Die Super-Persuasion
Man braucht jedoch kein Geheimagent zu sein, um Menschen für sich zu gewinnen. Im Gegenteil: Jeder kann sich ein Waffenarsenal verschiedener Überzeugungs-Codes zulegen – und diese im Alltag anwenden. Aber wie genau lässt sich das Gehirn eines Menschen manipulieren? Und wie wird ein Überzeugungs-Code in den Kopf des Gegenübers gepflanzt, um das Regelwerk seines Denkens zu beeinflussen?
Der Conscience-Code
Wie bringt man einen Menschen dazu, viel mehr zu verraten, als er eigentlich will?
Der Gewissens-Code basiert auf dem Grundprinzip des Gebens und Nehmens. Wer etwa ein Geheimnis verrät, erwartet vom Eingeweihten, dass auch der ihm bei nächster Gelegenheit ein Geheimnis anvertraut. Instinktiv streben Menschen immer danach, in ausgewogenen Beziehungen zueinander zu stehen. Geheimagenten versuchen dagegen, dieses Gleichgewicht zu umgehen, bauen zunächst ein Vertrauensverhältnis zu ihren Informanten auf und verlangen über einen längeren Zeitraum überhaupt keine Gegenleistung. Sie gehen quasi in Vorleistung.
Ist die Vertrauensbasis schließlich stabil genug, gehen die Agenten zum Angriff über: „Ich habe dich bisher noch nie um etwas gebeten. Aber diesen einen Gefallen musst du mir tun. Ich brauche den Namen des Dealers.“ Die meisten Informanten geben dann aufgrund ihres schlechten Gewissens den Namen preis, in dem Gefühl, damit wieder in einer ausgewogenen Beziehung zu dem Agenten zu stehen.
Nicht ins Vertrauen ziehen lassen
Experten raten daher: Lassen Sie sich nicht in die Geheimnisse von Personen einweihen, die nicht zum engeren Bekanntenkreis gehören. Motto: „Ich will dein Geheimnis nicht hören.“ Folge: Das innere Verpflichtungsprogramm im Kopf wird deaktiviert, der soziale Stress gedrosselt.
Der Reliability-Code
Wie der Verlässlichkeits-Code genau funktioniert und einen Menschen zum Ja-Sager macht, verdeutlicht eine Studie des U.S. Department of Veterans Affairs, kurz VA: Den Mitarbeitern gelang es, das Spendenaufkommen für die amerikanischen Kriegsveteranen beinahe zu verdoppeln. Wie? Die Mitarbeiter hatten zwei Wochen vor der Spendensammlung Unterschriften für die Förderung des VA eingeholt. Dadurch hatten die Befragten derselben Sache zuvor öffentlich beigepflichtet – und waren psychisch in eine Art Bringschuld geraten.
„Und es funktioniert nicht nur bei Spenden“, sagt der US-Psychologe Rick Kilmer. „Ob man nun Hilfe beim Umzug braucht oder sich das Auto von einem Freund leihen will – nutzen Sie diese Strategie, indem Sie ein paar Wochen vor einem Überredungsversuch fragen: ‚Ich kann mich doch auf dich verlassen, oder? Und wenn ich mal deine Hilfe brauche, kann ich doch auch immer auf dich zurückkommen?‘“ Wissenschaftler fanden heraus, dass 80 Prozent der Menschen mit Ja antworten werden.
Nicht zusagen!
Selbst wenn der Manipulator erklärt, dass er die Hilfe wahrscheinlich nie in Anspruch nehmen wird, sollten Sie nicht zusagen. Ein Blanko-Ja ist gleichbedeutend mit einer verlässlichen Zusage. Denn: Ist der Code erst einmal im Gehirn eingepflanzt, ist es schwer, dem psychosozialen Druck zu widerstehen.
Experten raten daher zu folgender Formulierung: „Ich kann dir in diesem Moment nicht zusagen. Wird dein Vorhaben aber konkreter, kannst du noch mal auf mich zukommen.“
Der Van-Gogh-Code
Experten raten daher zu folgender Formulierung: „Ich kann dir in diesem Moment nicht zusagen. Wird dein Vorhaben aber konkreter, kannst du noch mal auf mich zukommen.“
Fehlersuche
In diesem Fall raten Kommunikationsexperten dazu, während einer solchen Situation nach Fehlern in den „Bildern“ zu suchen. Wie realistisch ist das dargestellte Szenario? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass es wirklich eintrifft? Wer sich darauf konzentriert, schützt sein Gehirn am besten vor der Manipulation.
Der Enemy-Mind-Code
Gelingt es, dem zu Verhörenden vorzugaukeln, dass beide die gleichen Interessen haben, kann man ihn in 90 Prozent aller Fälle zu einer Handlung überreden, die er sonst nie begehen würde. Folter ist laut Matthew Alexander besonders sinnlos: „Der Unterschied zwischen Zwang und Kooperation“, so der Verhörspezialist, „besteht darin, dass dir ein Gefangener unter Zwang das Minimum verrät, zum Beispiel die Lage eines Hauses; in einer kooperativen Atmosphäre erzählt er dir das Maximum, zum Beispiel, dass es dort Sprengfallen gibt.“
Abstand halten
Ob Nachbar, Vermieter oder Geschäftspartner – bei oberflächlichen zwischenmenschlichen Beziehungen ist eine Analyse des möglichen Manipulators absolut entscheidend: Warum verhält er sich so? Und was habe ich eigentlich von den Gemeinsamkeiten? In der Regel nichts, sagen Kommunikationsexperten und raten, sich nicht zu sehr mit Außenstehenden oder Respektspersonen zu „verbrüdern“. Grund: Bei engerer Bindung verändern sich auf Dauer die gefühlssteuernden Hirnzentren (z. B. die Amygdala); die emotionale Distanz geht verloren. Die Folge: Die Bereitschaft, persönliche Informationen auszutauschen, erhöht sich.
