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Etwa 35 Prozent der Jugendlichen in Deutschland haben sich schon einmal selbst Schmerzen zugefügt oder tun dies regelmäßig, indem sie sich absichtlich an Extremitäten ritzen oder verbrennen. Viele Betroffene nutzen diese Methode als Ventil gegen Stress. Im schlimmsten Fall kann das Verlangen nach Schmerz zur Sucht werden.
Tatsächlich zeigen Studien, dass das Gehirn sich mit der Zeit an Schmerzen gewöhnt – mehr noch: „Die Schaltkreise im Gehirn für Schmerz und Sucht hängen sehr eng zusammen“, erklärt der Psychiater Prof. Dr. Walter Zieglgänsberger. Die schmerzstillenden Hormone, die das Gehirn ausschüttet, können einen euphorischen, fast schon tranceartigen Zustand hervorrufen.
Ein Rauschzustand wie auf Droge
Aber nicht nur für jugendliche Borderliner kann das Verlangen nach diesem Zustand zum Verhängnis werden, auch Sportler werden von dem körperlichen Schmerz in einen Bann gezogen: Überwindet ein Marathonläufer etwa beim Laufen erst einmal seine Schmerzgrenze, verursachen die ausgeschütteten Hormone oft einen Rausch, der acht Stunden anhalten kann. Eine Dosis Heroin wirkt dagegen nur etwa fünf Stunden.
Dennoch haben alle Rauschzustände eines gemeinsam: Sie machen süchtig. Und ähnlich wie bei den Wirkungen anderer Suchtmittel auf den Körper kann die Schmerzexposition zu einer Toleranz führen. Das bedeutet, dass immer mehr Schmerz notwendig ist, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Dies kann zu einem Teufelskreis führen, in dem Menschen immer mehr Schmerz empfinden müssen, um die gleiche Erleichterung oder das gleiche Hochgefühl zu erreichen.