt man gleichzeitig sogenannte Monoaminoxidase-Hemmer zu sich – z.B. zur Behandlung von Angstzuständen oder Depressionen – wird der Abbau von Tyramin gestört. Die Folgen: Kopfschmerzen und ein starker Anstieg des Blutdrucks.
Ein anderes Beispiel betrifft die mehr als drei Millionen Asthmatiker in Deutschland. Denn einige Asthmamedikamente enthalten Theophyllin. Wird der Stoff in Kombination mit schwarzem Pfeffer eingesetzt, reagiert das Medikament mit Piperin – einer im Pfeffer natürlich vorkommenden chemischen Verbindung aus der Gruppe der Alkaloide – und sorgt so dafür, dass der Theophyllin-Spiegel im Körper ansteigt. Mögliche Symptome: Sodbrennen, innere Unruhe und Herzrhythmusstörungen.