Der Excessive-Code
Oft möchte der Befragte zuverlässig und konsequent wirken und sagt, nachdem schon der erste Gefallen zugesagt wurde, auch zur größeren Bitte nicht nein. Es geht also nach dem Motto: „Wenn du das eine tun kannst, ist es doch kein größerer Aufwand für dich, auch den anderen Wunsch zu erfüllen.“
In Ruhe nachdenken
Hier gilt ebenso: Bedenkzeit nehmen! Denn während unser Zentrum für Moralsinn, der ventromediale präfrontale Cortex, sehr schnell zu dem Schluss kommen würde, dem großen Wunsch nachzugeben, wehrt sich unser Verstand wenig später gegen eine solche Tat. Dadurch steigt die Chance, die Lage realistisch zu beurteilen.
Der Truth-Code
Mit dieser Aussage hatte er nicht nur die meisten Lacher auf seiner Seite, ihm konnte auch niemand vorwerfen, unehrlich gewesen zu sein. Im Endeffekt war es doch jedem bewusst, dass er das Geld für Alkohol ausgeben würde. Ergo: Spricht man in Diskussionen oder bei Forderungen die Wahrheit aus, verringert sich die Chance, dass einem ein Gefallen abgeschlagen wird.
Persönliche Entscheidung
Der Snatch-Code
<brDer Grund: Er entzündet das Gehirn wie ein Feuerwerk. Besonders das Gefühlszentrum, die Amygdala, wird auf diese Art und Weise angesprochen. Tatsächlich fanden Wissenschaftler heraus, dass, wenn man während einer Konversation für etwa 55 Prozent der Zeit des Gesprächs dem Gegenüber in die Augen blickt, das Überzeugen leichter fällt. Verkürzt man diese Dauer, sinken nicht nur die Chancen, das Gegenüber zu überzeugen, es gilt gemeinhin auch als unhöflich. Doch Vorsicht: Bei mehr als vier Sekunden andauerndem Augenkontakt empfindet Ihr Gegenüber den Blick als Anstarren! Das löst Unbehagen aus: Männer fühlen sich kontrolliert, Frauen belästigt.
Genau zuhören
Der Cause-Code
Im ersten Durchgang versuchte sie es mit folgender Bitte: „Entschuldigung, ich habe fünf Seiten. Können Sie mich bitte vorlassen?“ 60 Prozent ließen sie daraufhin vor. Im nächsten Schritt hieß es: „Entschuldigung, ich habe fünf Seiten. Kann ich bitte vor, weil ich es eilig habe?“ 94 Prozent der Anstehenden gewährten ihr daraufhin den Vortritt. Die Forscherin stellte sich die Frage, wodurch es zu diesem Sinneswandel gekommen sei, und machte einen dritten Versuch: „Entschuldigung, ich habe nur fünf Seiten. Kann ich bitte vor, weil ich Kopien machen muss?“ Die Begründung ist zwar nicht besonders sinnvoll, dennoch sagten 94 Prozent der Menschen „Ja“. Grund: Der Mensch erwartet nach dem Wort „weil“ eine Begründung, hört aber meist gar nicht mehr genau hin, welche Begründung folgt.
Nachdenken
Einen Moment innehalten und überlegen. Denn besonders der orbitofrontale Cortex – eine Region, die bei der Entscheidungsfindung aktiv ist – scheint nach dem Hören des Wortes „weil“ quasi auf Autopilot zu schalten. Als Grundregel gilt daher eine alte Schulweisheit: Erst denken, dann reden ...
Der Doppelgänger-Code
Wie bricht man das Schweigen des Gegenübers? „Man muss einfach alles über den zu Verhörenden wissen, jede Stärke und jede Schwäche, und auch seine Herkunft und Kultur kennen“, sagt Ex-Agent Alexander. Tatsächlich fanden Wissenschaftler in einer Charakterstudie heraus, was die erfolgreichsten Verhörspezialisten auszeichnete: Alle waren intelligent, hartnäckig – und besaßen ein umfassendes Wissen über die Kultur des Gefangenen. „So gut man auch über den Gefangenen Bescheid weiß, die Strategie funktioniert nur, wenn der im Verhör das Gefühl bekommt, auch den Vernehmer zu kennen“, sagt Alexander. „Doppelgänger-Taktik“ nennen die Verhörspezialisten dieses Vorgehen. „In dem Moment, in dem man den Raum betritt, ist man eine andere Person. Die Person, mit deren Charakter sich der Gefangene am ehesten anfreunden kann“, erklärt Alexander: Denn je entspannter er ist, desto mehr redet er, und je mehr er redet, desto eher gerät er in Schwierigkeiten – denn desto schwieriger ist es, eine Lüge aufrechtzuerhalten.
Abstand wahren
Der Deadline-Code
Studien ergaben: Mit solchen und ähnlichen Aussagen wird negativer Stress beim Konfrontierten erzeugt. Er fühlt sich unter Druck gesetzt, und in den meisten Fällen entscheidet er sich zugunsten der fragenden Person. Achten Sie aber darauf, dass Sie Ihr Gegenüber nicht zu offensichtlich drängen. Es soll glauben, die Lösung eines Problems gefunden zu haben, und nicht erkennen, dass es soeben von Ihnen manipuliert wurde.