- Welt der Wunder Redaktion
- Sandra Lukatsch
Sisi, eine magersüchtige Fixerin? Denkt man an den weltbekannten Historienfilm aus dem Jahr 1956, war die junge Kaiserin alles – nur nicht das. Die Regisseure der „Sissi“-Trilogie (die Macher des Films schrieben ihren Namen fälschlicherweise mit zwei „s“) taten nämlich alles daran, ein Bild von einer glücklichen und verliebten Kaiserin zu erschaffen. Der weibliche Bösewicht der TV-Trilogie: Erzherzogin Sophie, die Mutter des Kaisers, die sich in die Erziehung der Kinder einmischte – ja sie sogar zeitweise der Kaiserin wegnahm.
Zwar hing manchmal auch in der Realität der Haussegen in der Wiener Hofburg etwas schief, aber die Beziehung zwischen den beiden Frauen war ausgesprochen gut, wie heute Briefe der Erzherzogin Sophie belegen können. Doch das ist nur ein Beispiel. Was mit der Verfilmung des Lebens der jungen Kaiserin von Österreich begann, führt sich in der Medienwelt bis heute fort. Immer neue Legenden ranken sich um das Leben der Kaiserin von Österreich – mal können alte Dokumente sie belegen, mal entstammen sie den fantasievollen Federn einiger Autoren. Aus allen Geschichten die Wahrheit herauszufiltern, wird immer schwieriger. Wir haben in der Galerie alle Fakten zusammengetragen und zeigen wer Sisi wirklich war.
Mythos 1: War die junge Sisi nur die zweite Wahl des Kaisers Franz Joseph?
Bad Ischl im Jahr 1853: Elisabeth, die zweite Tochter des Herzogs Max Joseph von Bayern und gebürtige Münchenerin, ist gerade mal 15 Jahre alt, als sie den österreichischen Kaiser Franz Joseph kennenlernt. Eigentlich sahen die Mütter es so vor, dass er Sisis ältere Schwester Helene zur Braut nimmt und sie damit zur Kaiserin Österreichs macht. Doch Franz Joseph verliebte sich in die jüngere und lebensfrohe Elisabeth und machte ihr an seinem 24. Geburtstag einen Heiratsantrag. Sisi soll später geschrieben haben, sie sei „als 15-jähriges Kind verkauft worden und kritisierte damit die arrangierte Heirat durch die Mütter.
Mythos 2: War das Verhältnis zur Schwiegermutter, Erzherzogin Sophie, wirklich so schlecht?
Die bekannten „Sissi“-Filme stellen das Verhältnis zwischen Schwiegermutter und Schwiegertochter wenig harmonisch dar. Zwar begrüßt die TV-Erzherzogin Sophie die Heirat ihres Sohnes mit der unbeschwerten Sisi, doch dunkle Wolken sollten die Stimmung in der kaiserlichen Residenz bald trüben… So drastisch, wie die Filme die Beziehung darstellen, ist sie in Wirklichkeit nicht gewesen. Es fiel Sisi schwer, sich an das strenge Hofleben und an die kaiserliche Etikette zu gewöhnen. Briefe der Erzherzogin Sophie belegen aber, dass das Verhältnis der Beiden innig und sehr familiär war. Aus der Erziehung ihrer Enkel hielt sich die Schwiegermutter sogar gänzlich raus. Übrigens war Erzherzogin Sophie nicht nur die Schwiegermutter, sondern auch die Tante von Sisi – und Kaiser Franz Joseph damit der Cousin seiner Ehefrau.
Mythos 3: Hat Sisi sich wie in einem Gefängnis gefühlt?
Die „böse“ Schwiegermutter gab es in der Form also nicht und sie ist auch nicht der Grund dafür, warum die Kaiserin Elisabeth manchmal monatelang den Wiener Hof verließ, um sich auf Madeira oder Korfu zurückzuziehen. Es war wohl ihr übermäßiger Drang nach Freiheit und Natur, der sie immer wieder in die Ferne zog. „Ich bin erwacht in einem Kerker und Fesseln sind an meiner Hand“, schreibt sie sich ihren Frust von der Seele über ihr Leben in der „verhassten Kerkerburg“. Ihre erste lange Reise auf die Insel Madeira ist sogar auf gesundheitliche Probleme der Kaiserin zurückzuführen. Ein Lungenspezialist verschrieb ihr eine Kur am Meer, um ihren Husten auszukurieren. Dass sie dann gleich zwei Jahre der Wiener Hofburg fernblieb, war sicherlich nicht nur auf die Krankheit zurückzuführen, sondern auch auf die Tatsache, dass das Reisen zu ihrem Lebenselixier wurde.
