Ist das Universum eine Scheibe?
„Ich habe in meinem Leben schon viele unglaubliche Naturschauspiele bestaunen dürfen, aber nichts führte mir bisher die Winzigkeit und Unbedeutsamkeit meiner menschlichen Existenz im Vergleich zum Universum so gewaltig und deutlich vor Augen, wie die Polarlichter in jener Nacht“, sagt Nicholas Roemmelt über den hier festgehaltenen Moment in Island. Eine Schönheit, die geschützt werden muss.
Die Special Effects der Natur
Polarlichter, auch bekannt als Nordlicht oder Aurora borealis, sind besonders magische Schauspiele. Diese Special Effects der Natur werden sichtbar, wenn elektrisch geladene Teilchen wie Elektronen oder Protonen auf Sauerstoff und Stickstoff in den oberen Schichten der Erdatmosphäre treffen. Es kommt zur sogenannten „Fluoreszenz“. Für uns auf der Erde bedeutet das: Wir können das ausgesendete Lichtspiel genießen, wenn wir nah genug sind – in diesem Fall in Finnland.
Der frühe Vogel fängt den Stern
„Die wichtigste Begabung ist das fotografische Auge“, antwortet Roemmelt auf die Frage nach den besten Voraussetzungen, die einen guten Fotograf auszeichnen. „Die nächste Eigenschaft ist die Ausdauer, mit der man seine jeweilige Sparte der Fotografie betreibt. Als Naturfotograf beispielsweise muss man meist zu den unmöglichsten Tageszeiten unterwegs sein, um das beste Licht einzufangen.“ Das gilt natürlich umso mehr, wenn es sich dabei um Sternenlicht handelt.
Die Tücken der Sternensuche
Himmelsfotografie ist nichts für Langschläfer: „Leider kann man oft gar nicht mal ins Bett gehen und die Tour geht bereits am frühen Abend los. Manchmal muss man aber auch mitten in der Nacht aus den Federn.“ Auch weite Reisen gehören dazu: „Für Sternenaufnahmen muss man leider sehr häufig an weit entlegene Stellen reisen, um Lichtverschmutzung zu vermeiden“, sagt Roemmelt. Damit meint er beispielsweise menschliche Beleuchtungen, die mit dem Sternenhimmel konkurrieren.
Landschaft wie aus dem Märchen
Polarlichter einzufangen ist nicht immer reiner Zufall. Nicholas Roemmelt und seine Frau haben sich im Februar 2013 in den Norden Finnlands begeben, um das Sonnenaktivitätsmaximum zu nutzen. Dieses erreicht alle elf Jahre seinen Höhepunkt und flaut dann wieder ab. Auf dem Höhepunkt der Sonnenaktivität ist die Chance am größten, imposante Nordlichter zu sehen. Dieses Foto entstand bei klarem Himmel in der finnischen Taiga, am Rande des Phyhä Luosto Nationalparks. „Im Winter herrscht hier eine Winterlandschaft wie aus einem Märchen“, schwärmt Nicholas Roemmelt. „Schnee und Wind formen unglaubliche Skulpturen aus allem, was sie unter sich begraben.“ Für ihn war es „ein Lebenstraum, der in Erfüllung ging“.
Wie viel wiegt ein perfektes Foto?
Kondition ist ebenfalls gefragt, wenn man beeindruckende Bilder machen will. „Ein schwerer Rucksack, Zelt und Schlafsack begleiten mich dabei – insgesamt können das rund 25 Kilo werden.“ Die Belohnung: Bilder wie dieses von einem toten Baum vor der Milchstraße in den Tiroler Alpen.
Es werde Licht!
„Ich bin eigentlich ein Spätberufener“, sagt Roemmelt über seine Liebe zur Fotografie. Alles begann mit einer kleinen Kompaktkamera, die ihm seine Frau zum 30. Geburtstag schenkte. Der Reiz? „Ich kann dadurch einen Teil meiner Erinnerungen mit nach Hause bringen und anderen, die vielleicht niemals an dieser Stelle stehen werden, die Schönheit genau dieses Fleckchens zeigen.“
Zur rechten Zeit am rechten Ort
Dieses Bild entstand in den österreichischen Alpen. Es heißt „Perfect Moment“, da das Zusammenspiel von Nebel, dem Licht der Dörfer im Tal und der klare Nachthimmel nötig war, um dieses Ergebnis zu erzielen. Ebenso ein Stativ und eine Fernbedienung für schwingungsfreies Auslösen, da bei solchen extremen Lichtverhältnissen jedes kleine Verwackeln das Bild ruinieren würde.
Sternenmalerei
Was Nicholas Roemmelt bei seiner kreativen Arbeit hinter der Kamera hilft, ist sein Zeichentalent: „Die Bildkomposition von Fotos funktioniert nach den gleichen Regeln wie ein gut gezeichnetes Bild.“ Dass dieser Vergleich sehr treffend ist, zeigt die Übersetzung des Wortes Fotografie: Zeichnen mit Licht. Auf dem Foto zu sehen sind Roemmelts wichtigste Begleiter neben der Kamera: Frau und Hund.
