Ungefähr 650 verschiedene Muskeln lassen uns laufen, sprechen oder atmen. Dabei gleicht keiner dem anderen: Mit nur fünf Quadratmillimeter ist der Stapedius unser kleinster Muskel. Er sitzt im Mittelohr unter dem Steigbügel und verhindert, dass die Gehörknöchelchen bei zu hohen Schalldrücken aus dem Takt geraten. Unser längster Muskel, der Sartorius, verbindet das Knie mit der Hüfte. Der Gesäßmuskel, auch Gluteus Maximus genannt, ist unser stärkstes Exemplar. Er stützt den Oberkörper und ermöglicht es uns, aufrecht zu gehen.
Stapedius, Sartorius und Gluteus Maximus gehören zur sogenannten Skelettmuskulatur. Sie sind über Sehnen mit den Knochen verbunden. Die über 400 Skelettmuskeln halten nicht nur unseren Körper in Bewegung, sie formen auch unsere Figur. Bei Frauen machen sie etwa ein Drittel des Körpergewichtes aus, bei Männern sogar die Hälfte. Das Besondere: Wir können bewusst entscheiden, ob wir unsere Skelettmuskeln anspannen wollen oder nicht.
Nicht zu kontrollieren: die glatten Muskeln
Zwei andere Muskeltypen arbeiten dagegen unabhängig vom Gehirn. Die sogenannten glatten Muskeln ummanteln innere Organe wie Darm oder Blutgefäße. Hier drücken sie Nahrung und Blut in die richtige Richtung. Ohne unseren Einfluss pumpt auch der Herzmuskel ununterbrochen Blut bis in die hintersten Winkel unseres Körpers. Durchschnittlich 70 Mal in der Minute, über 2 Milliarden Mal in 70 Jahren. Damit das Herz der aktivste Muskel unseres Körpers.
Wenn die Muskeln versagen: das Möbius Syndrom
Ihr Gesicht ist zu einer Maske erstarrt. Kein Lächeln, kein Zwinkern, nichts verrät ihre Stimmung. Etwa fünfzig Menschen in Deutschland leiden am sogenannten Möbius-Syndrom, einer angeborenen Lähmung der Gesichtsmuskulatur. Für sie ist es unmöglich, die Stirn zu runzeln oder mit den Augen zu blinzeln. Essen, Trinken und Sprechen fällt ihnen schwer. Oft sind auch die Augenmuskeln gelähmt. Die Patienten schielen und haben Schwierigkeiten mit dem Sehen.
Für das Möbius-Syndrom gibt es keine Heilung. Trotzdem können Mediziner durch eine Operation ihr Leiden lindern. An der Klinik für plastische Chirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover ersetzen Ärzte gelähmte Muskelpartien im Gesicht durch gesunde Muskeln aus dem Oberschenkel. Mit Erfolg: Die Patienten können nach einer solchen Transplantation ihren Mund und ihre Wangen wieder bewegen.
Das Innere des Muskels
Der Bizeps. Von außen hart und oval wie ein Baseball. Aber ein kurzer Blick durch das Mikroskop genügt um zu erkennen: Der Bizeps ist kein einheitlicher Muskelberg. Wie alle Skelettmuskeln besteht er aus Tausenden einzelner Riesenzellen – den Muskelfasern. Sie werden von einer schützenden Bindegewebsschicht zu einem festen Paket zusammengehalten.
Muskelfasern können bei einer Länge von 30 Zentimetern so dick wie ein Menschenhaar werden. Ihr Inneres durchziehen unzählige verkürzungsfähige Eiweißstränge, die Myofibrillen. Wenn wir etwa unseren Bizeps anspannen, ziehen sich alle Myofibrillen der aktivierten Fasern und dadurch alle Fasern des Muskels gleichzeitig zusammen.
Wie Aktin- und Myosinfilamente den Körper bewegen
Den eigentlichen Motor der Muskelkontraktion bilden aber zwei hauchdünne Eiweißfäden, die parallel im Innern der Myofibrillen liegen: die sogenannten Aktin- und Myosinfilamente. Sobald wir unsere Muskeln bewegen, verschieben sie sich gegeneinander.
Myosinfilamente sehen aus wie Ruderboote. Winzige Paddel – die Myosinköpfchen – ragen seitlich aus ihnen heraus. Mit ihnen zerren sie die Aktinfäden Stück für Stück an sich vorbei. Dadurch verkürzen sie die Myofibrille und schließlich den gesamten Muskel. Die Bewegung ähnelt einem eingefahrenen Teleskop. Entspannen wir unsere Muskeln, gleiten die Aktin- und Myosinfilamente wieder auseinander. So als ob das Teleskop ausgefahren würde.