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Überwältigender Charme, selbstbewusstes Auftreten, strategisches Denken – Studien haben ergeben: All diese Eigenschaften sind bei Psychopathen besonders stark ausgeprägt. Und genau das macht es so schwer, sie zu erkennen. Denn sie nutzen diese positiven Charakterzüge als Fassade, um in der Gesellschaft unerkannt zu bleiben.
Alle Psychopathen haben eines gemeinsam: Ein Cluster aus sieben Eigenschaften macht sie zu eiskalten Überfliegern – genau wie den Serienkiller Patrick Bateman, Hauptfigur des Thrillers „American Psycho“ (das Bild zeigt den Schauspieler Christian Bale in der Verfilmung aus dem Jahr 2000). Der Psychologe Kevin Dutton nennt diese Merkmale die „Seven Deadly Wins“. Sie sind bei jedem Psychopathen verschieden stark ausgeprägt. Die Kombination dieser Eigenschaften entscheidet letztendlich, wie sich ein Psychopath verhält. Die folgenden sieben Männer besitzen all diese Eigenschaften – wobei bei jedem von ihnen eine davon besonders stark in der Persönlichkeit verankert ist …
Tödliche Eigenschaft Nr. 1: Skrupellosigkeit
Tödliche Eigenschaft Nr. 2: Charme
Sie verstecken ihre eiskalte Natur hinter einem perfekt gewobenem Vorhang aus Charme. Wer einen Psychopathen trifft, merkt dies meist gar nicht. Grund: Sie wirken verständnisvoll, nett und aufrichtig. Erst wenn die Maskerade entweder nicht funktioniert oder der Psychopath sein Ziel erreicht hat, kommt sein wahres Ich zum Vorschein. Ein Psychopath, der diese Eigenschaft zur Perfektion brachte, ist der US-Serienmörder Ted Bundy: Er ist intelligent, gutaussehend und spielt den vollendeten Gentleman. Doch sobald er allein mit seinen Opfern ist, stellt er die Komplimente ein. Er vergewaltigt und ermordet sie. Bundy hatte 35 bis sechzig Frauen und Mädchen getötet, als er 1978 festgenommen wird.
Tödliche Eigenschaft Nr. 3: Konzentration
Tödliche Eigenschaft Nr. 4: Belastbarkeit
Tödliche Eigenschaft Nr. 5: Selbstbewusstsein
Psychopathen sind unheimlich selbstbewusst und drücken mit jeder Geste Überlegenheit aus. Das macht sie besonders in Krisensituationen zu starken Führungskräften. Denn statt in Panik zu verfallen, wirken sie kompetent. Bei dem ostafrikanischen Diktator Idi Amin ist diese psychopathische Eigenschaft besonders stark ausgeprägt: Sein Amt als Präsident von Uganda ist ihm nicht genug. Er bietet zum Beispiel der britischen Königin seine Liebesdienste an und schlägt vor, der König von Schottland zu werden. In Uganda herrscht er von 1971 bis 1979 als grausamer Tyrann. Etwa 300.000 Menschen sterben in Folterkammern oder durch Amins Todesschwadronen, die durch das Land ziehen.
Tödliche Eigenschaft Nr. 6: Manipulation
Sie entschlüsseln kleinste Gesten und lesen die Gedanken ihres Gegenübers. Psychopathen wissen, wie wir uns fühlen, und nutzen unsere Emotionen zu ihrem Vorteil aus. Obwohl sie kein Mitgefühl empfinden, können sie es perfekt vortäuschen und unser Vertrauen gewinnen. Sobald sie es haben, steuern Psychopathen andere Menschen wie Schachfiguren. Der britische Psychopath Robert Maudsley – auf dessen Geschichte der Hollywood-Film „Das Schweigen der Lämmer“ (Bild) basiert – gilt als extrem manipulativ. Nachdem er 1974 wegen Mordes inhaftiert wird, schafft er es trotz seines inzwischen berüchtigten Rufs als eiskalter Killer, einen Häftling in seine Zelle zu locken und zu ermorden. Das Bild zeigt eine Szene aus „Das Schweigen der Lämmer“, mit Anthony Hopkins als Hauptfigur Hannibal Lecter, für die Robert Maudsley das Vorbild war.