Mythos 4: War Sisi tätowiert?
Ein weiteres Symbol, um ihren unersättlichen Freiheitsdrang, ihre Liebe zum Reisen und ihre Sympathie für Seefahrer auszudrücken, war ein Anker-Tattoo. Sie ließ sich den Anker im Jahr 1888 in einer griechischen Hafenkneipe stechen. Ein auffällig „unkaiserliches“ Verhalten, zumal diese Art von Körperschmuck äußerst ungewöhnlich für die damalige Zeit war. In der Adelsfamilie traf er daher auch auf keinen Zuspruch – Kaiser Franz Joseph soll entsetzt gewesen sein: „Ein Unfug, eine fürchterliche Überraschung!“
Mythos 5: War Sisi kokainabhängig?
Eine kleine Schachtel mit einer Spritze und der dazugehörigen Flasche mit der Aufschrift „Cocain“ ließ die Gerüchteküche brodeln: War die Kaiserin etwa rauschgiftabhängig? Wahr ist, dass sie sich hier und da mal Kokain injizierte. Das bedeutet aber nicht gleich, dass sie ein Junkie war. Kokain wurde zu der Zeit nämlich als Medikament eingesetzt – in ihrem Fall, um die Rheuma-Schmerzen zu lindern. Einige Quellen interpretieren auch in den Kokainkonsum, dass die Ärzte damit ihrer stetigen Melancholie vorbeugen wollten. Von Drogenmissbrauch kann aber nicht wirklich die Rede sein – erst seit den 40er und 50er Jahren gilt Kokain als Droge.
Mythos 6: War Sisi magersüchtig?
Mehrfach belegt werden konnte, dass die Kaiserin Elisabeth starke Probleme mit dem Älterwerden hatte. Um ewig jung zu bleiben, trieb sie beispielsweise exzessiv Sport und cremte sich mit den besten Tinkturen ein – für die Pflege ihrer Haare brauchten die Diener meinst einen ganzen Tag. Ein weiteres Indiz für den Schönheitskult war etwa, dass sie sich seit dem Zeitpunkt, an dem sie 30 wurde, nicht mehr zeichnen oder fotografieren ließ. Außerdem wog sie gerademal 50 Kilogramm bei einer Körpergröße von 172 Zentimetern. Es wurde also – nicht nur wegen ihrer Wespentaille – oft gemunkelt, dass sie an Magersucht litt. Aber hatte sie wirklich so große Angst vor einer Gewichtszunahme? Einige Quellen behaupten sogar das Gegenteil: Dadurch, dass sie so viel Sport trieb, soll sie sich sogar recht energiereich ernährt haben.
Mythos 7: Hat Sisi geraucht?
Immer wieder kursiert dieses Gerücht und wird danach wieder dementiert: Hat die Kaiserin viel geraucht und als Folge der filterlosen Zigaretten schlechte Zähne gehabt? Die Frage ist hier, ob ein Aschenbecher und eine Zündholzdose aus Messing im Inventar des Eisenbahnwaggons der Kaiserin tatsächlich als Indiz für den Zigarettenkonsum ausreichen. Schwer zu sagen: Zumindest weder die Ärzteberichte noch die Tagebücher der Hofdamen belegen, dass Sisi geraucht habe. Einige Aufzeichnungen entlarven beispielsweise Sisis Schwester Marie als Raucherin – vielleicht hat ja nur eine Verwechslung die historische Sisi in Verbindung mit dem Glimmstängel gebracht?
Mythos 8: Hatte Sisi ein künstliches Gebiss?
Die Geschichtsautorin Katrin Unterreiner erwähnt immer wieder, dass die Kaiserin kein künstliches Gebiss hatte, sondern nur außerordentlich schlechte Zähne (weil sie stark geraucht habe!). Demgegenüber machte die Schauspielerin Rosa Albach-Retty im Jahr 1898 eine gegenteilige Beobachtung: Elisabeth schaute „sekundenlang vor sich hin“, um dann „mit der linken Hand nach ihrem Gebiss“ zu greifen, es säuberte und blitzschnell wieder in den Mund schob. Leider liefert auch der Obduktionsbefund der Kaiserin keine eindeutigen Hinweise darüber, ob das Gebiss künstlich war oder nicht.