Geisterstunde
Diese surreale Landschaft findet man am Petersköpfl im Tiroler Kaisergebirge. „Hunderte von Bergsteigern haben sich hier auf ihrer Gipfelrast mit dem Bau der skurrilsten Steinmänner verewigen wollen, weshalb das Gipfelplateau einem Feld voller Steingräber gleicht“, erklärt Roemmelt.
Zauberei über Island
Nordlichter tanzen über dem Berg Kirkjufell im Westen von Island. Das Shooting war extrem aufwendig, denn ein Polarlicht verändert sich ständig und flaut innerhalb von Minuten wieder ab. Da muss jeder Handgriff sitzen. „Drei Kameras wurden auf Stativen an verschiedenen Spots aufgebaut“, sagt Nicholas Roemmelt. „Es ist empfehlenswert, die Location tagsüber schon einmal besucht zu haben, um die besten Stellen zu kennen. Um sich beim Rückweg besser orientieren zu können, sollte man das Gebiet vorab auch schon mal bei Nacht gesehen haben.“
Fotografen haben keinen Feierabend
„Das perfekte Sternenwetter ist leider in Österreich sehr selten anzutreffen und so muss man als Sternenfotograf jede Gelegenheit beim Schopf packen“, sagt Roemmelt. Auch wenn das bedeutet, dass man sich kurz vor seinem Geburtstag auf eine sportliche Nachtwanderung begibt, um dann pünktlich um Mitternacht - und nach geschossenem Bild - mit seiner Frau und einem Glas Prosecco den Ehrentag zu feiern. So nämlich entstand dieses Bild vom Petersköpfl im Zillertal.
Technik oder Können?
„Die Aufnahmetechnik ist oft Nebensache und schnell erlernbar“, ist sich Nicholas Roemmelt sicher. „ Eine Vollformatkamera, ein lichtstarkes Weitwinkelobjektiv und ein gutes und stabiles Stativ sind aber Grundvoraussetzung für den Erfolg.“ Allerdings ist er davon überzeugt, dass selbst die teuerste Ausrüstung ein gutes fotografisches Auge nicht ersetzen kann. Das Foto entstand auf dem Faltegartenkögele in Tirol.
Wenn der Himmel ruft
Einer der schönsten Bergseen der Alpen“, schwärmt Nicholas Roemmelt über diese Sternen-Kulisse. Die Rede ist vom auf 2.665 Meter gelegenen Rinnensee im österreichischen Stubaital. Der Preis für dieses Bild: „Wer am Rinnensee bis etwa ein Uhr morgens fotografieren möchte, hat danach noch eine Stunde Abstieg durch die Dunkelheit vor sich, auf einem recht beschwerlichen Weg zur Hütte.“
Was sind Startrails?
Derartige Sternenstrichspuren, Startrails genannt, entstehen durch eine Ultralangzeitbelichtung des Sternenhimmels. „Das kann von 30 Minuten bis zu mehreren Stunden dauern“, sagt Roemmelt. „Mit den digitalen Spiegelreflexkameras von heute macht man aber meist keine einzelne lange Belichtung, sondern viele kürzere. Die einzelnen Bilder setzt man dann am Computer zu einem Gesamtbild zusammen.“
See-Hilfe
Vor der Kulisse des Schweizer Stellisee berührt das erste Sonnenlicht des Tages die Spitze des Matterhorns.
Ein Regenbogen aus Sternen?
Die Schattenseiten der Entstehungsgeschichte einer schönen Fotografie sieht der Betrachter nicht. „Lange Anfahrten und Zustiege, Wind und Wetter, Kälte und Hitze aber auch Gefahren wie Lawinen, Steinschlag, Absturz, Orientierungslosigkeit oder wilde Tiere sollte man einkalkulieren“, erklärt Roemmelt. Vielleicht sind es aber genau diese Erlebnisse, die das Bild danach auch für den Fotografen selbst so besonders machen.
Dem Himmel sei Dank!
„Ich habe in meinem Leben schon viele unglaubliche Naturschauspiele bestaunen dürfen, aber nichts führte mir bisher die Winzigkeit und Unbedeutsamkeit meiner menschlichen Existenz im Vergleich zum Universum so gewaltig und deutlich vor Augen, wie die Polarlichter in jener Nacht“, sagt Nicholas Roemmelt über den hier festgehaltenen Moment in Island. „Eine Schönheit, die geschützt werden muss.“
Doktor der Sterne
Eigentlich ist Dr. Nicholas Roemmelt Zahnarzt. Seine fotografische Leidenschaft hat den Autodidakten allerdings weit gebracht: von Auszeichnungen wie dem Sony World Photography Award 2014 über Veröffentlichungen in renommierten Magazinen wie National Geographic bis zur Zusammenarbeit mit Sponsoren. Heute gibt Roemmelt sein Wissen in Workshops weiter.