Tödliche Eigenschaft Nr. 7: Aktionismus
Tödliche Eigenschaft Nr. 7: Aktionismus. Psychopathen lassen sich auf jede Situation ein. Sobald sie eine Strategie haben, setzen sie diese auch schnell in die Tat um. Denn für Psychopathen gibt es nichts Schlimmeres als Langeweile. Sie suchen die Abwechslung – egal, was es kostet oder welche Konsequenzen es für andere Menschen hat. Ein Beispiel dafür ist der amerikanische Psychopath Charles Manson (Bild): Er ist stets auf der Suche nach etwas Neuem, versucht sich unter anderem als Folkrockmusiker und gründet die Sekte Manson Family. Ihre Mitglieder leitet er zu Folterungen und Morden an. Heute sitzt er in Einzelhaft im Hochsicherheitstrakt von San Quentin (USA) – ein Albtraum für den nach Abwechslung gierenden Psychopathen.
Ungemütliche Begegnungen mit Psychopathen sind für den englischen Psychologen Kevin Dutton wie Unterricht. Er besucht die geschlossenen Anstalten seines Landes und hat eine Mission: Dutton will herausfinden, wie Psychopathen es schaffen, die Hälfte aller schweren Verbrechen zu begehen – wo sie doch nur ein Prozent der Bevölkerung ausmachen.
Warum können sie immer wieder normale Menschen betrügen oder ermorden? Die Ergebnisse von Duttons Interviews mit den Insassen der geschlossenen Anstalt Broadmoor sind so faszinierend wie unheimlich: Das Gehirn von Psychopathen arbeitet anders, und das bringt ihnen im Alltag nicht nur Nachteile. In einigen Lebensbereichen sind Psychopathen sogar überdurchschnittlich talentiert.
Was macht Psychopathen außergewöhnlich?
Sie könnten der Chirurg sein, der jemandem das Leben rettet – oder der Mann, der dieser Person den Schädel eingeschlagen hat. „Psychopathie ist keine Frage von Schwarz oder Weiß. Man muss sich das eher wie eine Skala oder ein DJ-Pult vorstellen“, sagt Dutton. Wenn alle Regler voll aufgedreht sind, landet man wahrscheinlich für dreißig Jahre hinter Gittern. Doch Gewalttätigkeit gehört gar nicht unbedingt zu den Kriterien eines Psychopathen – Intelligenz auch nicht.
Diese Eigenschaften entscheiden jedoch, wie man sich entwickelt. Wer psychopathisch und dazu gewalttätig ist, wird oft kriminell. Doch wenn statt Gewalt Intelligenz ins Spiel kommt, landen viele Psychopathen im Parlament oder im OP-Saal. Die Regler des Psychopathen-Pults müssen also nur in Maßen und in der richtigen Kombination aufgedreht sein, um als Psychopath Karriere zu machen.
Kein Mitleid: Wann können Gefühle im Weg stehen?
Nehmen wir den britischen Neurologen Dr. Geraghty (Anmerkung der Redaktion: Die Namen von Dr. Geraghty und sämtlichen Insassen wurden geändert): Tausende Menschen legen sich bei ihm voller Vertrauen unters Messer. Dabei unterscheiden ihn wohl nur wenige Eigenschaften von einem gefährlichen Verbrecher. Denn Geraghty gehört nicht etwa wegen seines Mitgefühls, sondern wegen seiner Emotionslosigkeit zu den Besten seines Fachs.
„Ich habe kein Mitleid mit meinen Patienten. Den Luxus kann ich mir nicht erlauben. Im OP werde ich als kalte, herzlose Maschine wiedergeboren, die mit Skalpell, Bohrer und Säge im Einklang steht. Wenn man dabei ist, den Tod wegzuschneiden und zu überlisten, sind Gefühle fehl am Platz. Sie bedeuten Unsicherheit und sind schlecht für das Geschäft. Ich habe meine Emotionen über die Jahre ausgelöscht“, erklärt er.
Im OP-Saal ist sein Gehirn nur auf seine Aufgabe fokussiert. Dabei filtert es Angst und alle anderen Faktoren, die es ablenken könnten, rücksichtslos aus. Durch die Fähigkeit, seine Gefühle in den Hintergrund zu drängen, sind Geraghtys Leistungen überdurchschnittlich gut.
Keine Angst: Wie schalte ich die Furcht in meinem Kopf aus?
Psychopathen würden jedes Model ansprechen. Sie lassen sich von keiner Frau einschüchtern – nicht weil sie immer Erfolg haben, sondern weil Furcht für sie ein Fremdwort ist. Ihr Gehirn ist anders gestrickt: „Es filtert Furcht aus. Das Angstzentrum im Bereich der Amygdala ist nie im Betrieb. Das führt dazu, dass ein Psychopath Bedrohungen gar nicht als solche wahrnimmt“, erklärt Dutton.