Mythos 9: War Sisi größer als Kaiser Franz Joseph?
Sisi war mit 172 Zentimeter für eine Frau ihrer Zeit ziemlich groß gewachsen und war damit sogar wirklich größer als der Kaiser Franz Joseph. Der brachte es wohl nur auf 168 Zentimeter und war damit etwa einen halben Kopf kleiner. Auf Portraits und Skulpturen – wie hier auf dem Bild – wurde die unterschiedliche Größe des Kaiserpaares jedoch nicht berücksichtigt. Seit April gibt es Elisabeth und Franz Joseph in ihren Originalgrößen als Wachsfiguren im Wiener Madame Tussauds zu sehen – allerdings stehen sie nicht nebeneinander.
Mythos 10: Gibt es ein Aktfoto von Sisi?
Ein Foto, das die Kaiserin angeblich nackt zeigt, wollte ein verschuldeter Spielwarenhändler nutzen, um den Kaiser im Jahr 1872 zu erpressen. Dabei handelte es sich jedoch um eine simple Fotomontage: Aus einem Bild vom Fotografen Ludwig Angerer aus dem Jahre 1864 wurde der Kopf der Kaiserin ausgeschnitten und in ein Bild mit einer nackten Dame einmontiert. Das Gerücht hielt sich nur kurz, da der Erpresser schnell gefasst werden konnte.
Mythos 11: War Sisi bi- oder homosexuell?
„Für mich keine Liebe, für mich keinen Wein; die eine macht übel, der andre macht spei‘n!“ Diese Weisheit hat Sisi in einem Gedicht niedergeschrieben. Viele interpretierten aus diesen Zeilen, dass sie womöglich bi- oder homosexuell war. Andere wiederum mutmaßten, dass sie außereheliche Beziehungen pflegte – etwa zum ungarischen Politiker Graf Andrássy. Womöglich ist irgendetwas dazwischen die Wahrheit. Übereinstimmung findet sich in den Aussagen der Geschichtsautoren, dass Sisi für den Kaiser anfänglich Bewunderung empfand – später sah sie ihn eher als guten Freund. Seine Geliebte Katharina Schratt soll ihm Elisabeth sogar persönlich vermittelt haben, damit er nicht so einsam ist.
Mythos 12: Hatte die Kaiserin politische Interessen?
Was ihr Verhältnis zu dem ungarischen Grafen Andrássy betrifft, so pflegte Sisi wohl eher eine freundschaftliche Beziehung. Elisabeth sagte einmal selbst: „Ja, das war eine treue Freundschaft und sie war nicht durch die Liebe vergiftet.“ Aus Sicht des Grafen war die Beziehung auch eher politisch motiviert. Denn die Kaiserin sollte als Vermittlerin zwischen Ungarn und dem Kaiser auftreten, was sie sehr engagiert tat. Aus Liebe zu dem Land und seinem Volk lernte sie sogar die ungarische Sprache. Es kommt tatsächlich zur Einigung und die Ungaren küren die Kaiserin von Österreich an der Seite von Kaiser Franz Joseph am 8. Juni 1867 zu ihrer Königin.
Mythos 13: Wurde Sisi kaltblütig ermordet?
Es ist der 10. September 1898: Die 60-jährige Kaiserin Elisabeth ist gerade in Begleitung ihrer Hofdame auf dem Weg zum Bootssteg am Genfer See, um nach Caux weiterzureisen. Plötzlich nähert sich ein Unbekannter den beiden Damen und stürzt auf die Kaiserin zu. Er schlägt sie mit geballter Faust und ergreift die Flucht. Obwohl Elisabeth zunächst bei Bewusstsein bleibt, merkt sie nicht, dass sie aus einer kleinen Wunde oberhalb der Brust blutet. Erst an Bord des Schiffes bricht sie schließlich zusammen und stirbt bald darauf im Hotel. Ihre letzten Worte waren angeblich: „Aber was ist denn mit mir geschehen?“ Ihr Mörder, der italienische Anarchist Luigi Lucheni, wird gefasst und zu lebenslanger Haft verurteilt.