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Panikattacken und Ödipuskomplex: Das Leben von Sigmund Freud

Foto: Wikimedia Commons / Library of Congress & Public Domain

Panikattacken und Ödipuskomplex: Das Leben von Sigmund Freud

Neben Albert Einstein und Charles Darwin ist wohl kaum ein anderer Wissenschaftler derart in der Massenkultur des 21. Jahrhunderts verankert wie Sigmund Freud. Sein Gesicht mit den dunklen, forschenden Augen und dem weißen Bart kennt fast jeder.

Von ihm geprägte oder bekannt gemachte Begriffe wie narzisstisch, Verdrängung und Trieb sind Allgemeingut. Doch gleichzeitig ist die wissenschaftliche Leistung des Begründers der Psychoanalyse, der bis zu seinem Tod am 23. September 1939 praktizierte, umstritten.

Grundlose Panik?

Angst ist ein lebenswichtiges Gefühl, das uns vor Gefahren warnt. Reagieren Menschen in eigentlich harmlosen Situationen mit übertriebener Panik, leiden sie an einer sogenannten Angststörung. Ausgerechnet Sigmund Freud erforschte sie nicht nur, er litt auch selbst massiv darunter. Er klassifizierte die Angststörung als Angsthysterien (mit situativen Auslöser) und als Angstneurosen (ohne situativer Ursache).

Als wohl erster Experte beschrieb er die sogenannte Agoraphobie, die Angst vor bestimmten Orten oder Situationen. Freud zwang sich dazu, die beängstigenden Bedingungen auszuhalten und empfahl allen Psychoanalytikern, ihre Patienten direkt mit den Panik auslösenden Orten oder Situationen zu konfrontieren, um sie zu überwinden. Therapeuten setzten auch heute noch häufig diese Therapie zur Behandlung ein.

Alles nur Humbug?

„Viele glauben, dass die Freudsche Lehre nur Humbug ist. Einer der Gründe dafür: Die empirische Basis, auf der Freud seine Lehre zur Erklärung der menschlichen Psyche aufbaute, war nach heutigen Maßstäben lächerlich schmal. Sie umfasste eine sehr überschaubare Anzahl von Patienten, die zufällig den Weg zu ihm in die Wiener Berggasse gefunden hatten. 

Ödipuskomplex und Freudsche Fehlleistung 

Freuds vielleicht wichtigste Erkenntnis überhaupt – dass die meisten psychischen Probleme in der Sexualität wurzeln – wurde schon von seinem Kronprinzen Carl Gustav Jung angezweifelt. Der Ödipuskomplex? Geht auf ein Kindheitserlebnis Freuds zurück, kann nach heute vorherrschender Meinung aber keine allgemeine Gültigkeit beanspruchen. Selbst bei der berühmten Freudschen Fehlleistung soll der Meister sich geirrt haben.

Freud war der Meinung, dass Versprecher wie Schwein statt Schein immer verborgene Motive und Haltungen offenbaren. Heute dagegen nimmt man an, dass die meisten Versprecher einfach nur Versprecher sind. So greift das Gehirn bei ähnlich klingenden Fremdwörtern oft auf das bekanntere zurück – und dann kommt statt ökumenisch eben ökonomisch heraus.

Von der Psychoanalyse zur Verhaltenstherapie

Ein Freudsches Konzept, das heute wieder stärker anerkannt wird als noch vor einigen Jahrzehnten, ist die Macht des Unbewussten. Unbewusste Vorgänge können unsere Einstellungen und unser Verhalten beeinflussen. Zum Beispiel ist die Werbung ganz auf unterschwellige Beeinflussung ausgerichtet. Ein Erbe Freuds ist auch die Psychoanalyse als anerkannte Therapie für psychische Störungen. Allerdings sind die weitaus meisten Therapeuten heute keine Freudianer, sondern Verhaltenstherapeuten. Der wichtigste Unterschied: Sie wollen die Probleme des Patienten möglichst schnell beheben und dafür nicht erst lange Ursachenforschung betreiben, indem sie in seiner Vergangenheit herumstochern. Unbestritten ist hingegen, dass es oft schon guttut, über Probleme überhaupt erst einmal offen zu sprechen – dafür muss man nicht krank sein, das gilt für jeden. Auch diese Erkenntnis geht zum Teil auf Freud zurück, der seine Patienten zum Erzählen auf die Couch bat.

Freud gab der Sexualität eine Sprache

Freuds Lehre des Redens und Zuhörens ist auch heute noch ein Wegweiser für den zwischenmenschlichen Umgang. Es gab zu seiner Zeit auch ganz andere, sehr menschenfeindliche Erklärungsversuche für die drastische Zunahme psychischer Krankheiten: Demnach waren die vielen Neurosen und Hysterien des Fin de Siècle um 1900 Ausdruck einer allgemeinen Degenerierung des Erbguts.

Freud stellte dagegen nicht die Gene in den Mittelpunkt, sondern die ganz persönliche Lebensgeschichte des einzelnen Menschen. Schließlich kommt ihm der Verdienst zu, die Sprachlosigkeit des 19. Jahrhunderts bei allem, was mit Sexualität zu tun hatte, überwunden zu haben. Dies konnte ihm nur gelingen, weil er ein brillanter Schreiber war, dessen Bücher bis heute ein großer Lesegenuss sind. Sogar seine erbittertsten Gegner gestehen ihm denn auch zu, dass er den Nobelpreis verdient hätte: nicht für Medizin, wohl aber für Literatur.

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