Diese Eigenschaft verleiht dem Psychopathen Nerven aus Stahl und große Belastbarkeit. Das macht einige Psychopathen zu idealen Soldaten. Bei der Auswahl ihrer SAS-Spezialkräfte setzt die britische Armee alles daran, um die Belastbarkeit ihrer Rekruten bis aufs Äußerste zu testen. „Man bricht die Psyche nicht mit Gewalt selbst, sondern mit Drohungen“, sagt ein Ausbilder.
Besonders beliebt: der Lastwagen-Test. Er wartet auf die Rekruten, wenn sie körperlich ohnehin schon am Ende sind. Dann fesseln die Ausbilder einen Soldaten und legen ihn vor einen Lkw. Sie verbinden ihm die Augen. Der Lkw fährt langsam nach vorn – bis der Motor nur Zentimeter vom Ohr des Soldaten entfernt ist. Der Lärm ist nur der Anfang: Der Fahrer springt heraus und lässt den Motor laufen.
Aus der Ferne fragt jemand, ob der Fahrer die Handbremse gezogen hat. Jetzt presst ein anderer Ausbilder dem Rekruten einen Ersatzreifen an die Schläfe – der Druck wächst. „Nach ein paar Sekunden nehmen wir den Reifen weg, ziehen die Augenblende ab und schreien ihn an. In diesem Moment geben viele auf“, erklärt der Ausbilder.
Keine Furcht vor gar nichts
Solche Belastungsproben sind für Psychopathen ein Witz. Bei Duttons Besuch in der Hochsicherheitsanstalt Broadmoor erklären ihm die Insassen, warum: „Das hat nichts mit Mut zu tun. Wenn du nie Angst hast, brauchst du ja auch nicht mutig zu sein, oder? So wie ich Angst verstehe – ehrlich gesagt, habe ich mich noch nie gefürchtet – ist sie meistens sowieso unbegründet. Der Lkw-Stunt ist doch nur ein Psychospiel“, erzählt der Psychopath Leslie.
Sein Tipp für den Alltag: „Hindere dein Gehirn daran, in Zukunftsszenarien vorzupreschen. Wenn du das tust, knackst du auch den Mut.“ Danny, ein anderer Häftling der Anstalt Broadmoor, kennt noch einen weiteren Trick: „Nächstes Mal, wenn du so richtig Angst hast, frag dich selbst: Was würde ich tun, wenn ich mich nicht so fühlen würde? Und dann tu es einfach.“
Das Motto der Psychopathen: „Tu es einfach!“
Ein Beispiel: Fast jeder will eine Gehaltserhöhung. „Doch nur die wenigsten trauen sich, danach zu fragen“, sagt Dutton. „Viele Leute haben Angst davor, was ihr Chef denkt oder ihre Kollegen von ihnen halten“, fährt er fort. Ein Psychopath konzentriert sich auf die positiven Folgen der Gehaltserhöhung.
Beim Gespräch mit dem Chef ist er dadurch selbstbewusster, überzeugender. Die Folge: In aller Wahrscheinlichkeit verlässt er den Raum mit mehr Gehalt als seine Kollegen. Was sie dann von ihm halten, ist dem Psychopathen egal – sein Motto lautet: „Just do it.“ Diese Mentalität beschert Psychopathen einen weiteren Vorteil: Sie schieben nie etwas auf die lange Bank und arbeiten somit effektiver.
Blick ins Psychopathen-Gehirn
Forscher der Universität Tübingen haben sogar einen Weg gefunden, um Belastungstraining und Psychotricks überflüssig zu machen. Mithilfe der sogenannten TMS-Technologie können sie jeden Menschen innerhalb von Sekunden so nervenstark machen wie einen Psychopathen.
TMS – die Transkranielle Magnetstimulation – funktioniert nach dem Prinzip eines Lichtdimmers. Sie kann die elektrischen Signale in bestimmten Bereichen des Gehirns hemmen. „Für das Psychopathen-Experiment ist das Emotionszentrum, die Amygdala, entscheidend“, betont Dutton. TMS schaltet sie und damit auch unsere Furcht regelrecht ab. Der Nachteil: Der Effekt hält nur etwa eine halbe Stunde an.